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Bernadette Favre, Anton Mösch und Rudolf Lüscher sind Politdinosaurier und lebten während Jahrzehnten mit und für die Politik. Alle drei waren 20 und mehr Jahre lang Ammann und politisierten jahrelang im Grossrat. Ein Blick in ihre Nach-Politik-Zeit.
Rudolf Lüscher: Auch nach seinem Rücktritt rührt er in vielen Töpfen
Laufenburg Rudolf Lüscher stürzte sich förmlich in die Zeit nach der Politik: An der Fasnacht 2014, der ersten nach 20 Jahren, an der er nicht als Stadtammann fungierte, stürzte der begeisterte Fasnächtler so unglücklich auf die Schulter, dass er die nächsten 90 Tage mit den Folgen zu kämpfen hatte. «So hatte ich mir das Loslassen nicht vorgestellt», meint er schmunzelnd. Schnitzelbänke an der Fasnacht sind ihm gewiss.
Das Loslassen des Amtes fiel ihm hingegen nicht sonderlich schwer. Weil er spürte, dass «man nicht jünger wird», weil er wusste, dass er noch anderes erleben möchte. Vor allem aber: weil er sah, dass sein «Kind», die Fusion von Laufenburg und Sulz, heranwuchs «und viel Freude bereitet».
Er habe genügend Zeit gehabt, sich auf die Zeit nach der Politik vorzubereiten und sei deshalb in kein Loch gefallen. Dabei war für den 62-jährigen Bähnler viererlei klar: erstens, dass der berufliche Zug weiterrollt. Zweitens, dass er Aufgaben behält, die nicht direkt mit dem Amt als Stadtammann zu tun haben. So engagiert er sich weiter in der Ortsbürgerkommission, beim Jurapark Aargau, im Förderverein des Gesundheitszentrums Fricktal und bei Laufenburg Tourismus. Drittens, dass er sich Zeit für all das nimmt, was in den letzten Jahren zu kurz gekommen ist. Dazu gehört das Kochen («ich koche leidenschaftlich gern»), das Zuhausesein («ich geniesse es, auch einmal ein Buch zu lesen») oder eben die Fasnacht: Seit Februar ist Lüscher Zunftbruder der Narro-alt-Fischerzunft.
Vierte Gewissheit war, dass gar keine Zeit bleibt, in ein Loch zu fallen. Denn in den letzten Monaten trieb ihn und seine Frau Bernadette ein anderes Projekt um und an: der Umzug vom Einfamilienhaus, in dem die Familie seit 20 Jahren lebt, in die Eigentumswohnung im «Rhypark». Ende November ist es so weit. «Wir freuen uns riesig», erklärt Lüscher. «Für uns beginnt damit ein neues Kapitel in einem Quartier, das neu entsteht.»
Vor der «Verkleinerung» auf viereinhalb Zimmer hat Lüscher keine Angst. «Für uns reicht es – und auch für unsere Enkelkinder hat es reichlich Platz, wenn sie uns besuchen.» Darauf, die Enkel («das vierte ist unterwegs») aufwachsen zu sehen, sie in der Nähe zu wissen, freut sich Lüscher am meisten.
Bernadette Favre: nimmt sich die Zeit für sich und die Zweisamkeit
Wallbach «Möchtest du nicht», hörte Bernadette Favre oft, als sie vor rund drei Jahren bekannt gab, auf Ende 2013 als Frau Gemeindeammann zu demissionieren, «möchtest du dann nicht bei uns mitmachen?» Sie dankte – und lehnte ab. «Nach 20 Jahren als Ammann wollte ich einfach mal schauen, ob ich ein bis zwei Jahre nichts machen kann.» Nur sein, die Freizeit neben ihrem 80-Prozent-Job geniessen, die Zweisamkeit mit ihrem Mann Pierre-Alain leben.
Und? Wie sieht die Zwischenbilanz nach bald einem Jahr «Nichts» aus? Favre lacht. «Ich hatte nie Angst, in ein Loch zu fallen, und habe kein Problem mit dem Mehr an freier Zeit. Ich geniesse das Leben und die Zweisamkeit in vollen Zügen.» Vor allem auch die Abende und Wochenenden, die früher vielfach für die Gemeinde verplant waren. «Heute kann ich auch einmal nichts tun, mich in einem Buch verlieren oder in Ruhe Fernsehschauen.» Ihren Vorsatz jedoch, nach dem Rücktritt mit dem Malen zu beginnen, «habe ich noch nicht umgesetzt».
