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Die beim Grossbrand verstorbene Frau warf der Spyk Bänder AG in einer E-Mail Mobbing gegen ihren Mann vor – die Firma wehrt sich gegen die Vorwürfe.
Am Tag nach dem Grossbrand bei der Spyk Bänder AG, bei dem eine Frau starb, begannen die Aufräumarbeiten an der Herznacher Hauptstrasse. Die Kantonspolizei geht davon aus, dass es sich bei der Toten um eine Angestellte der Firma handelt, die den Brand legte, um Suizid zu begehen.
Von einem Suizid geht sie unter anderem deshalb aus, weil sie im Besitz einer E-Mail ist, welche die besagte Angestellte nur einige Minuten vor dem Brand von ihrer Firmenadresse an die «Neue Fricktaler Zeitung» geschickt hat. Wie die Zeitung schreibt, kündigte die Frau in der E-Mail an, «sich mit Benzin zu übergiessen und anzuzünden». Und weiter: «Der Grund sei das jahrelange Mobbing in der Firma Spyk Bänder gegen ihren Mann.»
«Es war für mich ein Riesenschock, als ich das gelesen habe. Die Situation ist schon schlimm genug. Und jetzt das noch oben darauf. Das ist eine Riesenbelastung», sagt Andreas Schmid, Teilhaber und Co-Geschäftsleiter. Dass der Ehemann der Verstorbenen, der seit
18 Jahren für das Unternehmen tätig ist, gemobbt worden sein soll, ist für Schmid nicht nachvollziehbar. Verhehlen kann der Co-Geschäftsleiter aber nicht, dass es über all die Jahre auch mal «kleinere Probleme» gab. Doch man habe immer versucht, die Schwierigkeiten konstruktiv zu lösen.
Mobbing sei für ihn, wenn ein Einzelner von einer Gruppe ausgegrenzt oder provoziert werde, sagt Andreas Schmid. «Das habe ich bei uns in der Firma aber noch nicht erlebt», sagt er. Man könne jedoch nicht in die Menschen hineinschauen. Die Sensitivität von Personen gegenüber Einflüssen von aussen sei sehr individuell. «Es gibt Leute, die fühlen sich schon gemobbt, wenn man zu ihnen nicht guten Morgen sagt», sagt Schmid.
Vor wenigen Monaten habe man dem Ehemann der Verstorbenen nach Absprache eine neue Funktion zugewiesen. Laut dem Co-Geschäftsleiter habe dieser nach dem internen Wechsel in der Firma einen zufriedenen Eindruck gemacht.
Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Brand die Ermittlungen aufgenommen. Sprecherin Fiona Strebel bestätigt auf Anfrage, dass die Angestellte ihren Suizid per E-Mail angekündigt hat. «Die Verstorbene konnte inzwischen identifiziert werden. Aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen geben wir keine weiteren Auskünfte», sagt Strebel. Ein Sachverständiger der Aargauischen Gebäudeversicherung hat mittlerweile eine erste Grobschätzung der Schadenssumme bei der Spyk Bänder AG in Herznach vorgenommen. Diese beträgt laut Christina Troglia, Generalsekretärin der Versicherung, rund 2 Millionen Franken. Ob der Schaden von der Aargauischen Gebäudeversicherung reguliert wird, steht noch nicht fest. «Falls ein Schaden durch eine Person verursacht wird, die im betroffenen Unternehmen angestellt ist, muss dies zuerst juristisch abgeklärt werden», sagt Troglia.
Die Radikalität der Tat der Mitarbeiterin, die 30 Jahre lang für das Unternehmen tätig war, löst bei Schmid Konsternation aus und hinterlässt auch Spuren bei den Angestellten des Unternehmens. «Einige werden sich jetzt fragen, ob sie vielleicht etwas Falsches gesagt oder getan haben, was zu dieser Tat geführt haben könnte. Das löst bei ihnen Angst aus», so Schmid.
Lehren aus dem tragischen Vorfall könne das Unternehmen kaum ziehen. «Wir müssen unsere Unternehmenskultur nicht hinterfragen. Bei uns kennt jeder jeden. Wir führen Mitarbeitergespräche und bei Problemen stehen die Türen jederzeit offen», sagt Schmid. Mit dem Ehemann der Verstorbenen habe Schmid nach der Tat bereits ein längeres Gespräch geführt. «Es war ein gutes Gespräch. Ich habe gespürt, wie es ihm geht, und er hat gespürt, wie es mir geht. Ich war sehr froh um dieses Gespräch», erzählt Schmid.
Bereits einen Tag nach dem Brand nahm ein Teil des Personals die Arbeit wieder auf, um die Produktion vorzubereiten. Aufgrund der emotionalen Betroffenheit hat die Unternehmensleitung gestern ihren Mitarbeitern freigestellt, ob sie zur Arbeit erscheinen. Am Mittwoch entscheidet sich, ob die Spyk Bänder AG bereits wieder produzieren kann. «Dies ist abhängig vom Ergebnis der Analyse des Russbefalls der Produktionsmaschinen», sagt Andreas Schmid.
Diese Stellen sind rund um die Uhr da für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld:
Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: 143
Beratungstelefon von Pro Juventute
(für Kinder und Jugendliche): 147
Weitere Adressen und Informationen gibt es unter: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben:
Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net