Startseite
Aargau
Fricktal
Die Coronapandemie hat auch das Leben der Jungen radikal verändert. Wie kommen sie durch die Krise und was erwarten sie von der Politik? Für Alena Häseli (23) hatte die Politik bislang die Auswirkungen für junge Menschen zu wenig auf dem Radar und Cedric Meyer (19) warnt: «So wird die Generation von morgen zerstört.»
Die Schweizer haben seit Montag ein kleines Stück Normalität zurück. Die Restaurants dürfen ihre Terrassen öffnen und auch kulturelle Veranstaltungen sind, mit grossen Einschränkungen, wieder erlaubt. Reicht das? Was sagt die Jugend zum bisherigen Coronaregime der Schweiz und zu den Öffnungsschritten? Die AZ befragt in einer Serie junge Fricktalerinnen und Fricktaler, wie sie die Situation erleben.
Alena Häseli studiert Rechtswissenschaften und jobbt als Barkeeperin. Die 23-Jährige ist in Gipf-Oberfrick aufgewachsen und gehört dem Vorstand der SP Frauen Aargau an, ist Mitglied der Juso und der SP Aargau. Sie sagt zur bisherigen Coronapolitik: «Die Politik war sich bisher zu wenig bewusst, was für Auswirkungen die Situation für junge Menschen hat.» Noch pointierter formuliert es Cedric Meyer: «Für die Jungen wurde gar nichts getan.» Der 19-jährige Gymnasiast ist Vizepräsident SVP Bezirk Rheinfelden und Vizepräsident Jugendparlament Aargau. Er lebt in Rheinfelden.
Hat die Coronakrise aus Ihrer Warte junge Menschen vermehrt politisiert?
Alena Häseli: Ich denke, die Coronakrise hat junge Menschen definitiv mehr politisiert, dadurch, dass politische Themen und Fragen allgegenwärtig sind. Somit ist das Grundverständnis, was Politikerinnen und Politiker machen und wie der Staat funktioniert, ziemlich sicher bei vielen nun geläufiger. Vor allem denke ich, dass Corona viele Menschen politisch erreicht hat, die sich nicht schon davor allgemein, durch die Klimakrise oder die Gleichstellungsdebatte politisiert haben.
Cedric Meyer: Die Covid-19-Pandemie hat definitiv die politische Partizipation der Jugendlichen gefördert, denn durch die Krise werden die Jugendlichen indirekt aufgefordert, sich mit der Politik zu befassen und sich eigene Meinungen zu den unterschiedlichsten Entscheidungen zu bilden.
Wie erleben Sie gleichaltrige Menschen in der Pandemie?
Häseli: Gemischt. Es gibt wie in allen Altersgruppen Menschen, die sich sehr gut an die Massnahmen halten in der Hoffnung, Corona schnellstmöglich zu besiegen und bald zur Normalität zurückzukehren. Und dann gibt es natürlich die anderen, die sich bereits jetzt gegen die Massnahmen stellen und sich so ihre Normalität schon zurückholen. In den Medien wird momentan suggeriert und viel davon berichtet, dass sich die jungen Leute nicht an die Massnahmen halten. Meiner Wahrnehmung nach verhält sich die junge Generation im Grossen und Ganzen vernünftiger als die Älteren.
Meyer: Die Jugendlichen sind verzweifelt. Ein grosser Teil möchte gern wieder in ein Gasthaus gehen, befreundete Lehrlinge nerven sich, dass sie nicht normal Mittagessen gehen können und die sportlichen Aktivitäten fehlen komplett.
Was fehlt den Jungen aktuell am meisten?
Häseli: Ich denke, die Perspektive und das Freiheitsgefühl der Jugend. Ob es um Jobsuche, Ausbildung, Reisen oder einfach spontane Treffen geht, alles ist zurzeit erschwert.
Meyer: Den Jungen in meinem Alter fehlt der Sport und eine Beschäftigung in der Freizeit. Aus diesem Grund sieht man auch aktuell mehr Jugendliche, die sich mit Alkohol vergnügen und so die Pandemie vergessen wollen. Wenn man rausgeht, sieht man Jugendliche, die verwahrlosen, und so wird die Generation von Morgen zerstört.
Was vermissen Sie selber am meisten?
Häseli: Unbeschwert die Familie oder Freundinnen und Freunde zu treffen und einen «normalen» Studiumsalltag. Ein Studium komplett isoliert und online ist einfach schwierig.
Meyer: Ich selber vermisse die sozialen Kontakte, sprich: Veranstaltungen, egal welcher Natur, und die Möglichkeit, in ein Restaurant essen zu gehen. Dadurch fehlt die Geselligkeit und man wird leicht introvertiert.
Man hört immer wieder einmal: Die Jugend verpasst durch den Lockdown wichtige Zeiten der Freiheit. Stimmen Sie diesem Befund zu?