Missen möchte Favre ihre Zeit als Frau Gemeindeammann nicht. «Das Amt hat mein Leben bereichert und ich zehre bis heute davon.» Manchmal, ja, da zehrte das Amt auch gehörig an ihr und ihren Nerven. Dann jeweils, wenn sie wieder «die Böse» war, weil sie einen Entscheid durchsetzen musste. Oder wenn der Gemeinderat eine andere Auffassung als ein Teil seiner Bürger vertrat. «Der Respekt gegenüber einer Amtsperson war früher schon grösser als heute», hat sie festgestellt. Dennoch kann sie jedem raten, sich auf das Abenteuer Gemeinderat einzulassen. «Man lernt viel dabei und kann vieles für die Gemeinde anstossen.»
Obwohl sich Favre (vorerst) aus allen Gremien zurückgezogen hat – die Dorfpolitik und -entwicklung verfolgt sie natürlich dennoch «sehr aufmerksam» weiter. Sie lacht. «Manchmal ist es schon noch ein komisches Gefühl, wenn ich die Neuigkeiten aus der Gemeinde in der Zeitung lesen muss und nicht mehr im Vorfeld weiss.»
Natürlich werde sie ihre Meinung auch künftig sagen. «Aber ich werde sicher nie an einer Gemeindeversammlung aufstehen und gegen den Gemeinderat wettern – weil ich aus eigener Erfahrung weiss, wie unschön das ist.»
Anton Mösch: mit viel Schwung in den Ruhestand
Frick Der Abschlag in Richtung «politischen Ruhestand» fiel Anton Mösch «erstaunlich leicht», sagt er 11 Monate danach. Er, der Vollblut-Ammann, der 24 Jahre fast Tag und Nacht für die Gemeinde da war, «vermisste das Amt nicht einen Tag lang». Geholfen hat ihm dabei sicherlich, dass er schon vier Jahre vorher wusste: Ende 2013 ist Schluss. «Ich hatte also genügend Zeit, mich auf die Zeit nach der Politik vorzubereiten.» Geholfen hat auch, dass er Ende 2013 nur in «Teil-Pension» ging – noch bis Ende Dezember arbeitet Mösch zu 57 Prozent für die Spitex Regio Frick.
Eingelocht hat Mösch seinen letzten Ball als Gemeindeammann am 31. Dezember um Punkt Mitternacht. «Ich war bei meinem Nachfolger Daniel Suter eingeladen und übergab ihm beim letzten Glockenschlag den Passepartout für das Gemeindehaus.»
Auf Schläge ganz anderer Natur will sich Mösch ab kommendem Jahr vermehrt konzentrieren: «Man wird mich noch deutlich öfters auf den Golfplätzen in Frick und Rickenbach antreffen», freut sich der 65-Jährige, für den das Golfen «meine ganz grosse Passion» ist. Eine zweite ist das Jassen: Seit 1973 mischt er im Fricker Jassclub «Dam-Blutt» kräftig mit.
Wie er die Mehrzeit, die ihm nach der Pensionierung bleibt, ausfüllen will, lässt er bewusst offen. «Ich schaue sukzessive, was ich mache.» Dieses Auf-sich-zukommen-Lassen liegt auch daran, dass die Agenda in seinen Jahren als Ammann stark fremdbestimmt war. «Es ist schön, nicht mehr fast jeden Abend eingespannt zu sein.» Die Verantwortung als Ammann habe er immer gerne getragen. Dennoch erlebte er es «als eine Art Befreiungsschlag», sich nicht mehr Tag und Nacht um die Gemeinde kümmern zu müssen.
Ein politischer Mensch wird Mösch bleiben. Er werde als «normaler Bürger» an die Gemeindeversammlung gehen und auch seine Meinung sagen, wenn er gefragt werde. «In den Rücken fallen werde ich dem Gremium aber sicher nie.» Das passt auch zu dem Rat, den er Suter mit auf den Weg gab: «Frage nicht zu viel, setze deine Ideen um.»
Eine Mösch’sche Vision ist ein Bezirk Laufenburg mit nur noch zwei politischen Gemeinden – Frick und Laufenburg. Ob dies je Realität wird? Oder Illusion bleibt? Mösch zuckt die Schultern. Der Ball liegt jetzt bei anderen.