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Ohne Sondereinnahmen wäre das ohnehin rekordhohe Aargauer Defizit auf 220 Millionen Franken angeschwollen. «Die Lage ist dramatisch», sagt Finanzdirektor Markus Dieth. Dennoch: Die nachhaltige Stabilisierung des Finanzhaushalts beurteilt er jetzt schon positiv.
Der neue Finanzdirektor Markus Dieth gab gestern seine erste Pressekonferenz und präsentierte das Ergebnis der Staatsrechnung 2016. Es lässt sich mit vier Worten zusammenfassen: alles noch viel schlimmer.
Dass es nicht zur schwarzen Null reicht, war schon früh klar, das ursprünglich vom Grossen Rat verabschiedete Budget musste um 60 Millionen angepasst werden. Letzten Herbst gab der Regierungsrat dann erneut eine Verlustwarnung heraus: Die Staatsrechnung werde wohl mit einem Defizit von 90 Millionen abschliessen. Schliesslich wurden 105 Millionen daraus – Minusrekord.
«Die Lage ist besorgniserregend, sagen wir es unverblümt, sie ist dramatisch», so Finanzdirektor Dieth. Das kann man wohl sagen. Einnahmen von 52 Millionen aus der Gewinnausschüttung der Nationalbank waren gar nicht budgetiert. Weitere 61 Millionen auf der Ertragsseite stammen aus der Bilanzausgleichsreserve, und die ist jetzt leer. Ohne diese Sondereffekte wäre der Kanton sogar 220 Millionen in den Miesen. Um dieses Loch, das sogenannte strukturelle Defizit, zu stopfen, arbeitet die Regierung nun an einer «Gesamtsicht Sanierung Staatshaushalt», mit der die Kasse wieder nachhaltig ins Gleichgewicht gebracht werden soll, damit nicht Jahr für Jahr ein neues Sparprogramm zusammengezimmert werden muss.
«Die Zeiten der kurzfristigen Korrekturmassnahmen sind vorbei», so Regierungsrat Dieth. Das Wort Steuererhöhung nahm der Finanzdirektor zwar nicht in den Mund. Aber neben «grundlegenden Reformprojekten» zur Stabilisierung des Ausgabenwachstums brauche es auch «einnahmeseitige Massnahmen». Wie der Sanierungsplan konkret aussehen soll, darüber war gestern noch nichts zu erfahren. Der Regierungsrat will die «Gesamtsicht» im Mai präsentieren.
Die Aufgabe kommt auf jeden Fall nahe an die Quadratur des Kreises heran, denn der finanzielle Super-Gau des Rechnungsabschlusses 2016 ist hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen, die der Kanton nur schlecht steuern kann: wie es der Wirtschaft läuft und wie viele Leute ins Spital müssen.
Auf der Einnahmenseite entwickelte sich der Steuerertrag weit schlechter als erwartet, das Budget wurde um 80 Millionen verpasst. Bei den natürlichen Personen stiegen die Steuereinnahmen zwar immerhin um knapp 30 Millionen, liegen mit 1,671 Milliarden aber um 20 Millionen unter dem Budget. Die juristischen Personen, also die Firmen, lieferten 2016 sogar über 73 Millionen weniger Steuern ab als im Vorjahr. Damit liegen die Einnahmen hier mit 332 Millionen satte 60 Millionen unter dem Budget.
Auf der Ausgabenseite reisst wie erwähnt vor allem das massive Kostenwachstum im Gesundheitswesen, namentlich bei der Spitalfinanzierung, ein Loch in die Kasse. Mittlerweile ist man bei einem Betrag von 605 Millionen angelangt. Mit der neuen (auf Bundesebene geregelten) Spitalfinanzierung verschiebt sich die Kostenverteilung zwischen Krankenkassen und Kantonen. Im laufenden Jahr wird mit einem Kantonsanteil von 55 Prozent hier zwar das Ende der Fahnenstange erreicht, die Kostensteigerung um 33 Millionen oder 6 Prozent im letzten Jahr hatte ihren Grund aber auch in einem unerwartet hohen Fallwachstum.
Auch das nachgebesserte Budget wurde noch einmal um 15 Millionen überschritten. Zur Illustration: Um das jährliche Kostenwachstum bei der Spitalfinanzierung aufzufangen, müsste der Kanton den Steuerfuss um 2 Prozentpunkte erhöhen oder rund 260 Stellen abbauen.
A propos: Der Personalaufwand ist tatsächlich einer der wenigen Posten ohne Kostenwachstum. Die Lohnkosten für das Verwaltungspersonal sind seit 2013 um 2,7 Prozent gesunken, der Lohnaufwand für die Lehrpersonen bleibt konstant. Hier kann man der Verwaltung also kaum vorwerfen, dass sie ihren Sparauftrag nicht ernst nimmt. Überhaupt wurden ausser im Gesundheits- und Sozialbereich (Ergänzungsleistungen, Betreuung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender) die Budgetvorgaben ausgabenseitig eingehalten. Nach zwei Monaten im Amt stellt Finanzdirektor Markus Dieth, früher als Grossrat sicher nicht für einen legeren Umgang mit Steuergeldern bekannt, eine «ausserordentlich hohe Budgetdisziplin» in der Verwaltung fest. Es sei im vergangenen Jahr sehr pflichtbewusst gearbeitet worden, so der neue Finanzdirektor.
Getreu dem Motto, dass man in jeder Krise auch eine Chance sehen kann, ist der Tag der Präsentation der miesesten Zahlen seit Menschengedenken für Dieth «auch ein Tag des Aufbruchs». Obwohl der Prozess zur nachhaltigen Stabilisierung des Finanzhaushalts am Anfang steht, sei eine Bilanz für ihn schon jetzt positiv: Dass man den Weg gehe, von Beginn weg die Parteien und andere wichtige Akteure in den Sanierungsprozess einzubeziehen.
«Es braucht jetzt von links und rechts Schritte aufeinander zu», sagte Dieth und will auch bereits Signale für die Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit und zum Kompromiss empfangen haben. Dafür braucht es allerdings ein feines Sensorium. Die Reaktionen aus den Parteizentralen klingen unversöhnlich wie je: Hier sind die Zahlen die Quittung für «finanzpolitischen Schlendrian», dort der Beweis, dass «die Steuersenkungspolitik den Kanton an die Wand gefahren hat».