An Silvester pünktlich um Mitternacht schmiedet Hans Mahrer ein Hufeisen – dieses Jahr zum 60. Mal: «Glück ist auch eine Kopfsache. Der Glaube ist entscheidend und nicht meine Schmiedekunst.» Hans Mahrer Schmied
Manchmal kann es Hans Mahrer selber nicht glauben. Auch jetzt schüttelt er den Kopf und lacht. «60 Jahre – es ist ja auch kaum zu glauben.» Aber es stimmt: Seit 60 Jahren schmiedet Mahrer jedes Jahr an Silvester auf der «Schmittenbrücke» in Möhlin ein Hufeisen, auf dass es den Menschen und dem Dorf Glück bringe.
Kein Silvester hat er ausgelassen. Viele Möhliner können sich den Silvesterabend ohne Hufeisen gar nicht mehr vorstellen. Die Tradition hat Mahrer im Dorf sogar den Übernamen «Schmittehans» eingebracht.
Angefangen hatte alles am Silvesterabend 1956. Hans Mahrer, damals noch keine 20 Jahre alt, und drei seiner Freunde hockten in der Schmiede seines Vaters. Zur Feier des Tages hatten sie sich je ein ganzes Poulet gekauft.
«Das war damals etwas ganz Besonderes, denn Poulets konnten sich zu dieser Zeit nur die Reichen leisten», erzählt Mahrer.
Über dem Feuer der Schmiede brieten die vier jungen Männer also ihr Festmahl, tranken und sangen. «Ziemlich angeheitert kamen wir kurz vor Mitternacht auf die Idee, ein Eisen zu schmieden», so Mahrer.
Gesagt, getan – und weil die Schläge auf dem Eisen im Freien noch viel schöner hallten, trugen die vier Freunde den Amboss nach draussen und klopften dort darauf herum.
«Durch das Hämmern wurden natürlich einige Nachbarn angelockt, die zuschauten und schliesslich sagte einer: ‹Das müsst ihr nun jedes Jahr machen›», erzählt Mahrer und lacht.
Seither hat Hans Mahrer an Silvester nie mehr etwas anderes gemacht. Er wird auch heute Abend, kurz vor Mitternacht, wenn andernorts die Korken knallen und Champagnergläser zum Anstossen gefüllt werden, vor seine Schmiede treten und richtig draufhauen, auf das glühende Stück Eisen auf dem Amboss.
Das Schauspiel, zu dem jeweils einige hundert Zuschauer kommen, beginnt wenige Minuten vor Mitternacht und endet wenige Minuten danach.
Ist das Hufeisen fertig, hält der «Schmittehans» eine kurze Ansprache, sagt, wem das Eisen besonders viel Glück bringen soll und bestimmt, wer es behalten darf. Interessenten gibt es genug. Ja, gar deutlich mehr als Hufeisen, wie der 77-Jährige sagt.
Glück aber, davon ist der Schmied überzeugt, bringt das Hufeisen sowieso allen. «Glück ist auch eine Kopfsache», sagt er und erzählt die Geschichte eines Schuljungen, dem er einst ein Hufeisen geschenkt habe. Schrieb der Junge zuvor noch schlechte Noten, so lief es mit dem Hufeisen plötzlich besser.
«Ganz einfach, weil er dank dem Hufeisen an sich geglaubt hat», so Mahrer. «Der Glaube ist entscheidend, nicht meine Schmiedekunst.»
Trotzdem wollen die Möhliner nicht mehr ohne ihren Glücksschmied in ein neues Jahr gehen und genau so geht es auch Mahrer selbst: «Ich werde so lange weitermachen, wie es meine Gesundheit erlaubt.»