Frick
Herr Brem, funktionieren Möbelhäuser an der Grenze einfach nicht mehr?

Pascal Brem, Inhaber des gleichnamigen Möbelhauses in Frick, in einem Interview über die Möbelbranche, Grenzgänger, Testsitzer und weshalb der tiefe Euro eine Chance sein kann.

Thomas Wehrli
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Pascal Brem: «Die nächsten Generationenwechsel werden bei vielen mittelständischen Betrieben nicht stattfinden». twe

Pascal Brem: «Die nächsten Generationenwechsel werden bei vielen mittelständischen Betrieben nicht stattfinden». twe

Thomas Wehrli

Herr Brem, Weibel Möbel in Endingen gibt nach 150 Jahren auf. Was ging in Ihnen vor, als Sie davon hörten?

Pascal Brem: Ich erfuhr es am Tag, nachdem Michael Weibel seine Lieferanten informiert hat. Ich war schon etwas überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet.

Möbelhaus Brem

1957 mietet Emil Brem einen Tanzsaal und eine Tintenfabrik in Othmarsingen und nutzt die Räume als Möbelhaus.

Bereits 1959 zieht Brem mit der Firma nach Frick.

1976 schliesst Bally im Oberdorf seine Schuhfabrik – ein idealer Ort für ein Möbelhaus.

1994 übergibt Emil Brem an seinen Sohn Urs, der das ehemalige Bally-Gebäude um- und ausbaut.

2012 übernimmt Pascal Brem das Möbelhaus in dritter Generation.

Weibel Möbel ist das zweite Möbelhaus in Grenznähe, das 2015 schliesst: Im April traf es die Rheinfelder Filiale von Möbel Märki. Funktionieren Möbelhäuser an der Grenze einfach nicht mehr?

Der extrem hohe Werbedruck der süddeutschen Möbelhäuser spüren wir deutlich. Diese Geschäfte wären ohne die Schweizer Kunden längst nicht so gross, ja: Diese Möbelhäuser leben von den Kunden aus der Deutschschweiz.

Dann wird es noch weitere Möbelhaus-Schliessungen geben?

Mir ist aktuell nichts bekannt, aber aussschliessen kann ich es nicht. Ich gehe eher davon aus, dass die nächsten Generationenwechsel bei vielen mittelständischen Betrieben nicht stattfinden werden.

Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses wurde der Franken nochmals stärker. Spürten Sie diese Zäsur?

Wider Erwarten nicht. Wir hatten ein sehr gutes erstes Quartal. Wir profitierten davon, dass die Einkaufspreise im Euroraum deutlich günstiger wurden. Diese Preisvorteile gaben wir 1:1 an die Kunden weiter.

Zahlt der Kunde bei einem vergleichbaren Produkt in der Schweiz heute mehr als in Deutschland?

Die meisten Preise von deutschen Produkten schreiben wir in Euro an – zum gleichen Preis also, wie es unsere deutschen Mitbewerber tun. Wir rechnen zudem mit dem aktuellen Tageskurs, was zu einer Preisegalität führt.

Handhaben dies alle so?

Nein, es gibt Möbelhäuser, sogar grosse, welche die Preise zu hoch ansetzen. Das schadet der ganzen Branche.

In den Köpfen vieler Schweizer ist eingebrannt: In Deutschland sind Möbel günstiger. Sie sagen: Das stimmt nicht. Wieso hält sich das Bild so hartnäckig?

Natürlich gibt es Produkte, die in Deutschland einige Euros günstiger sind. Es gibt aber auch die umgekehrten Fälle – je nachdem, wer ein Produkt wie knapp kalkuliert. Dies merken viele gar nicht, da sie per se davon ausgehen, dass es in Deutschland billiger sein muss – weil sie gar keine Preisvergleiche mehr machen. Ich kenne Leute, die sagen frank und frei: Ich betrete in der Schweiz schon gar keinen Laden mehr.

Viele sehen im tiefen Euro nur eine Gefahr. Kann er auch eine Chance sein?

Beim Euro-Höchststand 2008 waren die Preise relativ hoch. Das heisst: Weniger Leute konnten sich ein Produkt, sagen wir: ein Markensofa leisten. Heute kostet das gleiche Produkt rund 30 Prozent weniger und spricht ein breiteres Publikum an. In den Köpfen vieler Leute hat sich die Formel eingeprägt: Starker Franken = schlecht für die Wirtschaft. Das ist sicher nicht falsch. Doch für den Fachhandel kann der schwache Euro durchaus auch eine Chance sein.

Hat sich das Kundenverhalten generell geändert?

Es gab einen Strukturwandel. Die grossen Märkte und Discounter haben zulasten der kleineren Möbelhäuser zugelegt. Diejenigen aber, die nach wie vor im Fachhandel kaufen, geben heute mehr aus als früher. Der Umsatz bei uns bleibt somit trotz kleinerer Auftragszahl in etwa konstant.

Online-Shopping ist heute en vogue. Auch im Möbelmarkt?

Wir sind sicher weniger betroffen als andere Branchen. Ein Sofa will man auch heute noch testsitzen, ein Leder fühlen. Zudem bieten Online-Händler von einem Produkt oft nur eine Variante – wir können dem Kunden 10 oder 20 Varianten zeigen.

Viele Detaillisten klagen: Die Leute lassen sich bei uns beraten, kaufen aber anderswo ein. Auch beim Möbelkauf?

Es gibt sicher Leute, die sich bei uns beraten lassen und dann die Möbel anderswo kaufen. Ob es viele sind, weiss ich nicht. Nicht wenige Kunden schauen sich bei uns um, gehen – und kommen dann Monate später zurück, um das Sofa oder das Bett zu kaufen.

Haben traditionelle Möbelhäuser in der Schweiz überhaupt Zukunft?

In die Zukunft blicken kann ich nicht. Aber es wird künftig wohl weniger mittelständische Fachgeschäfte geben.

Geht es in Richtung gross und grösser?

Schon heute machen die zehn grössten Möbelhäuser 88 Prozent des Umsatzes. Daran wird sich in Zukunft nichts ändern.

Wie sieht das Möbelhaus der Zukunft aus? Muss es zur Event-Halle werden?

Ein kleiner Event bringt kaum zusätzliche Leute ins Haus. Dies kann nur funktionieren, wenn man mit grosser Kelle anrichtet. Die Frage ist da: Lohnt sich das? Wird wirklich mehr gekauft? Oder kommen die Leute nur wegen des Events?

Ihre Antwort?

Ich bin skeptisch, dass sich das lohnt.

2017 feiert Möbel Brem sein 60-jähriges Bestehen. Wo steht das Möbelgeschäft dann?

(Lacht) Immer noch in Frick. Im Ernst: Es ist schwierig abzuschätzen, wie die Entwicklung ist. Wenn es uns Detailhändlern gelingt, den Leuten aufzuzeigen, dass viele Produkte in der Schweiz gar nicht teurer sind, ist schon viel gewonnen. Das wird jedoch Zeit brauchen, denn das setzt ein Umdenken bei den Leuten voraus.