Häseli: Ja, ich denke, für die Jugendlichen ist das soziale Leben besonders wichtig. Die Jugend ist eine wichtige Zeit, um Leute kennen zu lernen, sich auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln. Spontane, ausgelassene und unbeschwerte Treffen sind kaum möglich.
Meyer: Da stimme ich klar zu, denn durch die Pandemie wird der Jugend das «Recht zum Leben» genommen. Es kann doch nicht sein, dass die Schweiz die zukünftige Generation verheizt und so den Wohlstand der Schweiz gefährdet. Aber man muss auch klar sagen, dass wir in einer Konsumgesellschaft und in Wohlstand leben und uns nichts anderes gewöhnt sind. Aber grundsätzlich müssen nun die Jugendlichen besänftigt werden, ansonsten wird es in der ganzen Schweiz demnächst Aufstände wie in St. Gallen geben.
Für wie wichtig halten Sie die aktuell beschlossenen Öffnungsschritte mit Blick auf die junge Generation?
Häseli: Für die kurzzeitige Perspektive und Psyche ist es bestimmt wichtig und gut, dass viele Freizeitaktivitäten wieder erlaubt sind. Ich bin allerdings der Meinung, dass die epidemiologische Lage noch nicht genügend stabil ist für Lockerungen. Ich finde es etwas fragwürdig, dass unsere Nachbarländer so viel strengere Massnahmen beschliessen und die Schweiz mit Öffnungsschritten fortfährt, trotz ähnlicher Inzidenz. Somit werden erneut unnötige Tode, überlastete Spitäler und ein erneuter langer und harter Lockdown riskiert, was für die junge Generation – sowie für die ganze Bevölkerung – viel schlimmer wäre.
Meyer: Sehr wichtig, aber die Schritte reichen nicht aus, es müssen endlich klare Öffnungsschritte her, damit die Schweiz wieder leben kann, denn alle Bürgerinnen und Bürger werden durch diese Pandemie beeinträchtigt.
Was erwarten Sie von der Politik bezüglich weiterer Schritte?
Häseli: Dass nicht die Wirtschaft und Profite vor die Gesundheit der Bevölkerung gestellt werden. Ich erwarte, dass die weiteren Schritte nicht zu schnell geschehen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die darunter leiden, dafür entsprechend entschädigt werden.
Meyer: Sportaktivitäten müssen wieder erlaubt und die Gastronomie muss vollständig geöffnet werden. Dadurch wird die Wirtschaft und die Jugend nicht weitere Probleme haben und so bleiben Existenzen bewahrt. Wir müssen nun endlich die Realität einsehen und können nicht so eine Wischiwaschi-Politik von Herrn Berset und den Mitte-links-Bundesräten weiterführen. Es müssen klare Massnahmen und Lockerungen durchgesetzt werden.
Wie beurteilen Sie die bisherige Coronapolitik?
Häseli: Dem Kapital wurde viel zu viel Gehör gegeben. Es wurde nicht auf die Wissenschaft und die Personen an der Front gehört und zu viel Verantwortung auf das Pflegepersonal und andere systemrelevante Berufsgruppen geschoben. Bedankt hat sich der Staat dann aber mit Hilfszahlungen an grosse Konzerne. Ausserdem wurde der Graben zwischen Reich und Arm vergrössert durch fragwürdige Hilfeleistungsregeln. Die Zweiklassengesellschaft bekam einen neuen Aufschwung. Warum durfte Profisport weitergeführt werden, während Amateursport verboten wurde? Oder warum darf eine Person, die sich ein Hotelzimmer leistet ins Restaurant, während «normale» Restaurants geschlossen blieben?
Meyer: Die Coronapolitik war schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Kein anderes Land in Europa hat so willkürlich Massnahmen beschlossen und dies ohne korrekte Begründung. Das Bundesamt für Gesundheit ist auch nicht fähig, die Schweiz durch diese Pandemie zu führen, wenn regelmässig der R-Wert nach unten korrigiert wird und Coronafälle falsch aufgelistet werden. Dieser Zirkus muss nun endlich ein Ende haben.
Wurde für die Jungen genug getan?
Häseli: Ich gehe davon aus, dass sich die Politik bisher zu wenig bewusst war, was für Auswirkungen die Situation für die jungen Menschen hat und dass sich das nun hoffentlich bald ändert.
Meyer: Für die Jungen wurde gar nichts getan. Als im März 2020 die Schulen geschlossen hatten, wurden wir vom Unterricht freigestellt, hatten nichts mehr zu tun, und wir zahlen in der Schweiz schon genug Gelder für Bildung, aber dann wurde bis im Sommer im Fernunterricht unterrichtet, was eine Katastrophe war, denn mir persönlich fehlen da vier Monate Schulstoff und ich schliesse das Gymnasium demnächst ab. Dann wurde den Jugendlichen der Sport geraubt, die einzige Beschäftigung, welcher sie noch nachgehen konnten. Und solche Massnahmen haben die Generation von Morgen komplett verändert.