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Aargau
Kanton Aargau
SP und Grüne halten gar nichts davon, nach der jüngsten kantonalen Unternehmenssteuerreform eine tiefere Gewinnbesteuerung zu fordern. Doch genau das tun SVP, FDP und CVP. Sie befürchten, dass der Aargau sonst Firmen verliert.
Letztes Jahr passte der Grosse Rat die aargauische Steuergesetzgebung an die neuen nationalen Regeln an. Nötig geworden war beides, weil EU und OECD umstrittene Steuerpraktiken gewisser Kantone nicht länger akzeptieren wollten. Um trotzdem für Firmen steuerlich attraktiv zu bleiben, senkten die Kantone reihum die Firmensteuersätze. Nicht so der Aargau. Er steckte damals immer noch in der Phase der Sanierung der Kantonsfinanzen. Eine Senkung der Firmensteuer auch nur um ein Prozent hätte den Kanton 30 Millionen Franken jährlich gekostet – Geld, das er nicht hatte. So beschränkte sich das Parlament auf Drängen der Regierung darauf, die vom Bundesparlament geschaffenen Abzugsmöglichkeiten für innovative Firmen optimal auszuschöpfen: Abzüge für Forschung, Entwicklung, Patente.
Das hatte den Vorteil, dass die Kantonskasse nicht belastet wird, weil der Kanton die Abzüge für die Firmen mit Mehrzahlungen aus Bern gegenfinanzieren kann. Konkret gleicht der Bund über einen höheren Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer erwartete Mindereinnahmen der Kantone aus.
Bei Firmen, die diese Abzüge voll ausschöpfen können, sinkt die Gesamtbelastung im Aargau auf bis zu 11,5 Prozent (bei einem Steuersatz von 18,6 Prozent), womit der Aargau konkurrenzfähig ist. Für Firmen allerdings, die solche Abzüge nicht geltend machen können, bleibt es bei 18,6 Prozent. Damit rutschte der Aargau aus dem Mittelfeld auf den drittletzten Platz – gerade noch vor Zürich und Bern.
Das wollten die Fraktionen von SVP, FDP und CVP nicht hinnehmen, nachdem sich im Spätherbst abzuzeichnen begann, dass der Aargau einen sehr guten Abschluss für 2019 vorweisen wird. – was dann auch eintraf. Sie forderten rasch eine Vorlage, um den Firmensteuerfuss schon anfangs 2022 so zu senken, damit der Aargau für Firmen steuerlich wieder ins Mittelfeld vorstösst. Ziel der drei Fraktionen war, die Senkung zeitgleich mit einem deutlich höheren Steuerabzug für die Krankenkassenprämien in Kraft zu setzen.
Der Vorstoss kam vorab bei SP und Grünen ganz schlecht an. Beide doppelten gestern in der Ratsdebatte nach. Der Vorstoss kurz nach dem Entscheid über die jüngste Unternehmenssteuerreform sei absolut unredlich, rief SP-Co-Fraktionschef Dieter Egli gestern in den Saal. Aus Coronasicht sei er erst recht nicht tragbar. Egli rief dazu auf, ihn aus Respekt vor denen, die unter Corona leiden, zurückzuziehen. Der bürgerliche Vorstoss sei aus der Zeit gefallen, überholt und veraltet, doppelte der grüne Fraktionschef Robert Obrist nach. Unterstützung gab es im Rat von der EVP-BDP-Fraktion, deren Sprecher Urs Plüss betonte, vor weiteren Entscheiden erst die Wirkung der jüngsten Unternehmenssteuerreform sowie die Coronafolgen kennen zu müssen.
Davon liessen sich die Sprecher von SVP, FDP und CVP nicht beeindrucken. Der Steuersatz müsse in kurzer Frist auf höchstens 15 Prozent sinken, verlangte SVP-Sprecher Daniel Urech. Damit helfe man sogenannt nicht innovativen, dafür gewinnstarken Unternehmen, die man hierbehalten wolle. Derzeit hätten nur Bern und Zürich einen «noch unternehmensfeindlicheren Steuersatz». Andreas Meier meinte seitens der CVP, die Regierung habe ja gesagt, dass man bei einer künftigen Verbesserung der Finanzlage eine Gewinnsatzsenkung prüfen wolle. Solche Überprüfungen seien Bestandteil einer sorgfältigen Steuerpolitik. Der Vorstoss sei in der Coronakrise sogar aktueller denn je, doppelte für die FDP Herbert H. Scholl nach. Es stimme, dass man der damaligen Lösung zugestimmt habe, antwortete er auf Dieter Eglis Vorwurf der Unredlichkeit. Man habe aber damals wie die Regierung gesagt, das später zu überprüfen. Der Zeitpunkt sei dafür jetzt gekommen.
Alle hätten ein bisschen recht, meinte versöhnlich Landammann und Finanzdirektor Markus Dieth. Die Regierung sei aber nach wie vor bereit, das Anliegen von SVP, FDP und CVP zu prüfen. Die finanziellen Folgen von Corona für Kanton und Gemeinden seien indes noch nicht im Detail abschätzbar. Dieth rechnet darob aber mit Mindereinnahmen im dreistelligen Millionenbereich. Jetzt gelte es, eine Steuerstrategie zu entwickeln. Es brauche eine Auslegeordnung, und es gelte herauszufinden, welcher Handlungsspielraum für eine Gewinnsenkung bestehe und wie die finanzielle Langfristperspektiven unter Einrechnung der Coronafolgen sind.
Der Rat überwies den bürgerlichen Vorstoss schliesslich mit 85 Ja gegen 46 Nein, bei einer Enthaltung. Jetzt muss die Regierung das Anliegen prüfen. Dieth machte aber deutlich, dass eine allfällige Gewinnsatz-Senkung nicht wie von den Bürgerlichen verlangt 2022, sondern erst im Jahr 2023 möglich wäre.