Enza Iacona beobachtet am Abend des 6. Juni auf der Fricker Hauptstrasse einen aggressiven Mann. Als dieser ihre Angehörigen fremdenfeindlich beleidigt und schlägt, ruft sie die Polizei. Doch ihre Erwartung, dass diese den Mann festnimmt, erfüllt sich nicht. Sie hat für deren Vorgehen kein Verständnis.
Die Kantonspolizei Aargau war am Dienstag gleich mit mehreren Patrouillen im Einsatz. Kastenwagen und Zivilfahrzeuge waren in der Hauptstrasse rund um die UBS-Filiale abgestellt, diese war weiträumig abgesperrt.
Anwohnerin Enza Iacona hatte den Polizeieinsatz mit ihrem Anruf auf der 117 am Dienstagabend um 19.47 Uhr ausgelöst. Dem Anruf war eine Begegnung mit einem laut Iacona herumschreienden und um sich schlagenden Mann vorausgegangen. Auf Zurufe, sich vom Haus zu entfernen, habe der Mann nicht reagiert.
Dieser, sagt sie gegenüber der AZ, habe aus heiterem Himmel und ohne Grund ihren Mann und ihre zwei Schwager als «Scheiss-Ausländer» beleidigt. Sie seien gerade mit dem Lieferwagen angefahren und ausgestiegen, als die Beschimpfungen begannen. Der Täter habe die Männer auch tätlich angegangen und geschlagen, erzählt sie.
Die Kantonspolizei sei dann auch mit einer ersten Patrouille rasch vor Ort gewesen und habe den Bereich weiträumig abgesperrt, sagt sie weiter. Doch in ihre Wohnung zurückzukehren, sei der Familie nicht erlaubt worden. Als Begründung sei ihnen gesagt worden, dass so der Täter nicht weiter provoziert werde.
Es sei ihnen zugesichert worden, dass sich jemand seitens der Kantonspolizei um sie kümmert. Doch sie seien alleingelassen worden und niemand habe sie betreut.
«Wir sind davon ausgegangen, dass die Polizei den Täter stellt und ihn aufs Revier mitnimmt», erzählt sie weiter. Doch die Kantonspolizei habe den Mann nicht in Gewahrsam genommen und ihn stattdessen vor dem Haus auf dem Trottoir sitzen lassen.
Kapo-Mediensprecher Daniel Wächter bestätigt das und räumt ein, dass es schon «speziell» gewesen sei, dass der Täter vor Ort geblieben ist. Letztlich habe es sich aber nur um Tätlichkeiten gehandelt, für die «niemand verhaftet» werde. Da müsse man auf die Verhältnismässigkeit achten. Und da die Geschädigten auf eine Anzeige verzichtet hätten, fehle auch das für eine Verfolgung nötige Delikt, so Wächter. Da seien der Kapo «die Hände gebunden». Dazu, ob der Mann Waffen bei sich hatte, kann Wächter keine Auskunft geben.
«Wenn wir gewusst hätten, dass die Polizei ihn nicht mitnimmt, hätten wir natürlich Anzeige gegen den Täter gestellt», sagt Iacona. «Wir waren fest davon ausgegangen, dass dies passiert.» Nur deswegen habe ihr Mann auf dem Fricker Polizeirevier auch unterschrieben, auf eine Anzeige zu verzichten. Aber jetzt wolle sie sich erkundigen, ob die Anzeige noch nachträglich gestellt werden kann. Wächter sagt, dass der Verzicht wohl endgültig sei.
Auch einen Tag nach dem Vorfall ist Enza Iacona noch immer empört und aufgewühlt. Sie sagt: «Für das Vorgehen der Polizei habe ich null Verständnis. Ich habe grosse Angst.»