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Fricktal
Bis zum Fahrplanwechsel muss das Fricktal auf seine wichtige Verbindung verzichten. Die SBB hat den Flugzug Basel–Zürich Flughafen temporär gestrichen. Das stösst in der Umgebung auf Unverständnis – und sorgt für einen Vorstoss.
Sie traute ihren Ohren nicht. Als SP-Grossrätin Claudia Rohrer letzte Woche im Flugzug nach Rheinfelden sass, knisterte es auf einmal in der Lautsprecheranlage und eine Stimme erklärte aus dem Off, dass dieser Zug ab der kommenden Woche bis zum Fahrplanwechsel nicht mehr verkehre. «Ich dachte, mich trifft der Schlag.»
Sie war nicht die einzige im Zug, welche die Nachricht mit einem verärgerten Kopfschütteln zur Kenntnis nahm. Denn der Flugzug, der stündlich zwischen Basel und Zürich Flughafen verkehrt und in Rheinfelden und Frick hält, ist für das Fricktal eine wichtige Verbindung – nicht nur als Zubringer zum Flughafen, sondern vor allem auch als schnelle Verbindung für die Berufspendler.
Dass der Flugzug bis zum Fahrplanwechsel im Dezember aus dem Fahrplan gestrichen wurde, liegt daran, dass die SBB zu wenig Lokführer hat – und deshalb das Angebot temporär ausdünnen musste. Getroffen hat es unter anderem das Fricktal.
Wieder das Fricktal, ärgert sich SVP-Grossrat Christoph Riner. «Wenn Angebote gestrichen werden, dann müssen meist kleinere Regionen in den sauren Apfel beissen.» Riner findet das ungerecht. In Bern habe man wohl das Gefühl: Mit denen können wir’s machen, mutmasst er. «Ich erwarte Verständnis von einem Konzern wie der SBB, dass die Schweiz aus Regionen besteht und dass es falsch ist, diese in 1. Klasse- und 2. Klasse-Gebiete zu unterteilen.»
Für Rohrer ist es «stossend», dass ein derart grosser Betrieb, wie es die SBB ist, ihre Personalplanung nicht rechtzeitig gemacht hat. Allein an Covid-19 liege es nicht, dass nun Lokführer fehlten. Sie erwartet von der SBB eine andere Personalpolitik, die familientauglicher ist und so auch Frauen den Einstieg in den Führerstand ermöglicht.
Klar ist für die SP-Co-Fraktionspräsidentin zudem: «Spätestens im Dezember muss der Zug wieder fahren.» Dies auch, weil vom Ausfall auch die anderen Kurse betroffen seien. «Wer bislang den Flugzug für den Weg zur Arbeit nutzte, muss nun auf andere Züge ausweichen.» Damit werde es in den Zügen enger – was wiederum nicht im Sinne der Covid-19-Prophylaxe sei.
Auch CVP-Grossrat Werner Müller ärgert der Leistungsabbau. Für ihn ist es «unverständlich, dass die SBB eine derart wichtige Zugsverbindung einfach temporär streicht». Die SBB habe es vor Jahren verpasst, genügend Lokführer auszubilden, die Coronakrise sei nicht die Ursache dafür, sondern habe die Situation nur akzentuiert.
Müller will das nicht einfach so hinnehmen und via Kanton – er ist der Besteller der Züge – politischen Druck aufsetzen. Deshalb reicht er heute zusammen mit Partei- und Ratskollege Alfons P. Kaufmann einer Interpellation im Grossen Rat ein.
Darin will er unter anderem wissen, ob der Kanton für die Ausfälle entschädigt wird, ob eine Konventionalstrafe möglich ist, ob sichergestellt sei, dass die Zugsverbindungen ab dem Fahrplanwechsel wieder fahrplanmässig verkehren – und wie und wann Regierungsrat, Gemeinden und Bevölkerung informiert wurden.
Gar nicht, sagt dazu Roger Erdin, Stadtschreiber in Rheinfelden. Man habe über den Online-Fahrplan und die Medien erfahren, dass sich die SBB aufgrund eines Lokführermangels «auf mehrere Monate hinaus nicht in der Lage sieht, die von der Öffentlichkeit bestellten und finanzierten Leistungen zu erfüllen». Betroffen sind in Rheinfelden verschiedene Arbeitsplatzgebiete und Tausende Pendler. «Einzelne Personen sind deswegen auch an die Stadt gelangt», so Erdin.
Auch in Frick findet man für den temporären Ausfall nur ein Wort: ärgerlich. «Von aussen betrachtet, mutet es seltsam an, dass die Personalplanung just bei den Lokomotivführern versagt», sagt der Fricker Gemeindeschreiber Michael Widmer. Den Vorstoss von Müller und Kaufmann findet der Fricker Gemeinderat «eine gute Initiative».
Auch in Rheinfelden wird der politische Vorstoss begrüsst. Der Stadtrat ist zudem selbst aktiv geworden und hat der Konzernleitung der SBB sein Befremden und das Unverständnis über diese Situation sowie die Art und Weise der Kommunikation brieflich mitgeteilt. «Gleichzeitig haben wir darum gebeten, diese betrüblichen Umstände raschmöglichst zu beheben und zum normalen Fahrplan zurückzukehren», so Erdin.
Nicht alle Grossräte teilen den Ärger von Müller und Kaufmann. Für Gertrud Häseli von den Grünen ist zwar die Covid-Begründung der SBB für den Lokführermangel höchstens die halbe Wahrheit. Den Ausfall findet sie aber «nicht so schlimm». Zum einen seien nicht wenige aus Angst vor dem Virus oder wegen der Maskenpflicht ohnehin aufs Auto umgestiegen. Das begrüsst die Grüne natürlich nicht, kann es aber nicht ändern.
Zum anderen biete die Coronakrise die Chance, sich grundlegend Gedanken zur Mobilität zu machen und die eigenen Aktivitäten zu überdenken. «Wenn die Welt etwas entschleunigt wird, die Menschen etwas langsamer unterwegs sind, dann kann das auch ein Stück Lebensqualität bedeuten.»