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Grossrat Roland Agustoni ärgert sich, dass auf der S1 kein 30-Minuten-Takt kommt – der Kanton kontert.
Es sind markige Worte, die GLP-Grossrat Roland Agustoni in Richtung Aarau schleudert. Es sei unverständlich, dass der Ausbau der S1 zwischen Stein Säckingen und Frick respektive Laufenburg auf die lange Bank geschoben werde, das sei ein Affront, ja, eine Ohrfeige für das Fricktal.
Um was geht es. Im März 2013 hatte der Grosse Rat das Mehrjahresprogramm öffentlicher Verkehr beschlossen. Darin ist ein kleines Kapitel dem Fricktal gewidmet. Ab 2019, so sah es das «Entwicklungsmodul 1» vor, sollte auf den beiden Ästen der S1 von Montag bis Freitag der Halbstundentakt realisiert sein. Heute verkehrt die S1 auf den beiden Aussenästen im Stundentakt.
Und nun das. In der «Beilage 3 zur Botschaft 17.187», in welcher die einzelnen Massnahmen zum Sanierungspaket 2018 aufgelistet sind, hält der Regierungsrat die Verdichtung des Bahnangebots im Fricktal «aufgrund der aktuellen Nachfrage» für «nicht gerechtfertigt». «Klammheimlich» fahre der Ausbau davon, enerviert sich Agustoni, wohl auf den St. Nimmerleinstag. «Der Regierungsrat bricht einfach sein 2013 abgegebenes Versprechen.» Und ohnehin: «Woher will der Regierungsrat überhaupt wissen, was die ‹aktuelle Nachfrage› ist?»
Das wisse man sehr wohl, nämlich aus Fahrgasterhebungen, kontert man beim Kanton. «Auf dem Abschnitt Stein-Säckingen–Laufenburg sind es momentan durchschnittlich rund 800 Personen pro Werktag», sagt Giovanni Leardini, Mediensprecher im Departement Bau, Verkehr und Umwelt. Auf dem S1-Ast Stein-Säckingen–Frick seien es rund 1100 Fahrgäste. «Vergleichbar tiefe Nachfragewerte hat nur noch die S-Bahn-Linie Bad Zurzach–Kaiserstuhl– Eglisau, auf der ein durchgehender Stundentakt angeboten wird.»
Dies darf durchaus als kleiner Seitenhieb – oder vielleicht besser: als Zugsdurchsage verstanden werden. Leardini verweist denn auch darauf, dass nicht nur das Fricktal vom Spardiktat betroffen ist. «Aufgrund der aktuellen finanziellen Situation müssen verschiedene Angebotsausbauten um mehrere Jahre nach hinten verschoben werden», sagt er. Er ist überzeugt: «Wenn auch im öV gespart werden muss, kann durch Verzögerungen von im Mehrjahresprogramm vorgesehenen Angebotsschritten verhindert werden, dass bestehende öV-Angebote kurzfristig gestrichen werden müssen.»
Agustoni versteht diese Politik nicht, umso weniger, als Regierungsrat Stephan Attiger doch bei jeder Gelegenheit betonte, wie wichtig das Sisslerfeld für den Kanton sei, dass diesem Industriegebiet zentrale Bedeutung zukomme. «Da muss man jetzt handeln und die ohnehin schon grossen Verkehrsprobleme lösen», ist Agustoni überzeugt.
Der GLP-Politiker aus Rheinfelden vergleicht die Entwicklung im Sisslerfeld kurzerhand mit einem Hausbau: «Es kommt niemandem in den Sinn, zuerst das Haus zu bauen und dann zu schauen, wie er die Wasserleitungen legt.»
Leardini sieht das etwas anders – oder, um bei Agustonis Häusle-Baubild zu bleiben: Die Wasserleitung ist nicht die S1, sondern der Bahnknoten Stein-Säckingen. Dieser erschliesse das Sisslerfeld und «hier hat es stündlich drei Verbindungen je Richtung», so Leardini. Das Angebot auf dem Abschnitt der S1 von Stein nach Laufenburg dagegen tangiere diese Zonen nicht. Gleichwohl: «In den Hauptverkehrszeiten werden am Bahnhof Stein sämtliche Züge aus Basel durch die Buslinien abgenommen. Aus dem Sisslerfeld nach Laufenburg fahren die Busse häufig im 30-Minuten-Takt», erinnert Leardini.
Wann der 30-Minuten-Takt auf der S1 realisiert wird, kann Leardini derzeit nicht abschätzen. Er hält aber generell fest: «Steigt die Nachfrage in den nächsten Jahren massiv an, steigen auch die Chancen für einen Angebotsausbau.»
Agustoni, einen unermüdlichen Kämpfer für den öffentlichen Verkehr, vermögen diese Aussagen nicht zu beruhigen. Das Fricktal wird seiner Ansicht nach öV-mässig vernachlässigt. «Die Attraktivität zum Umsteigen auf die Bahn ist so nicht mehr gegeben», bilanziert er. «Abgesehen davon ist Laufenburg die einzige kantonale S-Bahn-Region mit einem 1-Stunden-Takt.»
Von einer Vernachlässigung will man in Aarau nichts wissen. Ganz im Gegenteil: «Das Angebot der S1 und der beiden IR-Verbindungen ist bereits heute sehr gut», kontert Leardini. So habe beispielsweise Rheinfelden den ganzen Tag über stündlich vier Verbindungen von und nach Basel. «Die S1 war die erste S-Bahn im Kanton Aargau mit den modernen Flirt-Fahrzeugen und die Bahnhöfe sind seit Jahren auf dem neuesten Stand», wirft Leardini in die Waagschale. Und: «Das Fricktal hat zudem mit dem U-Abo sehr günstige Tarife im Vergleich zum Rest des Kantons.»
Agustoni bleibt dabei: «Hier wird definitiv am falschen Ort gespart.» Zudem: «Ich vertrage es schlecht, wenn man einer Region etwas verspricht und dieses Versprechen dann mit dem Hinweis auf die Finanzen bricht.»