Fusions-Nein
«Wir strecken uns nach der Decke»

In Mumpf wird der finanzielle Spielraum eng. Jürg Müller schliesst eine Steuererhöhung nicht aus

Thomas Wehrli
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Jürg Müller, 51, ist seit 18 Jahren Gemeinderat und seit 6 Jahren Ammann. Der Bauingenieur ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Pontonier.twe

Jürg Müller, 51, ist seit 18 Jahren Gemeinderat und seit 6 Jahren Ammann. Der Bauingenieur ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Pontonier.twe

Thomas Wehrli

Herr Müller, sind Sie Realist oder Utopist?

Jürg Müller: Realist.

Als Realist müssen Sie sagen: Die Fusion ist seit Freitag Geschichte; das Referendum in Stein kommt nicht zustande. Stimmts?

Ja, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich hoffe schon, dass ein paar Steiner sagen: Das wollen wir noch an der Urne bestätigt haben.

Selbst wenn das Referendum zustande kommt, rechnet Hansueli Bühler, Gemeindeammann von Stein, mit einer deutlichen Abfuhr. Sie nicht?

Doch, das Resultat dürfte ähnlich klar ausfallen.

Der Sesshafte

Jürg Müller, 51, ist seit 18 Jahren Gemein- derat und seit 6 Jahren Ammann. Der Bauingenieur ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Pontonier.

Realistischerweise ist die Fusion also vom Tisch. Sind Sie heute, am Tag 3 nach dem Nein, noch enttäuscht?

Die Enttäuschung ist immer noch gleich gross wie am Freitag. Wir haben mehrere Jahre intensiv an dem Projekt gearbeitet und waren felsenfest davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist. Für uns wie auch für Stein. Dort siegte leider die Kurzfristoptik. Man sah nur die finanzielle Einbusse – und ignorierte, dass bei einem Alleingang auch happige Mehrausgaben auf die eigene Gemeinde zukommen werden.

Setzten die Steiner also auf das falsche Pferd?

Davon bin ich überzeugt. Zeigen wird es die Zeit.

Sind Sie wütend auf die Steiner?

Nein, verärgert bin ich nicht. Die Bürger sind zu einem anderen Schluss gekommen, das ist ihr gutes Recht.

Eine besondere Rolle spielte der Gemeinderat von Obermumpf: Er mäanderte zwischen einem Ja und einem Nein herum. Trägt Obermumpf eine Mitschuld am Schiffbruch?

Es war nicht der Gemeinderat, der mit seiner Position einen starken Einfluss auf das Resultat hatte, es waren jene Exponenten in Obermumpf, die aktiv gegen eine Fusion weibelten – und dies mit Halbwahrheiten taten. Das fand ich absolut unfair. Eine solche Art zu politisieren, ist mir fremd – wie zum Glück allen Mumpfern.

Haben Sie in Mumpf eine bessere Politkultur?

Ob sie besser ist, will ich nicht beurteilen. Sie ist sicher direkter und offener als in anderen Dörfern. Das liegt zum einen daran, dass wir keine lokalen Parteien haben; das liegt zum anderen daran, dass der Gemeinderat stets alles ungeschminkt auf den Tisch legt. Das schätzt die Bevölkerung. Zudem ist es uns in den letzten Jahren gelungen, das Dorfleben und damit den Dorfzusammenhalt zu stärken.

Nach der Fusion ist vor der Fusion: Können Sie sich vorstellen, dass die drei Ja-Sager nun gemeinsame Sache machen und zu dritt einen Zusammenschluss angehen?

Ausschliessen will ich es nicht.

Aber aus drei finanzschwachen Gemeinden wird keine starke.

Das ist sicher richtig. Nur: Die fünf Gemeinden, die sich im Mettauertal zusammengeschlossen haben, waren auch nicht die finanzkräftigsten. Heute geht es der Gemeinde finanziell gut. (Überlegt lange.) Die Option besteht sicher, dass wir zu dritt weitermachen, aber auf lange Sicht ist das keine Lösung. Da braucht es einen starken Partner. Was zudem abschreckt: die vehemente Opposition in Obermumpf.

Der starke Partner könnte Wallbach sein. Haben Sie schon angeklopft?

