Gansingen
Spezielles Hobby: Dieser bärtige Fricktaler ist ein moderner Geissen-Peter

Er wollte immer Bauer werden. Doch der Fricktaler ist heute nicht Landwirt, sondern Produktionsleiter. Aber Pascal Frei hat sich einen Jugendtraum erfüllt und züchtet nun als Hobbylandwirt Ziegen.

Susanne Hörth
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Viel Platz für die Geissen
10 Bilder
Strahlengeisslein
Kleine graue Schönheit
Heuer gab es viele Zwillingsgeburten
Da mögen sich zwei ganz besonders
Für die Fotografin noch schnell posieren
Gute Baumkletterer
Geissen im Baum
Ziegenzüchter: Sein Hobby zieht diesen Fricktaler in die Zickenstube
Weil die Capra Grigia sehr wild sind, hat Patrick Frei auf eine andere Rasse umgestellt. zvg

Viel Platz für die Geissen

Aargauer Zeitung

«Ich wollte Bauer werden», sagt Pascal Frei. Er sitzt auf der Terrasse und lässt den Blick über die hügelige, weite Landschaft schweifen, die sein beschauliches Haus am Dorfausgang Gansingen Richtung Bürersteig umgibt. Nein, Pascal Frei ist nicht Landwirt geworden, auch wenn er heute gemeinsam mit seiner Partnerin Stefanie Bommer ein Bauernhaus saniert, einen Laufstall gebaut hat und zahlreiche Tiere – insbesondere spezielle Geissen – sein Eigen nennt.

Frei lehnt sich zufrieden auf der Bank zurück, sein Hemd erinnert daran, dass er gerade erst von der Arbeit nach Hause gekommen ist. Für die täglich nötige Tier- und Stallpflege wird er sich noch umziehen. Ein kurzer Befehl und die grosse Sennenhündin Eira geht auf ihren Platz neben dem Kücheneingang. Eines der freilaufenden Hühner flattert kurz auf, um gleich wieder gemächlich die Terrasse nach möglichen Körnern abzusuchen. Ein paar neugierige Geissen nähern sich dem Zaun. Weiter oben auf der Weide geniessen zwei Esel mit einem Fohlen die Sonne, ein Pferd schnaubt und schüttelt die lästigen Fliegen ab. Sie alle gehören zum Hof von Pascal Frei.

«Ich will Bauer werden» hatte er bereits als 15-Jähriger beim Berufsberater erklärt. Dessen Nachfrage, ob denn ein eigener Familienbetrieb vorhanden sei, verneinte der Jugendliche ebenso wie seine Eltern. Damit war das Thema abgehakt. Pascal Frei machte eine Lehre als Elektromechaniker. Der heute 34-jährige Gansinger ist mittlerweile in Kaderfunktion als Produktionsleiter für viele Mitarbeitende zuständig. Einen Ausgleich dazu schafft er sich im zeit- und arbeitsintensiven Hobby als Landwirt. Und das mit klaren Prinzipien. Artgerechte Haltung, biologischer Prinzipien, sowie das Neupflanzen von Hochstammobstbäumen sind für ihn eine absolute Selbstverständlichkeit.

Eigener kleiner Bauernhof

2003, Frei war gerade von einer beruflichen China-Reise heimgekehrt, setzte er seinen Jugendtraum, einen Bauernhof zu bewirtschaften, in die Tat um. Er konnte die Liegenschaft in Gansingen mieten, 2008 dann kaufen. Zuerst ohne Tiere. Dann zog eine Katze mit ein, später ein paar Hühner und Zwerggeissen. Drei Ponys, die er vom Zoo Hasel übernommen hatten, vergrösserten bald die noch kleine Hofgemeinschaft. «Eine Art Professionalität nahm es dann mit den Geissen an», so Frei. Warum keine Kühe? «Die sind zu gross.»

Mit dem Entscheid für Geissen, stand aber auch fest: spezielle Geissen. Aber keine Zwerggeissen mehr. «Alles, was klein ist, ist irgendwie auch komisch», lacht der Gansinger. Capra Grigia sollten es sein. Diese kräftigen grauen Geissen mit den grossen Hörnern und den dunklen Beinen stammen aus den Bündner Bergen, galten als fast ausgestorben, gehören deshalb auch zu den Pro Specie Rara. Das junge Paar machte sich auf lange Wartezeiten gefasst, als es um das Beschaffen dieser Tiere ging. Der Zufall wollte es, dass Pascal Frei schon nach kurzer, intensiver Suche fündig wurde. Am 10. Oktober 2010 konnte er seine ersten beiden Geissen vom Bündnerland ins Fricktal holen.

Wilde Rasse unterschätzt

Ein Grossteil seines Wissens um Landwirtschaft und Ziegenzucht hat sich Pascal Frei autodidaktisch angeeignet. Er musste dabei auch einiges an Lehrgeld bezahlen, wurde dafür um viel Erfahrungen reicher. Er hatte die eigenwillige, freiheitsliebende Capra Grigia unterschätzt. «Die Rasse ist sehr wild. Ähnlich, wie wenn man Steinböcke halten würde.

Sie sind sehr freiheitsliebend. Nutzen jede Gelegenheit, um auszubüxen. Hindernisse sind für sie kein Problem», so der Hobbylandwirt. Er schmunzelt und zeigt auf zwei Bäume. Verletzungen am Stamm und abgefressene Stellen in den Kronenverzweigungen machen deutlich: hier war mindestens eine Geiss am Werk. «Sie springen auch ohne Mühe auf das Dach des Stalles. Die Elektrozäune studieren sie genau, um dann an geeigneter Stelle durchzubrechen.»

2014 stellte das junge Paar auf eine andere Rasse um. In der Herde – Pascal Frei pfeift kurz und schon kommen über die Weide viele ausgewachsene und noch mehr Jungtiere herangerannt – befinden sich nur noch zwei Capra Grigia. Ein wunderschöner Bock und eine Geiss. Der grosse Rest sind Strahlenziegen. Geld verdienen kann er mit seinen Geissen nur wenig. Und auch der Zeitaufwand ist gross, besonders während der Jungtieraufzucht. Zurzeit schöppelt er eines der kleinen Zicklein von Hand auf. Es ist in seinem Bewegungsapparat behindert, ansonsten aber putzmunter. Der Jö-Effekt ist garantiert.

Als Produktionsleiter ist es für Pascal Frei sehr wichtig, alle Arbeitsabläufe möglichst zeitsparend und rationell abwickeln zu können. Das zeigt sich auch im Stall. Alles ist sehr gut durchdacht, praktisch und einfach zu handhaben.

Die Geissen als Heckenmäher

Eine Einnahmequelle hat er gleichwohl, sie deckt einen kleinen Teil der Ausgaben. Die Geissen sind begehrte Heckenmäher. Sie lieben insbesondere Brombeersträucher. «Die Nachfrage ist gross. Wir bekommen im Wochenrhythmus Anfragen. Das Denken der Leute ist umweltbewusster geworden. Warum eine Motorsense verwenden, wenn es ökologisch geht?» Frei bringt die ökologischen Hecken- und Rasenmäher an ihre Bestimmungsorte, zäunt das Gelände ein und holt nach erledigter Fressarbeit die Tiere wieder ab. Nach Hause in seinen kleinen Landwirtschaftsbetrieb am Fusse des Bürersteigs.