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Ein Mann stürzt aus dem Sattel und sitzt seitdem im Rollstuhl. Die Schuld gab er der Pferdebesitzerin, die nun wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht stand.
Ein 61-jähriger Mann verliert auf dem Rücken eines Holsteiner Wallachs das Gleichgewicht. Er stürzt zu Boden: «Ich merkte, dass ich meine Beine nicht mehr bewegen konnte. Es war für mich der Horror», erzählt der Geschädigte, der seit dem Unfall querschnittsgelähmt ist und an Inkontinenz leidet.
Die Schuld an seinem tragischen Schicksal gibt er der 40-jährigen Pferdebesitzerin, die sich wegen fahrlässiger Körperverletzung mit schwerer Schädigung vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten muss. Konkret wirft die Staatsanwaltschaft der lizenzierten Reiterin vor, ihre Sorgfaltspflicht verletzt zu haben, weil sie den Geschädigten, der keine Reiterfahrung besitzt, ohne Longe auf ihrem Pferd reiten liess.
«Weil ich es nicht geschafft habe, von einem Bock aus aufzusteigen, bin ich auf die Umzäunung geklettert, um von dort aus auf den Sattel zu gelangen», schildert der Geschädigte. Dann ging alles ganz schnell: «Kaum sass ich auf dem Pferd, ist es losgaloppiert. Ich hatte Todesangst und bin nach hinten zu Boden gefallen», sagt er und schiebt vorwurfsvoll nach: «Die Angeklagte hat das Pferd weder geführt noch die Steigbügel richtig eingestellt.»
Die Beschuldigte schildert den Vorgang anders: «Der Geschädigte ist von einem Bock aus auf das Pferd gestiegen und ich habe ihn gefragt, ob er mit oder ohne Longe reiten will. Er sagte zu mir, dass er ohne reiten wolle.»
Sie schildert weiter, dass der Geschädigte eine Dreiviertel-Runde geritten sei und sie ihn dann darauf aufmerksam gemacht habe, die Füsse nicht zu weit in den Steigbügel zu setzen. «Er hat dann zu seinen Füssen geschaut und das Gleichgewicht verloren. Das Pferd ist deshalb minimal schneller geworden. Daraufhin ist er vom Pferd gestürzt.» Zudem sei die Beschuldigte davon ausgegangen, dass der Geschädigte Reiterfahrung besitzen würde: «Er erzählte mir, dass er in den Ferien schon öfters galoppiert sei.» Der Geschädigte bezeichnet diese Aussage als Lüge.
Der Anwalt des Geschädigten fordert, die Angeklagte im Sinne der Staatsanwaltschaft zu verurteilen: «Sie hat die Gefahrensituation geschaffen.» Und: «Als erfahrene Reiterin kommt ihr ein Sonderwissen zu. Der Sturz wäre vermeidbar und für sie vorhersehbar gewesen.» Zudem fordert er für seinen Mandanten eine Genugtuung in Höhe von 150'000 Franken. Der Verteidiger hält dagegen: «Meine Mandatin hat den Geschädigten nicht auf das Pferd gehoben. Es war seine freie Entscheidung.» Er fordert deswegen einen Freispruch.
Dies sieht auch Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab so und spricht die Beschuldigte in ihrem Urteil frei.