Stein
«Die Solidarität in der Schweiz funktioniert»: Wie Fricktaler Flüchtlingen beherzt helfen

Die Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten sind im Fricktal gross. Das zeigt sich unter anderem in Stein, wo Johannes Oehler im Sport- und Freizeitcenter Bustelbach spontan 28 Flüchtlinge temporär aufgenommen hatte. Nun sind die letzten wieder ausgezogen – was aber nicht heisst, dass der Kontakt zwischen dem ehemaligen Gastgeber und den Geflüchteten abbricht.

Thomas Wehrli Jetzt kommentieren
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Ein Winken zum Abschied: Die letzten Flüchtlinge verlassen das Sportcenter Bustelbach.

Ein Winken zum Abschied: Die letzten Flüchtlinge verlassen das Sportcenter Bustelbach.

Zvg

Ein letzter, dankbarer Blick zurück, ein Lächeln, ein Winken zum Abschied – und die letzten drei der insgesamt 28 Flüchtlinge aus der Ukraine, die Johannes Oehler auf eigene Initiative und mit Unterstützung des Kiwanis Club Frick im Sport- und Freizeitcenter Bustelbach in Stein untergebracht hatte, sind weg. Der Centerleiter sagt:

«Ich bin glücklich, dass wir für alle eine gute Unterkunft finden konnten.»

Glücklich auch, dass er zusammen mit dem Serviceklub und den Besitzern des Centers zumindest etwas Leid lindern konnte.

Johannes Oehler war auch einer der ersten Aargauer, der nach einem Hilferuf eines Bekannten keine Sekunde zögerte und noch im Februar mit einer Hilfslieferung eigenhändig an die polnisch-ukrainische Grenze fuhr und dort das vom Kiwanis Club organisierte und bezahlte medizinische Material Ukrainern übergab, die es in ein Militärspital in Lwiw brachten.

Mehrere Hilfstransporte zusammen mit Fahrlehrern

Auch danach bleiben er und die Klubmitglieder aktiv: Gemeinsam mit den Fahrlehrern von Möhlin organisieren sie weitere Hilfstransporte in die Ukraine, bringen Lebensmittel und Medikamente an die Grenze – und nehmen Flüchtlinge mit in die Schweiz. Um mehr Personen transportieren zu können, als im Bus, der die Hilfsgüter an die Grenze bringt, Platz hatten, chartert Oehler einen zusätzlichen Bus bei einem Reiseunternehmen in Lwiw.

Johannes Oehler (links) fuhr im März gemeinsam mit einem Bekannten Hilfsgüter bis an die ukrainische Grenze.

Johannes Oehler (links) fuhr im März gemeinsam mit einem Bekannten Hilfsgüter bis an die ukrainische Grenze.

Zvg

Dieser fährt im März mehr als 20 Flüchtlinge aus einem Flüchtlingslager in Lwiw direkt ins Fricktal. Im April kommen weitere Flüchtlinge nach Möhlin und Stein. Was Oehler besonders freut:

«Es war nicht allzu schwierig, für die Flüchtlinge Unterkünfte zu finden.»

Insbesondere windet er Münchwilen ein grosses Kränzlein. «Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde war hervorragend und auch jetzt funktioniert die Betreuung durch den Sozialdienst einwandfrei.»

Münchwilen stellte Wohnraum zur Verfügung

Die Ortsbürger stellten eine Wohnung zur Verfügung, die Gemeinde schaute für weiteren Wohnraum und Kiwanis-Mitglieder halfen beim Einrichten. «Die Unterstützung durch die Klubmitglieder ist Gold wert», sagt Oehler und verweist auf die Behördengänge, die Kiwaner mit den Flüchtlingen machen, die Arbeits- und Schnupperplätze, die Firmeninhaber im Klub den Flüchtlingen geben – und den Ausflug, der morgen Samstag auf dem Programm steht.

«Der Kiwanis Club Frick hat alle Flüchtlinge, die im Bustelbach untergebracht waren, zu einem Ausflug nach Luzern eingeladen», erzählt Oehler. Man wolle ihnen so die Möglichkeit geben, einen unbeschwerten Tag zu erleben. Auch nach dem Auszug bleibt Oehler mit den Flüchtlingen in Kontakt.

«Am Anfang hielt ich jeden Tag bei den Unterkünften in Münchwilen an und fragte, ob alles in Ordnung ist oder ob sie etwas brauchen.»

Inzwischen hat sich das Leben der Flüchtlinge eingespielt, doch sie wissen: Wenn etwas ist, wenn Fragen zu den Behördengängen sind, wenn sie Hilfe bei der Suche nach Arbeitsplätzen oder Kursen brauchen, können sie Oehler jederzeit anrufen.

Dass die Flüchtlinge möglichst schnell die Sprache lernen, hält Oehler für wichtig – und auch hier kann er auf Mithilfe zählen: Ein pensionierter Bezirksschullehrer, der lange im Kiwanis Club war, gibt drei Flüchtlingen, die aus dem Schulalter raus sind, Deutschunterricht. «Solche Beispiele zeigen mir, dass die Solidarität in der Schweiz funktioniert.»

Dolmetscherin blieb bis zum Schluss

Als Letzte verliess die Dolmetscherin, die mit den ersten Flüchtlingen im Fricktal ankam, das Sportcenter. «Es war ein riesiger Glücksfall, dass unter den Flüchtlingen jemand war, der Deutsch spricht», sagt Oehler. Das habe die Situation für alle enorm erleichtert. Erleichtert ist auch Oehler.

«Ich bin froh, dass alles recht reibungslos geklappt hat.»

Es sei eine gute Zeit gewesen, eine Zeit auch, in der Freundschaften geschlossen wurden. Eine Zeit, die Oehler nicht missen möchte. «Aber es ist nun auch gut, dass wir uns wieder auf unser Kerngeschäft konzentrieren können.» Und das sind Sportler – sowie Velofahrerinnen und Velofahrer, die auf ihren Touren im Bustelbach übernachten.

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