Fricktal
Schere zwischen armen und reichen Gemeinden belastet Solidarität

Viele kleine Kommunen haben ein strukturelles Problem – die Fusionsfrage bleibt aktuell.

Thomas Wehrli
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Blick auf das obere Fricktal. (Archiv)

Blick auf das obere Fricktal. (Archiv)

Keystone

Die «fetten» Jahre sind für die Aargauer Gemeinden vorerst vorbei. Nach fast 20 Jahren, in denen viele der 216 Kommunen ihren Schuldenberg abbauen konnten, und dies zum Teil massiv, erhebt sich selbiger Hügel seit 2012 wieder. Die Nettoverschuldung aller Aargauer Gemeinden belief sich Ende 2013 auf 143,7 Millionen Franken.

Zu dieser Negativ-Bilanz trugen die 18 Gemeinden im oberen Fricktal insgesamt 42,9 Millionen Franken bei. Die 14 Gemeinden im unteren Fricktal dagegen wiesen zusammen ein Nettovermögen von 8,6 Millionen Franken auf. Gesamthaft hatten nur 6 der 32 Fricktaler Gemeinden Geld auf der hohen Kante.

Das sind vergleichsweise wenige, sitzen doch kantonsweit 82 der 216 Kommunen auf mehr oder weniger prall gefüllten Schatullen. Die prächtigste Schatulle im Fricktal hat Rheinfelden mit einem Nettovermögen von 41,8 Millionen Franken. Pro Kopf der Bevölkerung umgerechnet liegt die Zähringerstadt damit auf Rang Zwei – knapp hinter Olsberg.

Übersicht über die Fricktaler Gemeinden

Übersicht über die Fricktaler Gemeinden

Aargauer Zeitung

Schulden mehr als verdoppelt

Der Bezirksvergleich zeigt auch, wie unterschiedlich die Dynamik verläuft: Im Bezirk Laufenburg haben sich die Schulden der Gemeinden seit 2011 gesamthaft mehr als verdoppelt, im Bezirk Rheinfelden dagegen machten die Kommunen 20,8 Millionen Franken «vorwärts». Dies zum einen, weil die drei finanzstarken Gemeinden Olsberg, Magden und Rheinfelden ihr Vermögen weiter äufnen konnten, zum anderen, weil es etlichen Gemeinden gelang, ihre Schulden abzubauen. Im Bezirk Laufenburg dagegen wies mehr als die Hälfte der Gemeinde Ende 2013 mehr Schulden auf als zwei Jahre zuvor.

Mit anderen Worten: Die Schere zwischen armen und reichen Gemeinden hat sich eher weiter geöffnet. «Das beunruhigt mich, denn das belastet die Solidarität unter den Gemeinden», sagt Hansueli Bühler, Präsident des Planungsverbandes Fricktal Regio. Spürbar werde die Schere, wenn es darum gehe, Projekte gemeinsam zu finanzieren. «Wollte man früher für ein gemeinsames Projekt einen Pro-Kopf-Beitrag abholen, sagten die Gemeinden: ‹Ja, klar.› Heute kommt das Ja nur noch zögerlich; oft sagen Gemeinden, denen es finanziell nicht so gut geht: ‹Muss das sein? Uns geht es finanziell doch sonst schon schlecht›.»

Machen lässt sich gegen diese Schere alleine oft wenig. «Viele Gemeinden, gerade kleinere, haben strukturelle Probleme», so Bühler. «Sie müssten investieren – haben aber das Geld dafür nicht. Das ist eine Spirale, die immer schneller dreht und an deren Ende sich unweigerlich die Frage nach einem Zusammenschluss mit umliegenden Gemeinden stellt.»

Dass gerade im Bezirk Laufenburg viele Gemeinden tiefrot sind, wenn man die Pro-Kopf-Verschuldung anschaut, erstaunt Bühler nicht. «Hier gibt es viele kleine Gemeinden mit niedrigem Steuersubstrat. Sie haben seit längerem Mühe, ihre Aufgaben zu finanzieren und kommen oft nur über die Runden, indem sie nötige Investitionen in den Unterhalt ihrer Werke und Gebäude kürzen oder gar zurückstellen.» Das sei gefährlich, «denn irgendwann sind die Werke in einem derart desolaten Zustand, dass es teuer wird».

Ein grosser Kostentreiber in den letzten Jahren waren die Schulen. Etliche Gemeinden investierten für die Umstellung auf 6 Jahre Primar- und 3 Jahre Oberstufe viel Geld in Schulräume und mussten sich dafür zusätzlich verschulden. «Ich frage mich ernsthaft, ob das in jedem Fall nötig war», bilanziert Bühler. Die Zahl der Schüler habe sich ja insgesamt nicht verändert und sei in der Tendenz sogar rückläufig. «Mit etwas mehr Flexibilität und weniger Lokalkolorit hätten sich hier Kosten sparen lassen.» Was Bühler damit meint: «Vielleicht könnte im einen oder andern Fall der bestehende Schulraum ausreichen, wenn die Mittelstufe – also die 4. bis 6. Klasse – gemeindeübergreifend zusammengelegt würde.»

Ob nun nach 17 fetten Jahren, in denen die Gemeinden ihre Schulden abbauen konnten, nun 17 magere folgen, ob man also bereits von einer Trend- oder Vorzeichenwende sprechen kann, lässt sich laut Bühler noch nicht abschätzen. Klar ist für den Gemeindeammann von Stein aber: «20 Jahre lang hatten wir eine Steuerfusssenkung nach der anderen. Diese Phase ist vorbei. Erste Gemeinden mussten ihren Steuerfuss bereits anheben, weitere werden folgen.» Dazu trage auch bei, dass die Gemeinden vermehrt Lasten übernehmen müssten, die wie die Langzeitpflege «sehr dynamisch sind».

Entgegen kommen den Gemeinden derzeit die tiefen Zinsen, die sie für Kredite bezahlen müssen; der Kanton kann aktuell Kurzfristgelder sogar mit knapp 1 Prozent Negativzins aufnehmen. Bühler mahnt dennoch zur Vorsicht: «Es fällt mir schwer, einen Aufruf zu einer höheren Verschuldung zu machen», sagt er. «Aber klar: Wenn Investitionen in nächster Zeit ohnehin anstehen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Günstiger lassen sie sich nicht finanzieren.»