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Verdichtetes Bauen führt kaum zu mehr Einwendungen – aber zu Mehraufwand auf den Bauverwaltungen. Das hat unter anderem mit dem Vorgehen der Bauverwaltungen zu tun.
Es sind immer wieder die gleichen Ängste und Sorgen. Mehr Nachbarn, mehr Lärm, mehr Verkehr, mehr Konfliktpotenzial, dafür weniger Grünfläche, weniger Privatsphäre, weniger Sonne und: «Meine Aussicht wird verbaut.» Es sind Ängste und Sorgen, die bei Anwohnern von grösseren Bauprojekten auftreten – immer wieder und immer häufiger.
Das zeigt sich zwar nicht in den absoluten Zahlen, was die Einwendungen gegen Baugesuche angeht, wohl aber beim Arbeitsaufwand der Bauverwaltungen in der Region.
Bei einer Umfrage der AZ bei fünf grösseren Fricktaler Gemeinden geben allesamt an, dass die Anzahl Einwendungen in den letzten Jahren kaum zugenommen habe. «Die Anzahl der ergriffenen Rechtsmittel ist mit einigen Schwankungen insgesamt stabil», sagt etwa Michael Widmer, Gemeindeschreiber in Frick. Ein Blick in die Statistiken belegt diese Aussage, ebenso in Möhlin, Stein und Rheinfelden.
In Gipf-Oberfrick wurden 2017 insgesamt 55 Baugesuche eingereicht, gegen 10 davon gingen insgesamt 29 Einwendungen ein. Im Jahr zuvor waren es bei 57 Baugesuchen und insgesamt 13 Einwendungen deutlich weniger. Allerdings möchte Caroline Liechti, stellvertretende Gemeindeschreiberin, auch hier nicht von einer generellen Zunahme sprechen. Ob über einen längeren Zeitraum gesehen tatsächlich eine Zunahme vorliege, «ist fraglich», sagt sie.
Trotzdem spüren die Bauverwaltungen die Folgen des verdichteten Bauens. «Grundsätzlich hat der Gesprächsbedarf seitens der Anwohner hinsichtlich der inneren Verdichtung erheblich zugenommen», sagt etwa Marius Fricker, Gemeindeschreiber in Möhlin.
Für Unmut in der Nachbarschaft sorgt einerseits, wenn bestehende Freiflächen bebaut werden sollen. «Einwohner reagieren sensibel, wenn sie sich direkt betroffen fühlen oder wenn sie ihre Idylle bedroht sehen. Die Tatsache, dass immer mehr freie Parzellen überbaut werden, akzentuiert dieses Empfinden», bestätigt Caroline Liechti.
Andererseits ist auch die Grösse des Bauprojekts entscheidend. «Es ist festzustellen, dass grössere Bauvorhaben in bestehenden Einfamilienhaus-Quartieren zu Reaktionen in der Bevölkerung führen und sich die Anwohner zum Teil gemeinsam zur Wehr setzen», sagt Widmer. «Durch die Bebauung bisher freier Flächen inmitten der Siedlung nimmt die persönliche Betroffenheit der Nachbarn zu», sagt auch Roger Erdin, Stadtschreiber in Rheinfelden. Daneben steige mit zunehmender Grösse eines Projekts auch der Aufwand für die Prüfung eines Baugesuchs und die Komplexität der Gesuche.
Dass sich dieser Unmut nicht immer direkt in den Einwendungs-Zahlen widerspiegelt, hat auch mit dem Vorgehen der Bauverwaltungen zu tun. Die Gemeinden haben verschiedene Wege gefunden, mit dem erhöhten Bedürfnis nach Abklärungen und Gesprächen umzugehen. Gipf-Oberfrick etwa hat für die Kernzone einen Masterplan erstellt. Dieser soll Einwendungen vorbeugen, weil sowohl Bauherren und Architekten wie auch Anwohnern aufgezeigt wird, wie die Bauverwaltung und der Gemeinderat die bestehenden Regeln der Bauordnung interpretiert.
In Möhlin kümmert sich eine eigens dafür eingesetzte Baukommission um die Projekte. «Wir versuchen, mit den Beteiligten Vorbesprechungen durchzuführen, bei Bedarf zwischen Bauherrschaft und Nachbarn zu vermitteln und allfällige rechtliche Abklärungen im Voraus zu treffen», erklärt Roger Winter, stellvertretender Leiter Bau und Umwelt. Immer mit dem gleichen Ziel: Nach Möglichkeit zu verhindern, dass es überhaupt zu Einwendungen kommt. Der Aufwand für diese Abklärungen sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Und Winter nennt noch ein weiteres Phänomen des verdichteten Bauens: Das Bedürfnis, trotzdem die Privatsphäre zu wahren, ist gestiegen. «Baugesuche für entsprechende Massnahmen wie Sichtschutzzäune nehmen zu.»
Eine «gute Kommunikation der Baubehörde als Vermittlerin zwischen Bauherrschaft und Einwendern» schätzt auch Michael Widmer als besonders wichtig ein. Ebenso die «fachlich richtige und verständliche Begründung» des baurechtlichen Entscheids. «Gelingt es der Gemeinde, im Verfahren eine vermittelnde Rolle einzunehmen, so kann häufig ein späteres Beschwerdeverfahren vermieden werden», sagt er.
«Was auch nicht vergessen werden darf: Bauherrschaft und Einwender wohnen in den meisten Fällen nebeneinander – bei Neubauprojekten einfach erst zeitlich verzögert», sagt Widmer. «Wird im Baugesuchsverfahren nicht zu viel Geschirr zerschlagen, ist dies für alle besser.»
Immerhin: Ein Blick in die Statistiken der befragten Gemeinden zeigt, dass nur die allerwenigsten Einwendungen nach dem Entscheid der Gemeinde an die nächste Instanz weitergezogen werden. Sowohl Einwendungen als auch Beschwerden verzögern die Baubewilligungsverfahren. In Stein dauere dieses ohne Einwendungen durchschnittlich rund zwei Monate, sagt Gemeindeschreiber Sascha Roth. Mit Einwendungen sei es ein halbes Jahr – seien Anwälte involviert, sogar doppelt so lange.