Fricktal
Schock: Einbrecher stehlen Tresor mit Erinnerungen aus 25 Jahren

Einbruchsbanden suchten in den letzten Wochen mehrfach die Region Fricktal heim. Ein Ehepaar erzählt, wie es beim Einbruch in ihr Haus nebst Bargeld die vielen Erinnerungen aus 25 Jahren verloren hat.

Thomas Wehrli
Drucken
Einbrecher haben die Balkontüre bei Peter Meier* aufgehebelt und den Tresor aus der Wand gewuchtet. (Symbolbild).

Einbrecher haben die Balkontüre bei Peter Meier* aufgehebelt und den Tresor aus der Wand gewuchtet. (Symbolbild).

Kapo BL

Das Gefühl sagte: Da stimmt was nicht. Der Verstand entgegnete: Ach was. Der Verstand siegte. Vorerst.

Als Peter Meier* an diesem Tag, ein Mittwoch wars, kurz nach 18 Uhr von der Arbeit nach Hause kommt, liegt das Einfamilienhaus bereits im Dunkeln. Seine Frau Heidi* ist noch unterwegs. Sehr oft, wird sie Tage später erzählen, sehr oft liessen sie in solchen Fällen das Licht brennen und das Radio laufen. An diesem Tag nicht. Es ging vergessen.

Peter Meier schliesst auf, tritt ein. Er sieht die offene Kastentüre im Gang, denkt sich noch wenig dabei, zieht die Schuhe aus, geht ins nächste Zimmer, bemerkt die Unordnung, stutzt ein erstes Mal, geht ins Schlafzimmer und sieht mehrere Kleidungsstücke am Boden liegen. Die Unordnung sei nicht gross gewesen, erzählt er jetzt, Tage später, rührt in seinem Kaffee, vermag seine Wut, seine Enttäuschung nur schwer zu verbergen. Im Radio läuft ein Song über die heile Welt. «Jetzt weiss ich auch, weshalb wenig herumlag», fügt er nach kurzer Pause an. Doch davon später.

Böse Überraschung im Keller

Peter Meier steht im Schlafzimmer, erkennt, dass etwas nicht stimmt, nein, dass nichts mehr stimmt. Er schaut sich um, sucht das Unvermeidliche, den Ort, an dem die Einbrecher eingedrungen sind. Er findet das Corpus Delicti nicht, Fenster und (Balkon-)Türen wirken unversehrt. Auf der Treppe zum Keller entdeckt er Spuren. Er folgt ihnen nicht, um sie nicht zu verwischen, wählt die 117. Keine 15 Minuten später sind zwei Kantonspolizisten vor Ort. Auch sie sehen im Erdgeschoss vorerst keine Einbruchsspuren, gehen in den Keller. Doch auch hier: Fehlanzeige; Türen und Fenster sind dicht.

Als Heidi in diesen Minuten nach Hause kommt, sieht sie, dass der kleine Teppich bei der einen Balkontüre verschoben ist, jener zum Sitzplatz, zu ihrem Refugium, das Schutz bietet vor fremden Blicken. Was im Normalfall ein Segen ist, ist jetzt ein Fluch, zumal die Nachbarn, die als Einzige Sichtkontakt zum Sitzplatz haben, an diesem Nachmittag nicht zu Hause waren. Die Polizei untersucht die Türe, findet die Einbruchsspuren. Kaum sichtbar sind sie. Die Täter sind raffiniert vorgegangen, die Arbeit von Profis.

Im Keller erwartet Peter Meier eine böse Überraschung: Als er hinabsteigt, sieht er die Tücher, die vor dem Gestell liegen, weiss sofort: Die Einbrecher haben den Tresor entdeckt. Sie haben ihn aus der Wand gespitzt, abtransportiert. 50 Kilo Stahl, vom Fachmann mit langen Schrauben in der Wand verankert. Jetzt, beim Kaffee in der Stube, nach einer Woche Ferien, die wirklich guttat, die Distanz schuf, jetzt glaubt er sich zu erinnern, dass er, als er heimkam, in der Nähe dumpfe Geräusche hörte. Als ob jemand auf Stahl einhämmerte.

