Dass Schweizer seit vergangenen Freitag wieder quarantänefrei nach Deutschland kommen dürfen, haben auch die Paketshops im grenznahen deutschen Raum zu spüren bekommen. Doch der Megazulauf wie im Juni 2020 war es nicht. Warum sich die Erwartungen der Branche nicht erfüllt haben, hat Gründe.
Simon Kühn, Inhaber von My Paketshop in Bad Säckingen, hatte von der neuerlichen Freiheit der Schweizer, für 24 Stunden quarantänefrei nach Deutschland kommen zu dürfen, am Mittwoch vergangener Woche erfahren. Über die Sensationsmeldung hat er seine mehr als 20'000 Kunden aus der Schweiz in Kenntnis gesetzt. Ihm war auch klar: Mit dem Personalstand vor der Grenzöffnung wird das nicht zu stemmen sein. Also holte er sämtliche seiner Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurück. Er engagierte eigens einen Sicherheitsposten. Und dann kamen sie auch. Kühn weiss noch:
«Die ersten standen am Freitag nach Auffahrt schon um 8.30 Uhr auf der Matte, eine halbe Stunde vor Öffnung.»
Volle Parkplätze, Schlangen vor dem Eingang, Mitarbeiter, welche die Päckli mit dem Hubwagen zum Auto der Kunden fuhren – alles schon lange nicht mehr da gewesen. Kühn erzählt:
«Am ganzen Freitag gingen 1600 Pakete raus. Am Samstag waren es nochmals 1051.»
Mehr als 11'000 Pakete hatten sich in den Vormonaten mit den eingeschränkten Möglichkeiten zur Abholung bei My Paketshop angesammelt.
«Zu normalen Zeiten, vor Corona, hatten wir immer rund 1500 Sendungen auf Lager», teilt Maik Gregl mit, der in Badisch Rheinfelden einen Paketshop betreibt. Aber im Vorfeld der aktuellen Grenzöffnung sei deren Zahl auf mehr als 4000 angestiegen. Gregl blickt zurück:
«Am Freitag nach Auffahrt machten wir um 10 Uhr auf und nach vier Stunden waren schon 600 Pakete abgeholt. 800 waren es dann bis zum Abend.»
Eindrückliche Zahlen – doch die Shop-Betreiber hatten mit mehr gerechnet. «Tatsächlich fiel der Ansturm nach der Grenzöffnung sanfter aus, als ich es erwartet hatte», räumt Kühn ein. Statt des erwarteten Ansturms sei es am ersten Wochenende kaum mehr als eine frische Brise gewesen. Kühn: «Ich bin ein wenig enttäuscht vom Freitag.» Nach dem «Halligalli» am Freitag sei es am Samstag dann schon wieder normaler gewesen, bilanziert auch Gregl.
Der Vergleich mit den Zahlen am 15. Juni 2020 belegt, warum sich der Enthusiasmus der Paketshop-Betreiber in Grenzen hält. Kühn rechnet vor: «Am 15. Juni 2020, dem ersten Tag nach Lockdown und Grenzöffnung, gingen allein in den ersten zwei Stunden nach Öffnung 2000 Pakete raus. 4000 waren es insgesamt.» Auch Gregl sagt: «Der Run im Juni 2020 war ungleich grösser.»
Doch die Unterschiede zu der Zeit des ersten Lockdown liegen auch auf der Hand: Zur harten Grenzschliessung wie noch im Frühjahr 2020 ist es nicht mehr gekommen. Die Möglichkeiten, weiterhin quarantänefrei einzureisen, waren gross. Hinzu kam, dass geimpfte und genesene Schweizer schon seit dem 19. April erneut kommen durften. Kühn: «Das hat das Ganze auf jeden Fall entzerrt.» Gregl hat aus Kundengesprächen erfahren, dass sich manche auch gar nicht mehr um eine korrekte Einreise bemüht hätten und das Risiko eingegangen seien, notfalls gebüsst oder in Quarantäne geschickt zu werden.
Zur vergleichsweise niedrigen Zahl bei den Abholungen beobachtet Kühn, dass sich seine Kunden auch beim Shopping im Netz zurückhalten. Er schätzt die Lage so ein:
«Die Grenzöffnung muss sich erst herumsprechen. Ausserdem müssen meine Kunden wieder Vertrauen fassen, dass die Grenze nun auch offen bleibt.»