Gleich drei Gemeinderäte demissionieren auf einmal: Weil das Vertrauen in den Gemeindeammann fehlt, haben sie ihren Rücktritt eingereicht. Der Kanton hat eine Untersuchung eingeleitet. Was läuft in der Fricktaler Gemeinde Ueken falsch?
Im Gemeinderat Ueken ist der Wurm drin: Gleich drei Gemeinderäte – Vizeammann Karlheinz Lenzke sowie die Gemeinderäte Marco Mayr und Max Ries – haben im August beim Kanton ihre Demission eingereicht. Sie begründen ihr Rücktrittsgesuch «mit einem Vertrauensverlust gegenüber dem Gemeindeammann», wie es in einer Mitteilung heisst.
Der Kanton hat inzwischen eine Untersuchung eingeleitet und die drei Rücktrittsgesuche «bis auf Weiteres» sistiert. Dieses Vorgehen ist laut Martin Süess, Leiter Rechtsdienst bei der Gemeindeabteilung, bei einer derartigen Massierung von Rücktritten üblich. «Mehrfachrücktritte deuten darauf hin, dass in einer Gemeinde etwas nicht in Ordnung ist», so Süess. Ein Fall, wie ihn nun Ueken derzeit erlebt, «ist aber schon die Ausnahme».
Der Kanton hat eine «unabhängige Drittperson» mit der Untersuchung beauftragt. Diese hat die Arbeit inzwischen aufgenommen. Mit ersten Ergebnissen rechnet Süess «in ein bis zwei Monaten».
Doch weshalb ist im Ueker Gemeinderat derart Feuer im Dach? Die Beteiligten geben sich wortkarg und verweisen auf das «laufende Verfahren». Recherchen der az zeigen aber: Ein Faktor ist der Führungsstil des Gemeindeammanns. Stefan Bühler wird von Personen, die mit ihm zusammenarbeiten, als «ruhig» und «sachlich», aber auch als «führungsschwach» beschrieben. Zudem, so sagt ein Ueker, gelte Bühler als «Kontrollfreak», der auch schon mal bei der Schule nachprüfe, ob die parkierten Autos dort auch hingehören.
Auf Nachfrage bestätigt Marco Mayr: «Die Differenzen betreffen auch den Führungsstil des Gemeindeammanns.» Und Ratskollege Giacomo Ruggaber, der nicht aktiv in die Causa involviert ist, sagt, dass «unterschiedliche Vorstellungen von Führen» für die Differenzen (mit-)verantwortlich sind. Bühler selber bestreitet, dass er ein Führungsproblem hat, sagt aber: «Jeder führt anders.» Er sieht den Vertrauensverlust zudem beidseitig.
Ob und wie weit auch inhaltliche Differenzen zum Bruch geführt haben, lässt sich derzeit nicht sagen. Mehrere Befragte stellen diese aber in Abrede. So wird ein Zusammenhang mit der geplanten, auch in Ueken heftig umstrittenen, Deponie Buech in Herznach ebenso verneint, wie dass es irgendwelche «Leichen» im Dorf gebe. «Das ist nicht der Fall», sagt Bühler dazu. Allerdings scheint es bei der Deponiefrage zumindest zu Spannungen innerhalb des Gremiums gekommen zu sein, weil Bühler als Vorstandsmitglied des Planungsverbandes Fricktal Regio in die Standortsuche mitinvolviert war, der Gemeinderat die Saubermaterialdeponie aber klar ablehnt.
Entstanden ist das Problem, das zeigen die Gespräche ebenfalls, nicht von heute auf morgen. «Der Gemeindeammann ist in zentralen Fragen anderer Ansicht als die Mehrheit des Gremiums», sagt Mayr. Eine interne Lösung sei auch daran gescheitert, dass sich Bühler nicht bewegt habe. «Er hält an seiner Position fest. Deshalb haben wir drei den Schritt getan und unseren Rücktritt eingereicht.» Ziel sei es, «Bewegung in die verworrene Situation zu bringen».
Dies passiert nun, nolens volens. Wie der Konflikt ausgeht, ist offen. Bühler sagt: «Ein Rücktritt steht für mich nicht zur Debatte.» Er sei von seinen Wählern für vier Jahre gewählt und wolle die Amtsperiode auch beenden. Die drei Zurückgetretenen ihrerseits lassen sich nicht in die Karten blicken, doch schimmert durch, dass sie – je nach Ergebnis der Untersuchung – auch auf ihren Entscheid zurückkommen könnten. Mit anderen Worten: Ein Rücktritt vom Rücktritt ist zumindest nicht ausgeschlossen.
Die Untersuchung, die entweder von einem Juristen oder einem Personalführungs-Fachmann geführt wird, ist laut Süess «völlig ergebnisoffen». Sie kann also, rein hypothetisch, zum Schluss kommen, dass die drei Rücktritte der beste Weg für Ueken sind. Sie kann aber auch, ebenso hypothetisch, zum Ergebnis kommen, dass der Gemeinde am meisten gedient wäre, wenn der Gemeindeammann abtritt. Süess lässt sich nicht auf eine Spekulation ein, sagt aber generell: «Der Kanton hat bislang noch nie eine Demission angeordnet.» In einem anderen Fall, beim Wohler Gemeindeammann Walter Dubler, hat der Kanton indes eine Administrativuntersuchung veranlasst. Diese kann, im äussersten Fall, zu einer Amtsenthebung führen.
So weit wird es kaum kommen. Die Beteiligten bestätigen unisono, dass das Tagesgeschäft normal weiter läuft. Die Gemeinderatssitzungen finden im üblichen Rahmen statt. Allerdings werden einige Themen vorerst ausgeklammert. Mayr sagt: «Ich stehe weiterhin in der Verantwortung und führe mein Amt bis zum Abschluss der Untersuchung vollumfänglich aus.» Gleich sieht es Vizeammann Karlheinz Lenzke.
Wie lange es dauert, bis eine Lösung auf dem Tisch liegt, ist derzeit offen. Laut Süess liegt es nun am beigezogenen Experten, mit den Beteiligten zu reden. Er kann, sollte er es für nötig erachten, auch Mitarbeiter der Verwaltung befragen. Süess stützt damit indirekt eine Aussage eines Uekers, der die Stimmung in der Verwaltung als «suboptimal» wahrnimmt.
Mehrere Befragte hoffen, nein, erwarten, dass eine Lösung bis spätestens Ende Jahr gefunden ist. Auch Bühler hofft auf eine «gute Entscheidung, wie auch immer sie herauskommt».
Das ist Ueken zu wünschen, denn am Horizont zeichnet sich bereits ein weiterer Rücktritt ab: Giacomo Ruggaber will seinen Wohnsitz im zweiten Halbjahr 2016 nach Stein verlegen. Nicht, weil es ihm in Ueken nicht gefällt, sondern weil er hier ein Haus gefunden hat, in dem der gesamte Wohnbereich auf einem Stockwerk liegt.