Fricktal
Die Aushubdeponien sind bis 2024 voll – liegt die Lösung in Eiken?

Die Aushubdeponien im oberen Fricktal sind bis 2024 gefüllt. Als neuer Standort soll die Eiker «Chremet» im Richtplan festgesetzt werden. Allerdings brachten bereits die GLP, Pro Natura Aargau und der Naturschutzverein Eiken Vorbehalte an, insbesondere beim ökologischen Ausgleich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Vorhaben.

Thomas Wehrli
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Die Deponie für sauberen Aushub im Sisslerfeld. 2024 ist sie voll. Nun schlägt der Regierungsrat vor, den Standort «Chremet» im Richtplan festzusetzen.

Die Deponie für sauberen Aushub im Sisslerfeld. 2024 ist sie voll. Nun schlägt der Regierungsrat vor, den Standort «Chremet» im Richtplan festzusetzen.

Marc Fischer (12. Februar 2020)

Der Bauboom im Fricktal hält an. Das freut die Gemeinden, denn Zuzüger spülen Geld in die Gemeindekasse. Gut, sie kosten zwar auch, da die Infrastruktur angepasst werden muss – im Gesamteffekt bringen sie aber den Gemeinden einen deutlichen (finanziellen) Mehrwert. Der Bauboom freut auch die Wirtschaft, denn vielfach werden regionale Firmen bei den Arbeitsvergaben berücksichtigt.

Nur: Wo gebaut wird, fällt auch Aushub an – und der muss gelagert werden und dies möglichst in der Region, denn lange Fahrten sind sowohl ökologisch wie auch ökonomisch nicht sinnvoll. Aktuell wird sauberer Aushub im oberen Fricktal in der Deponie im Sisslerfeld abgelagert. Die Deponie wird aber bis 2024 gefüllt sein und deshalb braucht es mittelfristig einen Ersatz.

Der Regierungsrat schlägt dem Grossen Rat nun vor, den Standort «Chremet» in Eiken als neues Deponie- und Kiesabbaugebiet im Richtplan festzusetzen. Die Gemeinde und der Regionalplanungsverband befürworten den Standort, die Parteien sind mehrheitlich (mit Vorbehalt) dafür. Die AZ beantwortet 11 Fragen.

1 Wirbelte die Deponiefrage im oberen Fricktal nicht vor einiger Zeit viel Staub auf?

Doch. Vor gut fünf Jahren war als Nachfolgestandort eine Deponie im Gebiet «Buech» zwischen Herznach und Ueken geplant. Dagegen wehrten sich viele Einwohner, gründeten einen Verein – und bodigten das Projekt. Das Festsetzungsverfahren wurde «infolge Widerstand aus der Bevölkerung» abgebrochen. Zur Diskussion standen damals auch weitere Standorte, so einer in Hornussen.

2 Braucht es überhaupt eine neue Deponie?

Ja, wenn das Aushubmaterial aus dem oberen Fricktal auch langfristig in der Region abgelagert werden soll. Denn die bestehenden Deponien sind bis etwa 2024 gefüllt. Pro Jahr fallen im oberen Fricktal rund 140000 Kubikmeter Aushubmaterial an. Da der Bauboom im Fricktal ungebremst anhält, kann auch für die kommenden Jahre mit einem ähnlichen Deponiebedarf gerechnet werden. Die Deponie im Sisslerfeld, in der insgesamt rund 740000 Kubikmeter Aushub Platz haben, war Ende 2019 bereits zu gut einem Drittel gefüllt.

3 Es wird ja auch Kies abgebaut. Reicht dieser Platz nicht für das Aushubmaterial?

Nein, schreibt der Kanton in der Botschaft an den Grossen Rat. Demnach deckt der durch den Kiesabbau entstehende Aushubraum den Bedarf an Deponievolumen im oberen Fricktal nur zu rund 30 Prozent.

4 Woher kommt das Aushubmaterial?

Vier Fünftel stammen aus der Region und dem Kanton. Ein Fünftel aus den umliegenden Kantonen, insbesondere den beiden Basel. Neben der Deponie im Sisslerfeld gibt es in der Region fünf weitere Materialabbaustellen, die danach zur Rekultivierung aufgeschüttet werden.

