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Aargau
Wenn am Montag die Eidgenössischen Räte zur Herbstsession einrücken, gelten dort weiterhin strenge Regeln. Doch anders als in Restaurants, Fitnesscenter etc. gibt es keine Zertifikatspflicht. Das will die Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel nicht hinnehmen.
An der am Montag beginnenden Herbstsession der Eidgenössischen Räte bleiben die Vorsichtsmassnahmen vom Sommer bestehen: Die Plexiglas-Abschrankungen zwischen den Parlamentariern bleiben, ebenso die Maskenpflicht. Übrigens gilt jetzt eine Zertifikatspflicht in den Restaurants des Bundeshauses. Ruth Humbel (Die Mitte), Nationalrätin und Präsidentin der Gesundheitskommission, bedauert, dass das Parlamentsbüro eine Zertifikatspflicht für den Zutritt zum Parlament ablehnt: «Es wäre eine gute Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen. Zumal dann, wenn wir diese Restaurants, Fitnesscenter, Museen und anderen auferlegen.»
Ziel sei ja, erneute Schliessungen verhindern. Den Einwand, Parlamentarier und Parlamentarierinnen hätten einen Volksauftrag zu erfüllen, da dürfe man ihnen keine solche Zutrittsschranke auferlegen, lässt Humbel nicht gelten:
«Das ist eine Ausflucht. Es geht um den gegenseitigen Schutz. Man kann sich zudem im Bundeshaus jeden Tag gratis testen lassen.»
Sie fügt an: «Doch einige wollen offenbar keinen Test aus Angst, dieser könnte positiv sein. Doch in einer derart aussergewöhnlichen Situation kann man das nach meiner Überzeugung verlangen.»
Humbel fordert deshalb in einem dieser Zeitung vorliegenden Mail an die Präsidenten von National- und Ständerat, auf den Entscheid zurückzukommen und für den Zugang zum Bundeshaus halt doch ein Covid-Zertifikat zu verlangen.
Richtig findet Humbel auch, dass Arbeitgeber neu in ihrem Betrieb die Zertifikatspflicht einführen können. Aber ist das datenschutzmässig nicht heikel? Dieser sei ihr sehr wichtig, antwortet Humbel, «doch in dieser Situation gewichte ich den Gesundheitsschutz höher».
Müsste man die Zertifikatspflicht konsequenterweise nicht auf den öffentlichen Verkehr ausdehnen? Davor macht Ruth Humbel Halt: «Der öffentliche Verkehr hat eine Transportpflicht. Da bleibt nur die Maskenpflicht und wo immer möglich Abstand halten.» Fährt sie denn noch mit der Bahn nach Bern, zumal gerade zwischen Zürich und Bern die Züge längst wieder voll sind? «Natürlich, ich fahre weiterhin per Bahn an die Session», sagt Humbel.
In der jetzigen Debatte um sich füllende Intensivbettenstationen findet Humbel, es gehe gar nicht, «dass ein Krebspatient zurückstehen muss, weil ein Ungeimpfter die Intensivstation beansprucht, obwohl er sich hätte impfen lassen können». Humbel findet, dass ungeimpfte Schweizer Feriengäste, die im Ausland Corona erwischten und dort hospitalisiert sind, nicht erwarten können, von der Rega abgeholt zu werden, damit sie in der Schweiz eine bessere Behandlung bekommen.
Im Mai machten wir eine Umfrage bei den Aargauer Bundesparlamentariern. Dabei gab die grosse Mehrheit an, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen oder schon geimpft zu sein. SVP-Nationalrat Alois Huber war sehr skeptisch und wollte eine allfällige Impfung auch davon abhängig machen, ob es im Herbst zu einer weiteren Welle kommt. Diese ist jetzt da. Tatsächlich hat Huber inzwischen eine erste Impfdosis erhalten, die zweite folgt bald.
Lässt er sich jetzt aus Überzeugung impfen oder nur der Not gehorchend? Er habe immer noch grosse Fragezeichen, etwa zu unbekannten möglichen langfristigen Nebenwirkungen der Impfung, sagt er. Und fragt mit Blick auf Israel, wo dritte Impfungen anlaufen, wie lange sie überhaupt nützt. Er macht es trotzdem, «weil man sonst nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben kann und eine Impfpflicht absehbar ist, auch wenn ich eine solche ablehne».
Huber hat bereits rund 20 Einladungen zu Veranstaltungen bekommen, die in der am Montag beginnenden Herbstsession der Eidgenössischen Räte angeboten werden:
«Bei Veranstaltungen mit klarem politischen Inhalt will ich dabei sein, ich will mich aber auch nicht mehr jeden zweiten Tag testen lassen, dann lasse ich mich halt piksen.»
Grosse Abendveranstaltungen wird Huber aber meiden: «Ich weiss, dass die Krankheit schlimm verlaufen kann. Deshalb sollten die Leute weiterhin keine grossen Anlässe machen. Eine Grenzschliessung, um die Pandemie einzudämmen, wäre am besten, das wird aber nicht gehen. Nötig sind aber konsequente Kontrollen an der Grenze.»
Angst, dass man sich im Bundeshaus anstecken könnte, hat er nicht: «Hier gab es bisher keinen Superspreaderanlass, zumal die Sicherheitsmassnahmen durchgesetzt werden.» Eine Zertifikatspflicht im Ratssaal lehnt er ab: «Das ist unser Arbeitsplatz. Eine Zertifikatspflicht gibt es bisher auch nicht an anderen Arbeitsplätzen.»
Zunehmend unwohl ist ihm aber im öffentlichen Verkehr: «Ich fahre während der Session abends nach Hause zurück, wenn es irgendwie geht. Das ist kein Problem. Doch am Morgen sind die Züge zwischen Olten und Bern wieder proppenvoll, auch in der ersten Klasse. Die SBB sollten die Züge möglichst verlängern, damit die Leute sich besser verteilen können. Mit dem Auto werde ich aber nicht an die Session gehen. Ich habe persönlich keine Angst vor Corona, doch für eine weitere grosse Welle besteht bei den übervollen Zügen grosse Gefahr. Eine Zertifikatspflicht im ÖV lehne ich gleichwohl ab, das könnte man auch gar nicht durchsetzen.»