Rheinfelden
Haben die Läden in den Altstädten noch eine Chance? Aber klar, sagt Rheinfelden – und will die Stadt wie ein Einkaufszentrum managen

Leere Geschäfte, ausgestorbene Gassen. Das muss nicht sein, ist Rheinfelden überzeugt. Das City-Management soll Schwung in die Altstadt bringen. Stadtschreiber Roger Erdin wehrt sich dabei gegen die Einschätzung, die Stelle habe Startschwierigkeiten gehabt – und sagt, wie die Altstadt durchstarten soll.

Thomas Wehrli
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Das Städtli in Rheinfelden am 25. März 2020 während der Coronakrise.

Das Städtli in Rheinfelden am 25. März 2020 während der Coronakrise.

Sandra Ardizzone / Aargauer Zeitung

Die Städte im Aargau stehen fast alle vor dem gleichen Problem: Was können wir tun, damit die Altstadt nicht zur Schlafstadt wird? Im Fricktal versucht sich Laufenburg, wo die meisten Ladengeschäfte die Altstadt schon vor Jahren verlassen haben, als Wohn- und Kulturstadt zu etablieren. Dazu kauft die Stadt Altstadtliegenschaften und saniert sie.

In Rheinfelden pulsiert das Geschäftsleben in der Altstadt zwar noch, aber der Puls ist leiser geworden. Seit Jahren stehen mehrere Läden leer – auch in der Flaniermeile, der Marktgasse. Die Stadt hat auf den schwächer werdenden Puls reagiert. Mit einer baulichen Aufmöbelung der Altstadt zur Steigerung der Aufenthaltsqualität, mit liberalen Nutzungsbestimmungen des öffentlichen Grundes in den Gassen, mit einer neuen Schiffsanlegestelle und mit einem City-Management, an dem Stadt, Gewerbe und «Rheinfelden medical» beteiligt sind.

«Rheinfelden medical» zog sich zurück

Die neu geschaffene Stelle hat die Stadt auf Anfang 2020 lanciert. Die erste Stelleninhaberin blieb nur ein Jahr; sie wollte sich beruflich neu orientieren. Gleichzeitig verabschiedete sich «Rheinfelden medical», die Marketingorganisation der führenden Gesundheitsdienstleister, aus dem City-Management.

Der Rheinfelder Unternehmer, Wirtschaftsdozent, Bezirksrichter und GLP-Politiker Michael Derrer initiierte an der Hochschule Luzern, wo er unterrichtet, eine Projektstudie. Vier Studenten schauten sich an, wie andere Städte mit der Altstadt-Problematik umgehen. Daraus leitete Derrer Impulse ab. Denn er findet: Das City-Management in Rheinfelden hatte «Startschwierigkeiten» und braucht neue Impulse, um neben Onlinehandel und Einkaufstourismus zu bestehen.

Detailhandel und Gastronomie entlastet

Bei der Stadt teilt man die Einschätzung von Derrer, das City-Management habe Startschwierigkeiten gehabt, nicht. Stadtschreiber Roger Erdin verweist darauf, dass Rheinfelden die erste Gemeinde der Schweiz war, welche die Aufgabe eines City-Managements geschaffen habe. Zwar habe die Coronapandemie vieles ab dem Frühjahr verunmöglicht, doch:

«Das City-Management konnte den Detailhandel und die Gastronomie in dieser aussergewöhnlichen und schwierigen Situation in vielen Fragen unterstützen und entlasten sowie wichtige Koordinations- und Vernetzungsarbeit leisten.»
Roger Erdin, Stadtschreiber Rheinfelden.

Roger Erdin, Stadtschreiber Rheinfelden.

Claus Pfisterer / Aargauer Zeitung

Gleichzeitig ist Erdin überzeugt, dass der Branchenmix im Vergleich zu den meisten Aargauer Innenstädten in Rheinfelden «noch immer ansprechend» ist. Er sagt:

«Viele Städte beneiden Rheinfelden um die Vielfalt.»

Allerdings weiss auch Erdin, dass es weitere Anstrengungen braucht, damit die Altstadt lebendig bleibt. Für die Attraktivitätssteigerung und Belebung braucht es seiner Ansicht nach ein kontinuierliches Flächenmanagement. Er vergleicht dieses mit dem Management eines Einkaufszentrums.

«Im Unterschied zu einem Einkaufszentrum gilt es in der Rheinfelder Innenstadt aber rund 130 selbstständige Unternehmungen zu koordinieren, die keinerlei Verpflichtung gegenüber dem City-Management haben.»

Alles beruhe mehr oder weniger auf Freiwilligkeit. Damit das City-Management Erfolg haben kann, ist laut Erdin deshalb der Kooperations- und Gestaltungswille aller Akteure im Rheinfelder Detailhandel und in der Gastronomie elementar. Was ihn freut: «Diese Zusammenarbeit verlief bisher sehr erfreulich.»

Kundenzufriedenheit erhöhen

Hauptzielsetzung des City-Managements ist, dass möglichst viele Ladenflächen belegt sind und die Kundenfrequenz sowie die Kundenzufriedenheit erhöht werden kann. «Schliesslich zielen die Aktivitäten auch darauf ab, dass die Aufenthaltsdauer der Besucherinnen und Besucher verlängert werden kann», so Erdin.

Dass dies auch dem Wunsch der Rheinfelder entspricht, zeigt die Bevölkerungsbefragung vom Mai 2018. Danach wünschen sich die Rheinfelder eine lebendige Innenstadt mit mehr Vielfalt an Detailhandel und Gastronomie.

Die Gastronomie soll noch vermehrt zusammenarbeiten.

Die Gastronomie soll noch vermehrt zusammenarbeiten.

Nadine Böni / Aargauer Zeitung

Wie soll das gelingen? Einerseits will die Stadt eine vielfältige Detailhandels- und Gastronomielandschaft fördern. Andererseits sollen die Immobilienbesitzer «hinsichtlich der Mietpreisgestaltung der Erdgeschossnutzung sensibilisiert werden», so Erdin. Und schliesslich muss die Gastronomie besser koordiniert werden. Erdin dazu:

«Wie der Detailhandel sollte sich auch die Gastronomie noch vermehrt auf gemeinsame Aktivitäten verständigen.»

Erdin weiss: Es kommt auf den Mix an, damit die Altstadt funktioniert. «Es braucht attraktive, moderne Läden und vielfältige Restaurants, die unterschiedliche Ansprüche abdecken und ein modernes Lebensgefühl vermitteln.» Er verweist auf die drei neuen Gastronomiebetriebe, die im letzten Jahr – trotz Coronapandemie – entstanden sind.

Michael Derrer macht in seiner Studie mehrere Vorschläge, wie es gelingen kann, eine Altstadt lebendig zu halten. Einer davon ist eine kostenlose Beratung für Jungunternehmer und Start-ups. Die Stadt ist für solche Ideen offen, wie Erdin sagt.

«Das City-Management ist offen für diesbezügliche Anfragen aus dem Detailhandel oder der Gastronomie.»

Als Beispiel nennt er den neuen regionalen Velokurier-Service, der die Einkäufe innerhalb von drei Stunden oder zur gewünschten Lieferzeit abholt und an die gewünschte Adresse liefert. So sei «ein unbeschwertes Shopping-Erlebnis in der Altstadt garantiert».