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Beim Steuerfuss funktioniert das Links-Rechts-Schema: Links ist gegen eine Senkung, rechts dafür.
Nun ist auch der letzte graue Fleck von der AZ-Steuerkarte verschwunden: Am Mittwoch hob Rheinfelden als 32. Gemeinde den Steuerschleier. Darunter hervor kam eine adrette Steuerfuss-Senkung.
Das überrascht nicht. Denn die Frage war im Fall von Rheinfelden, das derzeit knapp 65 Millionen Vermögen hat, weniger, ob die Stadt den Steuerfuss senken will, als um wie viel sie ihn senken will.
Konkret fragte man sich in den Gassen des Zähringerstädtchens, ob der Stadtrat «nur» drei Prozent heruntergeht, also einfach den Steuerfussabgleich mit dem Kanton vornimmt – was dem Bürger keine effektive Steuerentlastung gebracht hätte. Oder ob er ein, zwei oder mehr Prozentpünktlein draufsetzt. Er setzt zwei drauf – und bleibt somit seiner Tradition, den Steuerfuss jeweils in Fünf-Prozent-Schritten zu senken, treu. Für den Bürger heisst das: Effektiv zahlt er im kommenden Jahr zwei Prozent weniger Steuern.
Wobei der Bürger, und nun wird es etwas kompliziert, eigentlich deutlich stärker entlastet wird, denn im Fall von Rheinfelden macht der «Gewinn», den die Stadt durch den Aufgabenabtausch mit dem Kanton macht, nicht die vom Kanton angenommenen drei Prozentpunkte aus, sondern lediglich 0,4 oder 274'000 Franken.
Nachdem sich nun also der letzte Steuer-Nebel aus dem Fricktal verzogen hat, ist auch klar: Rheinfelden ist die einzige Gemeinde, die eine Steuerfuss-Senkung über die drei Abtausch-Prozente hinaus beantragt. 17 Gemeinden wollen den Steuerfuss um drei Prozentpunkte senken, was dem Bürger eine Nullrunde beschert.
Damit verbleiben 14 Gemeinden, in denen die Bürger im kommenden Jahr mehr Steuern zahlen sollen. Zehn nehmen den Steuerfussabtausch nicht vor, was einer Steuerfusserhöhung von drei Prozentpunkten entspricht. Vier wollen den Steuerfuss noch stärker erhöhen – am happigsten Oberhof. Hier soll der Steuerfuss um acht Prozentpunkte auf den Maximalfuss von 125 Prozent steigen. Mit anderen Worten: In 43,75 Prozent der Fricktaler Gemeinden steht eine Steuerfusserhöhung bevor.
Das ist die happigste Steuerfussrunde seit langem. Und es dürfte nicht die Letzte bleiben. Denn gerade viele kleinere Gemeinden in der Peripherie blicken angesichts der klammen Finanzen besorgt in die Zukunft. Ihnen muss Rheinfelden da wie eine Dagobert-Duck-Stadt vorkommen, wo die Stadtherren im Geld baden können. Christoph von Büren (FDP) hat sicher nicht unrecht, wenn er sagt: «Der Stadt geht es sehr gut. Wir haben ein Vermögen, von dem andere nur träumen können.»
Die Frage ist nun: Was damit machen? Das Geld horten für allfällige schlechtere Tage oder einen Teil des Geldes den Bürgern als «Steuergeschenk» zurückgeben? Die Parteien sind sich, wenig verwunderlich, uneins. Ihre Antworten bedienen das in Steuerfragen noch bestens funktionierende Links-Rechts-Denkmuster. Links hält wenig von der Senkung, befürchtet mittelfristig Sparprogramme und Leistungsabbau. Rechts befürwortet die Steuerfusssenkung, hält sie bisweilen sogar für zu knausrig. Und die Mitte? Die ist grundsätzlich für die Senkung, will sich aber zuerst noch vertieft mit der Materie befassen.
Die SP spricht sich «klar gegen diese Steuersenkung aus», schreibt die Partei. Sie sei nicht notwendig, denn der Steuerfuss sei in Rheinfelden «moderat und eher tief». Dies ist nicht wegzudiskutieren; bereits mit den heutigen 100 Prozent ist er tief, mit 95 Prozent wird er der Dritttiefste im Fricktal sein. Die SP warnt, dass sich die Steuersenkung negativ auswirken könnte, sollten die optimistischen Annahmen bei der Entwicklung der Steuereinnahmen nicht eintreten, und zieht Parallelen mit dem Kanton. «Zuerst werden Steuern gesenkt und in den kommenden Jahren – wenn die Einnahmen zurückgehen – werden die Leistungen der öffentlichen Hand abgebaut.
Im bürgerlichen Lager hält man diese Befürchtung – auch angesichts der prall gefüllten Kasse – für nicht realistisch und die Steuerfusssenkung für angebracht. «Wir können uns das leisten», sagt Roland Agustoni (GLP) und auch Daniel Vulliamy (SVP) begrüsst, dass die «hervorragende finanzielle Lage» an die Bürger weitergegeben wird. Beide finden die fünf Prozent angemessen. «Rein von der Finanzlage her könnten wir noch weiter runter», sagt Vulliamy. Das sei aber nicht sinnvoll, denn es sei gut, «wenn man die Zitrone nicht bis zum letzten Tropfen auspresst, sondern noch eine Reserve belässt». Dies sei auch angesichts der Investitionen wichtig.
Agustoni betont: Sollten sich die Finanzen dereinst verschlechtern, müsse man auch bereit sein, den Steuerfuss wieder anzuheben. Das wäre dann der Fall, «wenn man in Bereichen sparen muss, die die Bevölkerung spüren».
Mit diesem Fall rechnen aber weder er noch Vulliamy in den nächsten Jahren. «Ich bin überzeugt, dass wir einen Steuerfuss von 95 Prozent mittelfristig halten können», sagt Vulliamy.
Die CVP habe sich nie grundsätzlich gegen Steuersenkungen gestellt, sagt Patrick Burgherr. Eine Zustimmung seiner Partei macht er davon abhängig, dass die Steuersenkung im Finanzplan auch verkraftbar ist.
Wie die CVP haben auch die anderen Parteien noch keine offiziellen Parolen gefasst. Für von Büren persönlich jedoch geht die Senkung zu wenig weit. Sie müsste drei Prozentpunkte höher liegen. «Es kann doch nicht sein, dass die Stadt stets mehr einnimmt, als sie braucht.» Bei den Bürgern sei das Geld besser angelegt – «sie investieren es wieder». Er lacht. «Rheinfelden bräuchte statt einer Schulden- eine Vermögensbremse.»