Coronakrise
300 Millionen für die Aargauer Wirtschaft? Gewerbeverband und Handelskammer sind sich nicht einig

Gewerkschaften und SP haben Sympathie für die Forderung, kleinen Unternehmen 300 Millionen à fonds perdu zu geben. Die Handelskammer und Bürgerliche melden Vorbehalte zur Idee des Gewerbeverbands an, die SVP lehnt solche Zahlungen ab.

Mathias Küng
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In manchen Aargauer Firmen gibt es wegen der Coronakrise derzeit kaum etwas zu tun – das lässt Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit steigen.

In manchen Aargauer Firmen gibt es wegen der Coronakrise derzeit kaum etwas zu tun – das lässt Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit steigen.

Getty Images/Cultura RF

Die Regierung soll die 300 Millionen Franken, die sie für die Aargauer Wirtschaft wegen Corona einsetzen will, à fonds perdu geben. Das fordert Kurt Schmid, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes.

So soll man kleinen und mittelgrossen Firmen, die wegen Corona über 50 Prozent des Umsatzes verloren haben, helfen. Das Geld soll für die Deckung von Gemeinkosten wie Miete, Energiekosten, Versicherungen etc. dienen.

ArbeitAargau stützt Forderung nach à-fonds-perdu-Beiträgen

Selina Egger, die Geschäftsführerin von ArbeitAargau, dem Dachverband der Arbeitnehmendenverbände im Aargau, sagt, durch die Kurzarbeitsentschädigung seien die Lohnzahlungen weitestgehend gesichert. Trotzdem müsse ein Unternehmen weitere Fixkosten bewältigen können.

Egger sagt: «Wenn dazu die finanziellen Mittel fehlen und ein Betrieb Konkurs anmelden muss, gehen Arbeitsplätze verloren. Damit ist auch den Arbeitnehmenden nicht geholfen.» ArbeitAargau unterstütze somit die Forderung, à-fonds-perdu-Beiträge für Klein- und Kleinstfirmen zur Verfügung zu stellen.

So werde den Interessen der Arbeitnehmenden genauso Rechnung getragen wie jenen der Arbeitgebenden. Da es um Steuergelder geht, seien «einfache, aber klare Voraussetzungen zu schaffen, die der Aargau detailliert zu prüfen hat, um Missbräuche zu verhindern», sagt Selina Egger.

Sofortzahlungen à fonds perdu für kleine Unternehmen seien ein Bestandteil im Massnahmenpaket des Regierungsrates, sagt Marianne Wildi, Präsidentin der Aargauischen Industrie- und Handelskammer. Das sei gut so, aber, «die gesamten 300 Millionen Franken sollten nicht blind mit der Giesskanne verteilt werden, sondern müssen punktuell und unter definierten Voraussetzungen eingesetzt werden.»

Sonst verlören kreative Firmen, die Selbstinitiative zeigen oder neue Tätigkeitsfelder erschliessen, den Anreiz so zu handeln. Zielführender und nachhaltiger wäre es, den Firmen eine etappierte Lockerung des Lockdowns in Aussicht zu stellen, sagt Wildi, «und damit die Planung für eine Rückkehr in die wirtschaftliche Normalität zu ermöglichen».

Gegen à-fonds-perdu-Beiträge für Aargauer Firmemn ist Andreas Glarner, Nationalrat und Präsident der SVP Aargau: «Die KMU erhalten vom Bund grosszügige Nothilfe, rückzahlbar in fünf Jahren.» Glarner ist überzeugt, dass jedes gesunde Unternehmen, auch ein Restaurant, genug Ertrag erwirtschaften kann, um das Darlehen zu amortisieren: «Womöglich wird es zeitlich erstreckt, oder gar erlassen.»

Glarner befürchtet, dass sich einige zurücklehnen, wenn der Staat zuviel Geld gibt. Viel wichtiger wäre ihm, «die Massnahmen gezielt zu lockern, um den Schaden für die Wirtschaft zu mindern. Sonst gibt es wegen Existenzvernichtungen und Arbeitslosigkeit mehr Suizide als direkte Coronaopfer.»