5 Soll auch in der «Chremet» Kies abgebaut werden?

Ja, es handelt sich um ein kombiniertes Projekt, bei dem auf einem Teil des Areals vorgängig Kies abgebaut wird. Insgesamt sollen in der «Chremet» nach dem Kiesabbau 2,4 Millionen Kubikmeter Aushub deponiert werden. Das Areal umfasst 16,2 Hektare, die mittlere Schutthöhe beträgt 13 Meter. Die Deponie dürfte damit den Deponiebedarf der nächsten knapp 20 Jahre decken.

6 Weshalb eignet sich der Standort?

Der Kanton nennt sechs Gründe. Neben der grundsätzlichen Eignung sei die «Chremet» optimal an die bestehende Verkehrsinfrastruktur angebunden, liege in der Nähe grosser zukünftigen Baugebiete wie dem Sisslerfeld, weise eine relativ grosse Distanz zu bewohntem Siedlungsgebiet auf, beeinträchtige die landschaftliche Werte nur gering und biete Möglichkeiten zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeitsfolgen.

7 Das tönt doch gut. Sind also alle dafür?

Nein. Vorbehaltlos zugestimmt haben der Richtplananpassung in der Vernehmlassung Die Mitte, die FDP und die SVP. Die GLP, Pro Natura Aargau und der Naturschutzverein Eiken brachten Vorbehalte an, insbesondere beim ökologischen Ausgleich. Nein sagen SP, die Grünen, der VCS Aargau sowie der WWF Aargau. Sie hinterfragen den nachgewiesenen regionalen Bedarf sowie die den Berechnungen zugrunde liegende langfristige Zunahme an Entsorgungsvolumen für Aushubmaterial. Die SP schlägt eventualiter vor, den Standort als Vororientierung einzutragen.

8 Wie viel Verkehr generiert die Deponie?

Der Kanton rechnet pro Jahr mit knapp 15000 Transporten, also knapp 30000 Fahrten. Angeliefert wird der Aushub während 225 Tagen pro Jahr. «Somit ergeben sich durchschnittlich rund 66 Ein- und ebensoviele Ausfahrten pro Arbeitstag», rechnet der Kanton vor. Angeliefert wird das Material dabei über die bestehende Zufahrt zum Kies- und Betonwerk der Holcim und zum Zivilschutzzentrum.

9 Wer steht hinter dem Projekt?

Initiantin des Projektes ist die Auffüllungsgesellschaft Sisseln - Münchwilen AGSM, hinter der verschiedene Baufirmen stehen. Der Projektperimeter umfasst zurzeit 62 Parzellen von 27 Grundeigentümern. Mithilfe der zurzeit in Eiken laufenden Gesamtmelioration soll das Grundeigentum arrondiert und unter wenigen Grundeigentümern neu aufgeteilt werden.

10 Wie wirkt sich das Projekt auf die Wirtschaft aus?

Das Vorhaben steigert, so ist in der Botschaft nachzulesen, die ökonomische Leistungsfähigkeit der Gemeinde Eiken mit langfristigen Mehreinnahmen. Kostenmässig positiv wirkt sich die regionale Deponiemöglichkeit auch auf die Transport- und Deponiekosten aus. Das freut die Baufirmen ebenso wie die Bauherren.

11 Wie wirkt sich das Projekt auf die Umwelt aus?

Jeder Eingriff in die Natur hinterlässt sichtbare Spuren. Da beim vorliegenden Projekt Kiesabbau und Deponie verbunden werden, spricht der Kanton von einem haushälterischem Umgang mit dem Boden. Und: «Der gesetzlich gefordert ökologische Ausgleich, der flächengleiche Ersatz für die Waldrodung und die Aufwertungsmassnahmen bezüglich Bodenqualität helfen die Umweltauswirkungen des Projekts auf ein vertretbares Mass zu minimieren, so dass diese insgesamt als neutral beurteilt werden können.»