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Das 270-Seelen-Dorf Elfingen verliert in wenigen Wochen ihr einziges Restaurant. Doch nicht nur das: Der «Sternen» ist schweizweit für seine Rösti bekannt. Warum schmeissen die Wirte so schnell den Bettel hin?
Erst vor einem Monat machte der «Tages-Anzeiger» auf der Suche nach der perfekten Rösti im Restaurant Sternen in Elfingen Halt und entlockte dem Wirt das Geheimnis seiner Hausspezialität. Im August veröffentlichte die «Basler Zeitung» einen Bericht unter dem Titel «Sternstunde in der Weinstube» und huldigte dem Specksalat, der jeweils mit Bauernbrot aus dem eigenen Holzofen serviert wird.
Als die Elfinger Stimmbürger am vergangenen Freitag nach der Gemeindeversammlung, wie gewohnt, im «Sternen» einkehrten, ahnte noch niemand, dass es diesen gemütlichen Treffpunkt nach der nächsten Gmeind nicht mehr geben wird. Die 270-Seelen-Gemeinde verliert in neun Wochen das einzige Restaurant.
Heidi und Emil Dätwiler haben sich erst vor wenigen Tagen entschieden, den «Sternen» Ende Januar definitiv zu schliessen. Seit gut einem Jahr hat das Wirtepaar einen Nachfolger gesucht. «Hätte sich eine Nachfolge abgezeichnet, wäre ich bereit gewesen, noch weiterzuarbeiten», sagt Emil Dätwiler. Am 5. Dezember wird er 65 Jahre alt. Doch es kam anders. Heidi Dätwiler musste sich vor sechs Wochen aufgrund akuter gesundheitlicher Probleme einer Operation unterziehen. «Die Ärzte haben mir geraten, mein Leben umzukrempeln. Das war für mich wie ein Schuss vor den Bug», sagt die 58-jährige Wirtin und schüttelt den Kopf. Dieser Entscheid ist ihr und ihrem Ehemann sehr schwer gefallen.
Bereits vor zweieinhalb Jahren erlitt Heidi eine Herzkrise. Das kinderlose Wirtepaar, das den «Sternen» in vierter Generation führt, entschloss sich damals, einen Gang tiefer zu schalten und die Öffnungszeiten von fünf auf zweieinhalb Tage zu reduzieren. In der Folge war das Restaurant am Freitagabend sowie samstags und sonntags den ganzen Tag geöffnet. Dätwilers setzten auf ihre treuen Aushilfen. Die meisten Stammgäste hatten Verständnis für diese Änderung. Die Qualität litt nicht.
Im Gegenteil: Die Gäste kommen noch immer aus der ganzen Schweiz – sei es für einen feinen Wurstsalat, ein Glas Wein aus dem eigenen Rebberg, ein Schweinsschnitzel oder Geschnetzeltes mit dieser berühmten Rösti und ihrer wunderbaren Kruste. In diesen Tagen stehen Wildgerichte mit Spätzli auf der Karte. Wenn immer möglich, geht Emil selber auf die Jagd.
Heidi und Emil Dätwiler sind ein eingespieltes Team. Als sie 1982 heirateten, absolvierte Heidi während dreier Monate einen Wirtekurs. Im elterlichen Betrieb hatte sie bereits genügend Erfahrung gesammelt. Lastwagenchauffeur Emil, der sich aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung beruflich sowieso neu orientieren musste, verbrachte diese Zeit mit seiner Schwiegermutter Flora in der «Sternen»-Küche. Dort brachte sie ihm das Handwerk für die gute Landküche bei.
Und als ob das noch nicht gereicht hätte, wurde Emil vom Schwiegervater Peter Käser in den Rebbau und später in die Jagd eingeführt. Seit über 30 Jahren steht der gebürtige Bözberger nun in der Küche. Zuerst hatten Dätwilers den «Sternen» gepachtet, später haben sie ihn gekauft. Die Menükarte wurde in dieser Zeit leicht modifiziert. «Früher gab es nur am Sonntag Pommes frites.»
Emil ist der ruhende Pol, der stille Krampfer und der Optimist: «Ich habe Freude, wenn ich etwas Gutes kochen kann und dafür gelobt werde. Zudem schätze ich die Selbstständigkeit und den Kontakt zu den Gästen.» Wirtin Heidi ist die gute Seele der Weinstube. Sie nimmt sich Zeit für einen Schwatz, hört aufmerksam zu und sorgt dafür, dass sich alle Gäste gut aufgehoben fühlen. «Mir tut es so leid, dass wir aufhören müssen. Ich würde am liebsten jeden Gast persönlich anrufen und ihm die Neuigkeit mitteilen.» Im Januar komme übrigens der Rheinfelder Männerchor zum 85. Mal auf dem jährlichen Elfinger Bummel in den «Sternen», sagt sie stolz. Schon deshalb wollte sie das Restaurant nicht zum Jahresende schliessen.
Dätwilers werden also noch einmal das traditionelle Menü bestehend aus Weisskabissalat mit Baumnüssen, heissem Beinschinken, Dörrbohnen und Rösti für die Rheinfelder kochen. Und wie geht es Ende Januar weiter, wenn der «Sternen» leer steht? «Wir werden uns neu organisieren und wollen nichts überstürzen. Aber eigentlich haben wir keine Ahnung, wie es weitergeht», sagt das Wirtepaar und zuckt die Schultern.