SP: à fonds perdu im Grundsatz ja, aber Entlassungen verhindern

Derweil verweist Gabriela Suter, Nationalrätin und Präsidentin der SP Aargau, darauf, dass ihre Partei schon vor drei Wochen à-fonds-perdu-Beiträge für Klein- und Kleinstunternehmen gefordert hat. Suter: «Wir unterstützen den Vorschlag des Gewerbeverbands grundsätzlich.

Wir erwarten aber auch, dass die Unternehmen alles daran setzen, um Entlassungen zu verhindern, und dass die Vermieter diesen Firmen mit Mieterlass entgegenkommen.» Zudem sollen nicht nur Unternehmen unterstützt werden, so Suter, sondern auch Konsumierende, sonst bringe diese Massnahme der Wirtschaft nichts: «Im Herbst droht eine massive Erhöhung der Krankenkassenprämien. Der Kanton muss deshalb mehr individuelle Prämienverbilligung sprechen.»

Die FDP hat der Regierung bereits einen Brief mit Hilfsforderungen für Unternehmen in coronabedingter Not- lage geschrieben. Man sehe die enormen Probleme vieler KMU, sagt Lukas Pfisterer, Grossrat und Präsident der FDP Aargau. Er sieht à-fonds-perdu- Beiträge als Bestandteil des kantonalen Massnahmenpaketes, gezielt eingesetzt in Härtefällen, allenfalls kombiniert mit einer Bürgschaft.

Ein Kriterium könnte sein, dass ein Betrieb trotz allem Engagement die Mittel für die Rückzahlung nicht zusammenbringt. Jetzt schon alles Geld zu sprechen, fände er falsch: «Wir wissen ja nicht, wie sich die Krise weiter entwickelt.» Wichtig sei, dass die Firmen Vertrauen fassen, bei Notwendigkeit auf Unterstützung bauen können, und dass die Gelder nach klaren Kriterien vergeben werden.

Die Stossrichtung der Gewerbeverbandsforderung sei nicht falsch, findet Daniel Hölzle, Grossrat und Präsident der Aargauer Grünen: «Ich bin für pragmatische Lösungen. Das soll vorab für kleine Firmen gelten, die das Geld nicht zurückzahlen können. Ich würde die Kriterien aber enger fassen.

Ein Kriterium müsste etwa die erzielte Marge sein.» Und es sollten nur Selbstständige profitieren, die bei den Bundesdarlehen zwischen Stuhl und Bank fallen. Hölzle will eine faire Lösung: «Mir ist klar, dass es schnell bürokratisch wird. Gibt es aber keine genauen Bedingungen, besteht Missbrauchsgefahr.»

CVP: nicht jetzt schon à fonds perdu ausgeben

«Dass wir diese Gelder zur Verfügung haben, ist Zeichen einer vorausschauenden Finanzpolitik», sagt Nationalrätin und CVP-Aargau-Präsidentin Marianne Binder. Dazu gehöre aber auch ein umsichtiger Umgang mit den Steuergeldern. Diese jetzt à fonds perdu auszuzahlen, sei jedoch verfrüht.

Binder nennt Alternativen: «Um die Unternehmen zu unterstützen und die Arbeitsplätze dringend zu sichern, helfen auch Kulanz bei den Fristen und Zinsen.» Und selbstverständlich brauche es eine sorgfältige Härtefallprüfung für viele KMUs in Not. Auch Kitas gehören dazu, sowie jene Branchen, die besonders von Verlusten ihrer Investitionen betroffen sind, wie unter verschiedenen anderen Pflanzenhersteller, sagt Binder.

Ihr Parteikollege und Finanzdirektor Markus Dieth sagte im «TalkTäglich» bei Tele M1 am Dienstag, der Regierungsrat werde sich an zwei Sitzungen morgen Donnerstag und am kommenden Mittwoch mit der detaillierten Ausgestaltung der Kantonshilfe für Unternehmen befassen. Beiträge, die à fonds perdu geleistet würden, also nicht zurückgezahlt werden müssten, seien Teil des Pakets und könnten für gewisse Unternehmen sinnvoll sein.