Peter Meier ist perplex, als er die leere Wand vor sich sieht. Nie hätte er gedacht, dass das Stück Sicherheit, das er sich vor rund 25 Jahren gekauft hat, zur Hypothek wird. Er ist geschockt, zuerst, dann kriecht die Wut in ihm hoch. Auf die Einbrecher, das System, die Verwahrlosung der Sitten. Auf die kriminellen Ausländer auch. Natürlich wisse er nicht, ob die Einbrecher aus dem Ausland waren, sagt er Tage später, doch man lese oft, dass es so sei. Er jedenfalls hat, auch als Folge des Einbruchs, ein dickes Ja zur Ecopop-Initiative auf den Stimmzettel gekritzelt.

Bargeld, nicht wenig, Briefmarken, Münzen, Erinnerungen. Alles weg, alles mitgenommen. Der materielle Verlust ist gross, der immaterielle immens. Peter Meier holt im Wohnzimmer einen Karton mit Schatullen, die inzwischen wieder aufgetaucht sind, natürlich leer.

«Was alles fehlt?», wiederholt er die Frage, zuckt die Schultern. «Wir wissen längst nicht mehr alles.» In 25 Jahren habe man vieles im Tresor verstaut, Erinnerungen, Kärtchen mit Weihnachtsgeld, mit dem man dereinst, nach der Pensionierung, auf grosse Reise gehen wollte.

Tage später, als er mit seiner Versicherung spricht, ist die Wut auf das Geschehene zurück. Denn für all das, was im Tresor war, wird die Versicherung wohl nur 5000 Franken vergüten. Wäre der Fernseher oder das iPad weg gewesen – es wäre versichert gewesen.

Am Abend, als die Polizisten weg sind, kommt Peter Meier nicht zur Ruhe. Seine Frau muss aus dem Haus, muss reden. Er frisst ihn in sich hinein, den Ärger, steht in der Nacht immer wieder auf, denkt über das Geschehene nach, über den Tresor auch, fühlt, dass er in der Nähe sein muss.

Er behält recht: Am nächsten Tag geht er am Mittag zum Schopf, rund 50 Meter entfernt, und sieht ihn da liegen. Ein Goldstück findet die Polizei wenig später im Laub und 2 der gut 40 Briefmarkenjahrbücher, die er besass. Völlig durchnässt, aufgequollen, wertlos.

Das Vertrauen zurückgewinnen

An diesem Abend, Tag 1 nach dem Einbruch, kommt Heidi Müller vor ihrem Mann nach Hause. «Ich hatte ein ungutes Gefühl», erzählt sie, «und läutete, bevor ich die Tür aufschloss.» Diese unguten Gefühle sind zwar inzwischen leiser geworden, ganz verschwunden sind sie aber noch nicht.

Das Vertrauen zurückzugewinnen, ist für Heidi Müller zentral. «Das Leben geht weiter», meint sie, «und ich will nicht, dass dieser Vorfall unsere Lebensqualität beeinträchtigt.» Dass die Verarbeitung Zeit braucht, weiss sie, und die gibt sie sich auch. Darüber zu reden, tue ihr gut.

Nie mehr gleich indes wird das Vertrauen in die eigenen vier Wände sein. «Nichts Wertvolles zu Hause haben», ist die Lehre für Peter Meier. «Es bringt auch nichts, die Sachen zu verstecken – ausser einer Unordnung.» Als sie in die Ferien fuhren, legte er das bisschen Bargeld, das da noch im Haus war, auf den Küchentisch. Offen lagen nach wie vor auch die Gutscheine herum, die die Einbrecher verschmäht hatten, «so hätten sie wenigstens gut essen gehen können», meint er, lacht, bitterbös. Eine Alarmanlage, ja, das überlege er sich.

Am Tag nach dem Gespräch ruft Peter Meier nochmals an. Die Polizei habe inzwischen weitere Relikte gefunden, erzählt er. Allzu Wertvolles ist zwar nicht dabei. Einige gelochte Bankbüchlein, die restlichen Briefmarkenbücher. Der Fund freut ihn trotzdem, beruhigt ihn auch. Und gibt ihm etwas Zuversicht zurück.

Namen geändert