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Die Tötung des kleinen Wildschweins Josie bewegt die ganze Region. In den sozialen Medien lassen viele ihrer Wut und ihrer Fassungslosigkeit freien Lauf. Josie wurde am Montag von der Grenzwache gefunden, in den Tierlignadenhof gebracht und dort am nächsten Tag im Auftrag des Kantons abgeholt – um es zu töten. Der Kanton würde trotz Entrüstungssturm wieder gleich handeln.
Das Schicksal von Wildschweinchen Josie berührt die ganze Region. Am Montag finden Grenzwächter am Strassenrand einen kaum 24 Stunden alten Frischling und bringen ihn auf den Tierlignadenhof nach Kaisten. Nach Rücksprache mit der Jagdaufsicht nimmt Stefanie Sutter das kleine Wildschwein vorübergehend auf.
Das Tierlignadenhof-Team kümmert sich liebevoll um den Frischling. Doch schon am nächsten Tag steht der Jagdaufseher im Auftrag der kantonalen Sektion Jagd und Fischerei vor der Türe, um Josie abzuholen – und zu töten. Dies, weil der Tierlignadenhof nach Ansicht der kantonalen Behörde nicht geeignet ist, Josie aufzuziehen.
Der Proteststurm gegen die Tötung von Josie auf den sozialen Medien ist gewaltig. Der Artikel der «Aargauer Zeitung» wird auf der Facebook-Seite des Tierlignadenhofs innert weniger Stunden 183-mal geteilt und 148-mal kommentiert. 546 liken ihn – mit traurigen und wütenden Emojis.
Verständnis für die Aktion des Kantons hat kaum ein Kommentator. «Das ist einfach nur noch zum Schämen», schreibt Armando und Andy meint: «Wie kaputt ist unsere Welt geworden.» Die Facebook-Gemeinde schreibt sich ihre Wut von der Seele, einige Kommentare zielen direkt auf die Verantwortlichen.
Immer wieder tauchen in den Kommentaren die gleichen vier Worte auf: unverständlich, traurig, unfassbar, herzlos. Nicole fragt: «Wo bleibt da die Logik und der menschliche Verstand?» Für Zita ist es ein Beispiel von «Dienst nach Vorschrift», für Seraina eine Paragrafenreiterei.
Ähnlich sieht es Djamilo: «Dort, wo sie sofort handeln sollten, passiert nichts – erst wenn die Tiere schon verendet sind. Und dort, wo sie einmal auch ein Auge zudrücken könnten, wird sofort gehandelt und getötet.» Für die Behörden gebe es kein rechts noch links, sondern nur ein schön stur geradeaus.
«Dieses Säuli hätte nichts anders gekannt, als im Gnadenhof aufzuwachsen, und wäre damit vollkommen glücklich gewesen.»
Kritisiert wird auch die Eile, mit der die Behörden ans Werk gingen. «Man hätte euch ja auch die Zeit geben können, jemanden zu finden, der eine Haltebewilligung hat», findet Alexandra. Als Beispiele werden der Tierpark Goldau oder auch der Wildpark Roggenhausen bei Aarau genannt.
Letzterer unterhält derzeit zwölf Frischlinge, die rund 15 Kilogramm wiegen und einige Wochen älter sind als Josie. Der dortige Tierpfleger Ruedi Lindemann ist sich sicher, dass das nur wenige Tage alte Wildschwein von der Rotte nicht akzeptiert worden wäre:
«Die Rotte hätte mit dem fremden Wildschwein gekämpft. Es hätte dies nicht lange überlebt.»
Für Lindemann ist klar, dass die Grenzwächter das Wildschweinchen gar nicht hätten mitnehmen dürfen. Denn wahrscheinlich habe die Bache nach dem Nachwuchs gesucht und hätte ihn auch wieder gefunden.
In Frage gestellt wird von mehreren Kommentatoren auch, ob die Tötung überhaupt rechtens gewesen sei oder ob das Gesetz nur vorgeschoben war. Erwin Osterwalder, Fachspezialist der Sektion Jagd und Fischerei, verweist hierbei auf zwei Gesetzespassagen. Eine davon findet sich in der Tierschutzverordnung wieder: «Das private Halten von Säugetieren, mit Ausnahme von Kleinnagern und einheimischen Insektenfressern, ist bewilligungspflichtig», heisst es dort.
Eine solche Bewilligung könne man dem Tierlignadenhof aber nicht erteilen. Dies, um dem Tier Leid zu ersparen. Osterwalder sagt: «Menschen sind keine adäquaten Sozialpartner für Wildtiere. Ein Wildschwein ohne Artgenossen aufzuziehen und zu halten, wird daher als hochgradig tierschutzrelevant beurteilt.»
Nicht nachvollziehbar ist für Christine, dass man auf der eine Seite Tiere züchtet, auf der anderen Seite tötet – «wie wäre es, mit dem Herzen zu denken?», fragt sie sich.
Auf wenig Verständnis stösst bei den Kommentatoren auch das Argument von Osterwalder, man erspare dem Tier viel Leid, weil es beim Behändigen und der Pflege immer einem grossen Stress ausgesetzt sei. Chantale findet: «Stress war für das arme Tier nur die Tötung.» Und Chregi wirft ein:
«Wer nimmt sich das Recht heraus, zu beurteilen, ob das Tier glücklich geworden wäre oder nicht?»
Kommentare dagegen, welche die Aktion verteidigen oder zumindest verstehen, finden sich auf Facebook nur wenige. Würde die Sektion Jagd und Fischerei nach dem Entrüstungssturm nochmals gleich entscheiden? Osterwalder sagt:
«Wir hätten gleich entschieden. Wir haben regelmässig solche Entscheide zu fällen, meistens unter Zeitdruck. Wir dürfen uns dabei nicht von der augenblicklichen Befindlichkeit einzelner Personen leiten lassen.»