Eine IG stellt die Pläne des Gemeinderats infrage – und fordert eine Entkoppelung verschiedener Projekte:Es könne nicht sein, dass durch die Verknüpfung der Themen Schulhausbau und Landverkauf emotionale Abhängigkeiten entstehen.
Franz Stocker stand auf, damals an der Informationsveranstaltung der Gemeinde Möhlin im Frühjahr. Die Pläne des Gemeinderats, im Gebiet Leigrube ein Wohnquartier mit Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern zu ermöglichen, hatten den Möhliner nicht nur überrascht. Sie hatten ihn auch erzürnt: «Wenn man die Spielregeln derart verändert, muss man auch die Grundsatzfrage noch einmal stellen», sagte er ins Mikrofon und erhielt zustimmenden Applaus vieler Anwesender. Ursprünglich wäre im Gebiet ein Einfamilienhausquartier geplant gewesen (siehe Kontext).
Seit der Informationsveranstaltung sind sechs Monate vergangen. Franz Stocker hat Mitstreiter gefunden. Anwohner der Leigrube, aber auch andere Möhliner, die ebenfalls wenig Gefallen finden am gemeinderätlichen Vorhaben, gründeten gemeinsam die Interessengemeinschaft Leigrube. Stocker betont, dass «die IG politisch völlig unabhängig und parteilos ist». Kontakte zu anderen Organisationen bestehen aber, etwa zum überparteilichen Komitee «Zukunft Möhlin».
Denn mit der Leigrube hat zwar alles angefangen, nun aber geht es der IG um mehr: «Das Projekt Leigrube, die Überbauung Rüttenen, das neue Schulhaus Steinli, der Bata Park, die Themen Wachstum und Liquidität – all das hängt zusammen», sagt Loris Gerometta, einer der Mitbegründer der IG. «Wir kommen daher nicht darum herum, uns Gedanken zur gesamten Entwicklung von Möhlin zu machen.»
2011 stimmte die Gemeindeversammlung der Einzonung der Lei-grube zu, knapp mit 408 Ja- gegen 380 Nein-Stimmen. Das 2,9 Hektaren grosse Gebiet in Richtung Melerfeld wurde zur Wohnzone W1. Geplant war ein Einfamilienhausquartier. Dann folgte 2013 die nationale Abstimmung zum Raumplanungsgesetz. Die Kantone müssen ihre Richtpläne an dieses neue Gesetz anpassen. Für den Aargau heisst das grob zusammengefasst: Es werden keine neuen Einzonungen ohne entsprechenden Abtausch bewilligt und es muss verdichtet gebaut werden – weshalb der Gemeinderat Möhlin seine Pläne für die Leigrube geändert hat. Das nun geplante Quartier entspräche einer Wohnzone W3. (nbo)
Die IG stellt Grundsatzfragen: Darf der Gemeinderat im Gebiet Leigrube ohne neuerliche Abstimmung komplett anders planen? Eine neue Überbauung auf dem Areal Rüttenen, weitere Wohnungen im Bata Park, womöglich eine grosse Siedlung beim Bahnhof – will die Gemeinde überhaupt so schnell so stark wachsen? Was für ein Wachstumstempo ist verträglich, gerade hinsichtlich der Infrastruktur? Und: Welche Rolle spielt der Landverkauf im Gebiet Leigrube dabei?
Schliesslich plant der Gemeinderat, das neue Schulhaus im Steinli – ein 27-Millionen-Projekt – auch durch zwei Landverkäufe zu finanzieren. Der Verkauf des Areals Rüttenen und der Leigrube sollen insgesamt über 14 Millionen Franken in die Möhliner Kassen spülen. An der kommenden Wintergemeinde entscheiden die Stimmbürger über den Verkauf des Areals Rüttenen. Wohl ein Jahr später über die Leigrube. «Die Finanzierung des Projekts ist nicht unerheblich von diesen Versammlungen abhängig», hiess es bei der Projektvorstellung seitens der Gemeinde.
Die IG stört sich an dieser Verknüpfung. «So entstehen nicht zielführende Abhängigkeiten. Eigenständige Lösungen gehen verloren, genauso wie die Transparenz», sagt Gerometta. Aus Sicht der IG gäbe es alternative Möglichkeiten, den Schulhaus-Neubau im Steinli zu finanzieren. Etwa durch eine Kreditaufnahme.
Ausserdem werde das Wahlverhalten der Stimmberechtigten durch eine «Inszenierung der Unausweichlichkeit» auf einer emotionalen Ebene beeinflusst, sagt Stocker. Ein Beispiel der Verknüpfung: Ein Familienvater, der gegen den Landverkauf wäre, kommt in eine Zwickmühle. «Muss er seine Kinder in einem Schulhaus zur Schule schicken, das nicht den heutigen Anforderungen entspricht, wenn er Nein zum Landverkauf sagt?», gibt Gerometta in diesem Zusammenhang zu Bedenken.
Ein Ziel der IG ist daher die «Entkoppelung der verschiedenen Projekte», wie Stocker sagt. Durchatmen, sich das Gesamtbild anschauen, Alternativen klären, dann entscheiden – das soll den Stimmberechtigten ermöglicht werden.
«Eigentlich ist es ganz einfach: Wir wollen eine demokratische Auseinandersetzung mit den Themen – sowohl mit dem Gebiet Leigrube als auch mit allen anderen Projekten», sagt Stocker. Dafür will sich die IG einsetzen und es auch nicht scheuen, an einer Versammlung aufzustehen und an das Mikrofon zu treten.