Sulz/Gansingen
Zwischen Spektakel und Qual: Der «Pfingstsprützlig» begeistert die Massen

Im Laufenburger Ortsteil Sulz und in Gansingen ziehen am kommenden Wochenende wieder als Bäume und Büsche verkleidete junge Männer durchs Dorf: Es ist «Pfingstsprützlig». Die organisierenden Jugendgruppen erwarten nach den beiden Coronajahren viel Publikum – und verraten, weshalb niemand so richtig gern die Hauptrolle übernimmt.

Hans Christof Wagner
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An Pfingsten findet in Sulz (Bild) und in Gansingen der traditionelle «Pfingstsprützlig» wieder statt.

An Pfingsten findet in Sulz (Bild) und in Gansingen der traditionelle «Pfingstsprützlig» wieder statt.

Peter Schütz (9. Juni 2019)

«Pfingstsprützlig» – das hat es in Sulz gefühlt schon immer gegeben. Seit wann genau, vermag Joel Weiss nicht zu beziffern. Eines aber weiss der Präsident des Sulzer Jugendvereins: «2022 wird es ganz speziell werden. Mitzumachen oder zuzuschauen, wird sich im Dorf niemand entgehen lassen.»

Der Jugendverein ist Ausrichter der Aktion und diese findet am kommenden Sonntag wieder statt. 2020 musste der «Pfingstsprützlig» wegen Corona abgesagt werden. 2021 fand er nur in reduzierter Form mit Auflagen und ohne viel Publikum statt. Entsprechend gross sind die Vorfreude und der Tatendrang der Sulzer Dorfjugend dieses Jahr.

Grosser Nachholbedarf nach der Pandemie

Auch in Gansingen steigt wenige Tage vor Pfingstsonntag die Spannung. Dort ist der Nachholbedarf nochmals grösser. Denn dort hatte sich der Veranstalter, die Jugendgruppe Gansingen/Oberhofen, 2020 und 2021 zur Absage entschieden. So ist Jugendgruppen-Präsident Thiago Obrist zuversichtlich, wenn er sagt:

«Das wird am Sonntag voll werden. Alle werden froh sein, dass nach der Coronazeit wieder was los ist im Dorf.»
Auch in Gansingen gibt es an Pfingsten einen Pfingstsprützlig. 2019 (Bild) hatten die Beteiligten viel Spass dabei.

Auch in Gansingen gibt es an Pfingsten einen Pfingstsprützlig. 2019 (Bild) hatten die Beteiligten viel Spass dabei.

zvg

In Gansingen steht es Obrist zufolge auch schon seit rund vier Wochen fest, wer «Pfingstsprützlig» 2022 wird – wer also mit schweren Ästen behangen durchs Dorf zieht. In Sulz, so Weiss, wird das erst am Sonntagmorgen entschieden. Wobei die Auswahl an Kandidaten nicht allzu gross ausfällt. Traditionell sind es die 16-jährigen Jungen nach Ende der Schulpflicht. Weiss sagt:

«Es reisst sich eigentlich niemand darum, ‹Sprützlig› zu werden.»

Das deckt sich mit Obrists Erfahrung aus Gansingen. Der Grund ist einfach: Dick eingepackt in Buchenlaub muss der «Sprützlig» eine Zusatzlast von mehr als 20 Kilogramm schultern. Helfer müssen ihn beim Gehen stützen und führen, so bewegungsunfähig und blind ist er während des Zugs von Brunnen zu Brunnen. Und wenn ihn die «Schüttler» wie wild mit dem Brunnenwasser besprengen, wird sein grünes Gewand noch schwerer. Für die einen ein spassiges Spektakel, für die anderen fast eine Qual.

2,5 Kilometer und acht Brunnen

In Sulz begeben sich aus den Dorfteilen Obersulz, Mittelsulz und Bütz je ein «Sprützlig» auf Tour, um dann am Turnhallenplatz zum Final aufeinanderzutreffen. In Gansingen macht sich ein «Sprützlig» auf den Weg: von Büren in Richtung Gemeindehaus, eine 2,5-Kilometer-Tour mit unterwegs acht Brunnen. Also ist es auch dort für den «Auserwählten» kein Spaziergang.

Und doch ist die Freude der Dorfjugend am Brauchtum ungebrochen. Ausser als «Sprützlig» können Kinder und Jugendliche beim Umgang Fahnen tragen, Glocken läuten oder, wie in Sulz, als Blumenmädchen selbstgepflückte Sträusse verkaufen. Was daraus an Einnahmen erzielt wird, geht an die Helferinnen und Helfer als Dank für ihren Einsatz.

Denn alle wissen: Wir Fricktaler sind die, die ein früher mal schweizweit gepflegtes, heute aber rar gewordenes Fruchtbarkeitszeremoniell noch immer hochhalten – und das gleich in zwei Dörfern.