Obstbau
Landschaftsprägend und ökologisch wertvoll: Auch im Fricktal hält man den Hochstammobstbaum hoch

Um die Fricktaler Chriesibluescht zu erleben, kommen die Menschen sogar aus Japan in die Region. Aktuell wird einmal mehr der Reiz der auf die Jurahänge verteilten Hochstammobstgärten augenfällig. Die sind seit Jahrzehnten auf dem Rückzug. Doch es gibt auch einen Gegentrend.

Hans Christof Wagner
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Auch im Fricktal kennzeichnen Hochstammobstbäume die Landschaft. Unter ihnen weiden auch Tiere, wie hier Alpakas.

Auch im Fricktal kennzeichnen Hochstammobstbäume die Landschaft. Unter ihnen weiden auch Tiere, wie hier Alpakas.

zvg

Der «Chriesiwäg» oberhalb von Gipf-Oberfrick ist bei Touristen beliebt. Noch im Frühjahr 2019, also vor Corona, waren dort sogar vermehrt Besucher aus asiatischen Ländern zu sehen. Die Informationen zum «Chriesiwäg» sind auf der Website des Juraparks Aargau inzwischen sogar in englischer Sprache aufgeschaltet. Im Jurapark ist man sich des grossen Schatzes der Hochstammbäume bewusst. Anja Trachsel, Projektleiterin Natur und Landschaft, sagt:

«Sie prägen das Fricktaler Landschaftsbild, bringen wohlschmeckende Früchte hervor, bieten Lebensräume für wertvolle Arten und spenden Schatten im Sommer.»

Doch auch im Jurapark-Gebiet habe es in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Rückgang gegeben, eingeleitet von den Rodungsaktionen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung in den 1950er-Jahren. Die setzte an gesamtschweizerisch 15 Millionen Hochstammbäumen die Säge an. Die Motivation – Antialkoholismus. Denn das Gros des daran wachsenden Obsts wurde dannzumal in sauren Most und Obstbrand verwandelt.

Seit 1950 um mehr als 80 Prozent zurückgegangen

Der Verein Hochstamm Suisse mit Sitz in Basel hat die Zahlen. Sprecher Stephan Durrer:

«In den letzten 50 Jahren sind mehr als 80 Prozent der Schweizer Hochstammobstbäume verschwunden.»

Zwar gebe es seit rund zehn Jahren wieder eine gewisse Trendwende. Ausgenommen davon seien aber ausgerechnet die Kantone Aargau und Baselland.

Hochstammobstbäume sind wie hier auch im Mettauertal prägend.

Hochstammobstbäume sind wie hier auch im Mettauertal prägend.

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Bei Marcel Weiss vom Brügglihof in Sulz machen die Früchte von Hochstammbäumen nur etwa zwei bis drei Prozent vom Gesamtumsatz aus, wie der Präsident der Sektion Laufenburg des Verbands Aargauer Obstproduzenten berichtet. Das Gros seines Einkommens erzielt Weiss mit den pflegeleichteren und schnell wachsenden Niederstammplantagen. Der Obstbauer sagt:

«Ich sehe den Hauptgrund für den Rückgang der Hochstämme in der mangelnden Wirtschaftlichkeit, auch wenn der Staat diese mit Direktzahlungen fördert.»

Hochstammfrüchte liessen sich als Tafelobst kaum vermarkten und hätten auch auf dem ohnehin schon übersättigten Süssmost-Markt Probleme, preislich mitzuhalten. Hinzu komme ein Coronaphänomen: Die Beizen sind zu, Feste und Anlässe abgesagt – die Schnapsnachfrage bricht ein. Allgemein erklärt Weiss:

«Die Hochstammproduktion ist zu wenig kalkulierbar, die Ernte an den Hochstammbäumen schwierig und gefährlich.»

Die Vermittlung von Freiwilligen, die aus Solidarität auf die Leiter klettern, um den Obstbauern beim Pflücken zu helfen, ist eines der Programme des Juraparks. Er weist entlang von Wanderwegen «Pflück-mich-Bäume» aus, an denen jeder naschen darf.

«Baumglück» in Zusammenarbeit mit der Stiftung MBF

In Kooperation mit den Stiftungen MBF und Faro lässt der Jurapark ausserdem unter dem Label «Baumglück» den Most von Äpfeln und Birnen vermarkten, die als Fallobst sonst verderben würden. Er vermittelt Paten, die mit bis zu 300 Franken Zuschuss dafür sorgen, dass die Hochstammbaum-Bewirtschaftung stärker rentiert. Anja Trachsel sagt: «Wir setzen auf das Miteinander mit den Produzenten. Denn die stehen unter grossem wirtschaftlichem Druck.»

Cornelia Brennwald, Präsidentin des Vereins Fricktaler Bio Hochstammprodukte, unterstreicht:

«Wir halten den Hochstamm hoch, auch wenn es schwieriger ist.»

Brennwald ist bei Arbo Vitis beschäftigt, jenem Fricker Unternehmen, das Martin Erb gegründet hat und das nahezu ausschliesslich Hochstammprodukte vermarktet, hauptsächlich Most. Rund 1000 Hochstammbäume bewirtschaftet Arbo Vitis selbst. Auf die 13 Landwirtschaftsbetriebe, die Vereinsmitglieder sind, kommen noch einmal 5000 Bäume, deren Früchte auch zu Konfi und Trockenobst werden. Brennwald sagt: «Naturverbundenheit und die Sorge um die Artenvielfalt treiben uns an.»