«Kaninchenjagd oder wenn Dobrowski kommt» heisst das Schauspiel, das den Ort des Geschehens auf eine Müllhalde legt. Die Protagonisten erhielten in der Rolle der zwei Sonderlinge viel Applaus zum Auftakt der Tournee.
Eine Frau sitzt auf einem derangierten Kochherd auf der linken Seite der Bühne, spricht ein paar Sätze und verschwindet über die Treppe nach hinten. Ein Mann kommt herein, setzt sich an den rechten Bühnenrand, während Krähengeschrei und Ambientklänge ertönen. Die Frau ruft einen Namen, kommt wieder zurück und erklärt, ihr sei ein Kaninchen entlaufen – ein Löwenkopf, klein und weiss. Der Mann meint passenderweise, er sei ein alter Hase. Bleibt sonst vorerst wortkarg, im Gegensatz zu der Frau, die Beobachtungen kommentiert und Fragen hat.
Da ist das Schauspiel «Kaninchenjagd oder wenn Dobrowski kommt», dessen Premiere am Freitag im Fricker Kornhauskeller stattfand, höchstens fünf Minuten alt. Fortan bewegt es sich in diesem Rahmen: Zwei Personen, welche die Bühne nicht mehr verlassen.
Sie: Nina, angeblich Sozialpädagogin, jung, attraktiv, im rosa Jäckchen, ideenreich, keck, aufbrausend, mit ein paar Rückschlägen in ihrer Vita. Er: Robert Donald Dobrowski, ein Senior im schwarzen Anzug, das Haar nach hinten glatt gestrichen, jeglicher Illusionen beraubt, dem Wein zugetan, ein ehemaliger Jurist, wie er sagt. Beide sind auf einer Müllhalde gestrandet, sind sich scheinbar zufällig begegnet. Nun sprechen sie miteinander über die Welt, wie sie diese sehen und erfahren, vor allem jedoch über sich selbst.
Zwei alles andere als geradlinige, gut bürgerliche Lebensentwürfe prallen aufeinander. Genau das richtige Terrain für Kaspar Lüscher, der schon mehrfach überzeugend Sonderlinge – zuletzt in «Karl mit Hund» und «Abendstunde im Spätherbst» – gespielt hat. Offenbar auch das richtige Terrain für Mia Lüscher, Absolventin der Freiburger Schauspielschule, seit 2009 auf der Theaterbühne präsent, unter anderem in Stücken wie «Wer hat Angst vor Virginia Woolf?» oder «Nachtbraut», letzteres ein Theaterprojekt ebenfalls mit einer Frau und einem Mann.
Der Unterschied: In «Kaninchenjagd» tritt ihr leibhaftiger Vater auf. Zwei, die sich auch auf der Bühne gefunden haben? Absolut. Mia und Kaspar Lüscher, der das Stück geschrieben hat, ergänzen sich optimal in dem Stück, das zwar handlungsreduziert, jedoch reich an Ideen, Witz und Überraschungen ist. Sich 70 Minuten lang in einem kleinen Raum zu bewegen, Spannung und eine Geschichte mit unerwartetem Ende aufzubauen, ist eine Kunst, die Mia und Kaspar Lüscher durchweg gelingt. Das Konzept «Weniger ist mehr» geht auf. Dazu hat auch Regisseurin Kaija Ledergerber beigetragen.
Anfänglich tasten die Akteure sich verbal gegenseitig ab, halten Distanz, umkreisen sich, kommen sich erst näher, um einen Schnupf einzunehmen. Sie führen einen Dialog, der ihre Persönlichkeiten mit zunehmender Dauer freilegt und ihre Verwundbarkeit zeigt. Oft weicht Dobrowski Ninas Fragen aus, wechselt das Thema, wenn ihm etwas nicht behagt. Sie hingegen sucht zahnholzkauend nach Antworten, auch in sich selbst, aber so, dass alle mithören können. Dass ausgerechnet eine Müllhalde der Ort der Handlung ist, verleiht dem Stück zusätzliche Brisanz. Das Kaninchen bleibt fiktiv, vielleicht wie vieles von dem Gesagten.
Gegen Schluss wird es stiller, eine Vorahnung zieht auf, bis etwas Unerwartetes geschieht. Was, kann noch am Montag, Dienstag und Mittwoch, 1. bis 3. November, im Kornhauskeller herausgefunden werden. Beginn der Vorstellungen ist jeweils um 20.15 Uhr.