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Konzepte für Fernunterricht sind derzeit in Arbeit. Denn die Kinder brauchen bald wieder Strukturen, sagt die Lehrerverbandspräsidentin Elisabeth Abbassi.
Alle Schulen in der Schweiz sind geschlossen. Noch ist das ein Abenteuer. «Die Kleinen finden es noch lustig», sagt Elisabeth Abbassi, die Präsidentin des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Eine gewisse Unsicherheit in dieser speziellen Situation sei an den Aargauer Schulen aber da. «Wir sind im Gegensatz zu vielen anderen in der glücklichen Lage, uns keine Sorgen um unsere wirtschaftliche Zukunft machen zu müssen. Aber da wir nicht wissen, wie und wann es mit dem geordneten Unterricht weiter geht, ist eine Unruhe spürbar.» Wichtig sei, dass Schulleitungen, Bildungsdepartement und Erziehungsdirektorenkonferenz die Schulen kompetent durch die Krise führten. «Starke, klare Führungsstrukturen auf allen Ebenen sind jetzt zentral, um die Unsicherheiten abzufedern.»
Dass sich die Lage bald zum Positiven ändern wird, glaubt die Lehrerinnenverbandspräsidentin indes nicht. «Momentan gehe ich stark davon aus, dass die Schulen bis zu den Sommerferien geschlossen bleiben könnten.» Deshalb müssten jetzt an die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Schulstufen angepasste Möglichkeiten für den Fernunterricht geprüft und vorbereitet werden. Dies, damit sie am 19. April – dem Ende der Frühlingsferien – einsatzbereit wären.
Die Schulen stecken unabhängig von der Corona-Krise mitten in der Transformation hin zur Digitalisierung, das bringt der neue Lehrplan mit sich. Einsatzbereit sind die neuen Systeme aber erst teilweise, wie das Beispiel der Schule Baden zeigt. Gemäss Planung soll die Digitalisierung bis zum Beginn des Schuljahres 2021/2022 abgeschlossen sein. «Aber wir können jetzt schon alle Kinder elektronisch erreichen», sagt Mirjam Obrist, die Geschäftsleiterin der Volksschule Baden. Seit Montag sind Lehrpersonen und Schulleitungen dabei, sich auf das Szenario der langfristigen Schulschliessung vorzubereiten. Ab 20. April könnte Fernunterricht stattfinden, ist Obrist zuversichtlich, die Detailplanung laufe. Immerhin: «Überrumpelt waren wir vom Entscheid nicht. Wir können weiter Schule geben.»
Die Oberstufenschülerinnen und -schüler verfügen bereits über eigene Zugänge auf ein elektronisches Schulportal. «Die Sek 1 ist parat», so Obrist. Die Jüngeren aus Kindergarten und Primarschule haben zwar noch keine eigenen Zugänge, jedes Kind sei aber via Eltern für die Schule elektronisch erreichbar. Bereits in Gebrauch ist eine Kommunikations-App. «Wir kommunizieren mit den Eltern immer digital und das funktioniert relativ gut.» Noch nicht umgesetzt ist, dass jedem Kind ein internetfähiges Gerät von der Schule zur Verfügung gestellt wird. Bei den jüngeren Kindern sei das im Gegensatz zur Sek 1 aber auch längerfristig nicht vorgesehen. Deshalb ist es laut Obrist derzeit auch nicht entscheidend, dass vereinzelt jüngere Schülerinnen und Schüler technisch nicht auf dem neusten Stand sind. Diese Fälle seien lösbar.
«Wir sind definitiv noch nicht bereit für Fernunterricht», sagt hingegen Isabelle Bechtel, die Präsidentin der Schulpflege Windisch, auf Anfrage. Bis morgen Freitag erarbeiten Lehrpersonen und Schulleitungen Konzepte für die jeweiligen Stufen, sodass die Schülerinnen und Schüler ab nächster Woche zumindest den bereits gelernten Stoff festigen können.
Vor allem die jüngeren Kinder werden aber auch in Zukunft Papier, Bücher und Bleistifte für den Unterricht brauchen, flächendeckenden digitalen Unterricht werde es in Windisch vorerst nicht geben. Ein Grund dafür sei die mangelnde Aus- rüstung. Um Diskriminierungen zu vermeiden, setzt man in Windisch weiterhin auch auf analoges Arbeiten. Aufgegleist ist die Gerätebeschaffung als Teil des gesamten Digitalisierungsprojekts jedoch bereits seit längerer Zeit. «Wir werden prüfen, ob und wo wir allenfalls den Prozess beschleunigen können», sagt Isabelle Bechtel.
Ganz ohne Internet geht es aber auch in Windisch nicht. Eine App für die Kommunikation wird dieser Tage für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt. Gleichzeitig werde sichergestellt, dass sich Eltern und Schüler jederzeit auf der Schulwebsite über die Entwicklungen informieren können und der Austausch mit der Schule gewährleistet ist.
Die richtige Vermittlung des Schulstoffs sei nur ein Aspekt, den man in der nächsten Zeit im Auge behalten müsse, mahnt Elisabeth Abbassi. Für die Kinder könne das Ausbleiben des Unterrichts auf längere Frist sozial sehr schwierig werden. Nicht jedes Kind treffe daheim auf eine ideale Lernumgebung. «Gerade die Kleinen können sich nicht selber organisieren, brauchen aber unbedingt feste, sichere Strukturen. Darauf müssen die Schulen ein Auge haben.» Dazu gehörten auch Pausen mit Spielen und Freizeitaktivitäten. «Es ist wichtig und richtig, dass die Kinder jetzt zu Hause bleiben. Diese Solidarität brauchen wir. Aber sie dürfen nicht sich selber überlassen werden.»
Welche Auswirkungen das Ausbleiben des Unterrichts im Klassenzimmer langfristig habe, sei derzeit kaum zu beantworten. Spurlos gehe diese Zeit an den Kindern sicher nicht vorbei, ist Abbassi überzeugt. «Der schulpsychologische Dienst wird in der Zeit während und nach der Krise sehr gefordert sein, das befürchte ich.» Dann seien die Jungen auf die Solidarität der älteren Generationen angewiesen, etwa wenn Lösungen für durch Schulschliessung verursachte Ausbildungs- und Studienunterbrüche gefunden werden müssen.
Elisabeth Abbassi sieht aber auch einen kleinen Lichtblick in der Krise: «Die Kinder und Jugendlichen, die das jetzt durchstehen müssen, sammeln wertvolle Erfahrungen für schwierige Situationen im Leben. Das haben sie den Älteren dann voraus.»