Die Wallbacher haben vor ein paar Jahren zu einem Zusammenschluss ganz klar Nein gesagt. Das gilt es zu respektieren. Aber sicher, wir werden auf Wallbach zugehen und über eine vertiefte Zusammenarbeit sprechen. Eine solche sah im Übrigen auch Paul Herzog, Gemeindeammann von Wallbach, kürzlich in einem Interview als Option an.

Selbst wenn es zu einer Annäherung kommt: Es braucht Zeit. Hat Mumpf diese Zeit?

Wir haben keine Wahl. Vom Dorf her haben wir die Zeit auch. Allerdings haben wir zwei, drei gröbere Baustellen. Die eine ist die Primarschule, in die wir vier bis sechs Millionen Franken investieren müssen. Ein weiterer Brocken ist die Kantonsstrasse; hier verschlingt allein der Strassenbau rund 2,5 Millionen Franken. Auch die Gemeindestrassen sind in einem traurigen Zustand; hier kommen in absehbarer Zeit weitere Kosten auf uns zu.

Das tönt für mich nach tickender Finanz-Zeitbombe.

Das ist es nicht. Aber klar: Finanziell wird es eng werden. Wir werden es so handhaben, wie in den letzten Jahren: Wir strecken uns nach der Decke, schauen, was machbar ist – und setzen das um. Schritt um Schritt.

Die Decke wäre nicht ganz so weit weg, wenn Mumpf mehr Einnahmen generieren könnte. Ist eine Steuerfusserhöhung für Sie eine Option?

Eine Steuerfusserhöhung ist seit Jahren immer wieder ein Thema. Bislang ging es ohne. Ich denke aber, in den nächsten Jahren kommen wir nicht um eine Erhöhung herum.

Das Fusions-Nein bedeutet auch, dass Mumpf nach 2017 eine eigene Exekutive braucht. Mit Jürg Müller an der Spitze?

Kaum. Ich bin seit bald 20 Jahren im Gemeinderat. Es waren schöne und gute Jahre. Doch nun wird es Zeit, abzutreten und den Weg frei zu machen für neue Ideen.

Ich befürchte nur: Die Schlange der Bewerber wird sehr, sehr klein sein.

Das könnte durchaus sein. Das ist schade, denn im Dorf leben viele Leute, denen ich diesen Job zutraue. Sie winken jedoch ab – weil ihnen die Belastung zu hoch ist. Auch hier wäre die Fusion die Lösung gewesen, denn mit einer professionalisierten Verwaltung können sich die Gemeinderäte vermehrt auf die strategische Arbeit konzentrieren.

Stein sagt: Die operative Belastung der Gemeinderäte muss reduziert und die Verwaltung aufgestockt werden. Sagt das auch Mumpf?

Unsere Verwaltung arbeitet top, aber wir sind ebenfalls unterdotiert. Deshalb müssen wir Gemeinderäte viel zu viele operative Aufgaben übernehmen. So finden wir aber keine Nachfolger. Ein Teufelskreis. Wir werden deshalb nicht um eine Aufstockung herumkommen.

In Stein spricht man von zwei bis drei zusätzlichen Stellen. In Mumpf?

Deutlich weniger. Ich rechne mit maximal einer halben Stelle. Daneben stehen auch weitere Kooperationen zur Diskussion. Stein beispielsweise hat einen guten Sozialdienst. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir uns da anhängen, denn gerade in diesem Bereich ist ein Profi unabdingbar.

Na so was! Bislang hiess es von der Projektleitung doch immer: Die Zusammenarbeit ist ausgereizt, nur eine Fusion bringt noch etwas.

Nein, nein. Wir sagten stets: Die Zusammenarbeit ist ausgereizt, weil es nicht der richtige Weg ist. Es kann doch nicht sein, dass ich die ganze Gemeinde outsource, nur weil wir aus einem Heimatgefühl heraus noch eigenständig bleiben wollen. Das bringt doch nichts; in all den Verbänden, in denen wir inzwischen eingebunden sind, haben wir viel weniger zu sagen, als wenn wir uns zu viert zusammengeschlossen hätten. Wir haben nicht mehr, sondern weniger Demokratie.

Mumpf 2025. Wo steht es?

Es wird rund 600 Einwohner mehr, also knapp 2000 Einwohner haben, das Dorfleben wird immer noch intakt sein – und, wenn es gut geht, kurz vor der Fusion mit einer oder mehreren Nachbargemeinden.