Grosser Rat Aargau
Klima-Artikel und Eigenstrom nehmen die erste Hürde – Gegner argumentieren mit abgelehntem CO2-Gesetz

Der Grosse Rat überweist zwei parlamentarische Initiativen zum Klimaschutz. Ein Klima-Artikel könnte bald in der Verfassung verankert werden, das letzte Wort hat die Stimmbevölkerung.

Eva Berger
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Klimademo in Aarau am 19. September 2020

Klimademo in Aarau am 19. September 2020

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Der Klimawandel sei eine der grössten Herausforderungen der heutigen und kommenden Generationen. Seine Bekämpfung soll das entsprechende Gewicht haben, der Klimaschutz als Aufgabe von Kanton und Gemeinden darum mit einem «Klima-Artikel» in der Verfassung verankert werden. Das verlangt eine Parlamentarische Initiative von Grossrätinnen und Grossräten der Grünen, GLP, EVP, SP und Die Mitte.

Der Grosse Rat hat den Vorstoss am Dienstag der zuständigen Kommission überwiesen und sie damit beauftragt, einen Entwurf für diesen neuen Verfassungsartikel auszuarbeiten.

Mit-Initiant Jonas Fricker (Grüne).

Mit-Initiant Jonas Fricker (Grüne).

Britta Gut

Eine klare Sache war die Überweisung nicht. Nötig waren 60 Stimmen, 69 Parlamentsmitglieder haben ihr Ja gegeben, 59 stimmten dagegen. Die Meinungen teilten sich entlang der üblichen Linien: Die Fraktionen von SVP und FDP waren gegen einen Klima-Artikel, Die Mitte, SP, Grüne, GLP und EVP unterstützten die Initiative. Letztere allerdings nicht geschlossen, EVP-Grossrat Roland Frauchiger war der einzige, der sich der Stimme enthielt.

Energiegesetz und CO2-Gesetz noch in Erinnerung

Die Gegnerinnen und Gegner führten vor allem zwei Argumente auf: Einerseits brauche es keinen eigenen Verfassungsartikel, damit man den Klimawandel bekämpfen kann, das gehe auch auf dem gesetzlichen Weg. Man fordere auch nicht pauschal per Verfassungsartikel den Bau neuer Autobahnen, meinte etwa Adrian Meier für die FDP-Fraktion, «wir wollen nicht Tür und Tor für irgendwelche Forderungen öffnen».

Zweitens komme das Anliegen zu rasch, nachdem im Aargau im September 2020 das kantonale Energiegesetz an der Urne abgelehnt worden ist und die Aargauerinnen und Aargauer auch dem nationalen CO2-Gesetz im vergangenen Juni eine Abfuhr erteilt hatten.

Einmal mehr würde mit dem Klima-Artikel versucht, die Bevölkerung zum Handeln zu zwingen, obwohl sie das offenbar ablehne, sagte Daniel Notter für die SVP. Stattdessen soll man auf Eigeninitiative setzen, das gehe auch beim Klimaschutz. Damit alleine sei es nicht zu schaffen, entgegnete Mirjam Kosch (Grüne): «Manchmal muss die Politik der Wirtschaft und der Bevölkerung eben einen Schubs geben.»

Eigenstromerzeugung bei Neubauten wird geprüft

Einen Schubs geben will die Mehrheit des Grossen Rats auch dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit 63 Ja-Stimmen überwies sie auch die zweite Parlamentarische Initiative von Grossräten aus Grünen, GLP, SP, Die Mitte und EVP. Diese verlangt, dass bei Neubauten und Erweiterungen die Voraussetzungen für Eigenstromerzeugung geschaffen werden müssen.

Wolle man die Klimaziele erreichen, sei der Ausbau der Eigenstromproduktion dringend nötig, sagte Jonas Fricker (Grüne). Dies, weil der Ausstieg aus der Atomenergie bevorsteht, gleichzeitig aber der Strombedarf durch die Elektrifizierung von Heizungen und Mobilität massiv zunimmt. Bezüglich Photovoltaik liege die Schweiz hinter Deutschland und Italien zurück, gab Martin Brügger (SP) zu bedenken.

Und Ralf Bucher (Die Mitte) meinte, eine Photovoltaikanlage sollte heute so selbstverständlich zu einem Neubau dazugehören, wie eine Küche oder das Badezimmer. Auf Eigenverantwortung könne man vielleicht bei Einfamilienhausbesitzern zählen, sagte Daniel Hölzle (Grüne). Bei Mietshäusern aber, wo ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung wohnt, sei es nicht gegeben, dass der Besitzer in eine Photovoltaikanlage investiert.

Jeanine Glarner: Eine Scheindiskussion

Für Jeanine Glarner (FDP) sind dies keine Argumente. Auch hier: Die Abstimmung über das Energiegesetz habe gezeigt, dass die Bevölkerung diese Vorschrift ablehne - sie war Teil der Vorlage. Zweitens sei die Wirkung der Massnahme für den Klimaschutz insgesamt nichtig.

Jeanine Glarner, Grossrätin FDP

Jeanine Glarner, Grossrätin FDP

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Immerhin habe die Ratslinke erkannt, dass die Stromversorgung in Zukunft unsicher sei. Doch selbst mit grösstmöglichem Ausbau der erneuerbaren Energien fehle im Winter Strom. Mit diesem Vorstoss werde eine Scheindiskussion geführt, die Freisinnigen könnten derlei Massnahmen nach wie vor nicht akzeptieren.

Dennoch überwies der Grosse Rat auch diesen Vorstoss zuhanden der zuständigen Kommission. Dann kommen beide Parlamentarische Initiativen wieder in den Grossen Rat. Stimmt dieser dem Klima-Artikel zu, hat die Bevölkerung an der Urne das letzte Wort dazu.