Mumpf
Die Frau, die fast vergessen ging

Mathilde Riede-Hurt stickte ihre Sorgen, Ängste und Sehnsüchte nach ihrem Heimatort Mumpf in Teppiche. Gerhard Trottmann stellt einen Teil ihrer Werke ab Januar aus und erzählt aus dem Leben einer faszinierenden Frau.

Sarah Serafini
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Es ist wohl die ungespielte Begeisterung, die Gerhard Trottmann antreibt. Antreibt, um der Mumpfer Gemeinde eine Geschichte näherzubringen, die beinahe in Vergessenheit geraten ist. Es ist die Geschichte der Mumpfer Kunststickerin Mathilde Riede-Hurt, deren Todestag sich dieses Jahr zum 25. Mal jährte. Ihr zu Ehren hat Trottmann den Ausstellungssaal der Mehrzweckanlage Bruggmatt in Mumpf zu einem kleinen Museum umfunktioniert. Am 1. Januar ab 16 Uhr ist Vernissage.

«Wir sollten nicht nur vorwärtsschauen», sagt Trottmann. «Unsere Geschichte besteht aus vielen Löchern. Diese gilt es zu stopfen.» Eines der Löcher in der Geschichte von Mumpf hat sich der pensionierte Lehrer jetzt angenommen.

Es war der Zufall, der Trottmann zu der Künstlerin Mathilde Riede geführt hat. Eine Kollegin erzählte ihm von der Frau, die in Mumpf aufgewachsen war und während des Zweiten Weltkriegs mit ihrem Mann in Deutschland lebte. Trottmann begann sich über das Leben von Riede zu informieren, war fasziniert und staunte, dass man in Mumpf so wenig von der Künstlerin wusste. Er nahm Kontakt auf zu den zwei Kindern von Riede. Zweimal traf er die 78-jährige Tochter an ihrem Wohnort Spiez, einmal kam sie nach Mumpf. Sie gewährte Trottmann einen Einblick in das Schaffen von Riede, zeigte ihm Auszüge aus ihrem Tagebuch, die Bildteppiche, die ihre Mutter während des Zweiten Weltkrieges in stundenlanger Arbeit gestickt hatte.

Trottmann hatte das Gefühl, auf einen verstaubten Schatz gestossen zu sein. Mathilde Riede, 1906 in Mumpf geboren, machte eine Ausbildung als Handarbeitslehrerin. 1934 heiratete sie den Deutschen Josef Riede und zog mit ihm nach Ludwigshafen. Dadurch verlor sie das Schweizer Bürgerrecht. Sie rebellierte auf ihre Art gegen das Naziregime Deutschlands. Laut Trottmann habe ihr Sohn einst erzählt, dass sie bei einem Besuch von Hitler in Ludwigshafen aufgefordert wurde, eine Hakenkreuz-Fahne aufzuhängen. Sie habe sich geweigert und eine lange Unterhose aufgehängt.

Ihre Ängste, Sorgen und Sehnsüchte nach zu Hause verwob Riede in Stoffe. Sie erfand neue Stiche, viel komplexer als der normale Kreuzstich, sodass Bildteppiche entstanden, die nicht nur durch die Geschichten, die sie erzählen, überraschen, sondern auch durch ihre Machart. Da der Grundstoff so dicht bestickt ist, haben die Bilder von Riede beinahe eine dreidimensionale Wirkung. Trottmann sagt, dass Riede wohl stundenlang gesessen und Stich für Stich gemacht haben muss. «Eine unvorstellbar harte Arbeit.»

Als Riede nach traumatischen Kriegsjahren in die Schweiz zurückkehrte, fand sie ein anderes Fricktal vor als dasjenige, das sie verlassen hatte. Trottmann zitiert einen Textabschnitt aus ihrem Tagebuch: «Merkwürdig, ich war die Einzige, die nichts an Fricktalertum verloren hatte, und dennoch war ich eine Fremde im eigenen Dorf. Was ging alles verloren?» Riedes Leben und ihre Kunstwerke seien eng verbunden mit ihrem Lebenslauf, so Trottmann. Die Ausstellung mit den 27 Teppichen, Bildern und satirischen Gedichten gibt den Blick frei auf eine starke Mumpfer Persönlichkeit.