Bezirksgericht Rheinfelden
Nach alkoholreicher Partynacht: Zwei Cousins wegen mehrfacher Schändung verurteilt

Ein rauschendes Geburtstagsfest bei einer Kollegin endete für eine junge Frau im Horror: Zwei Kosovaren sollen sie mehrfach geschändet haben, während sie betrunken und ohne Bewusstsein im Bett lag. Beide Männer wurden nun vom Bezirksgericht Rheinfelden zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Simon Widmer
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Zwei Kosovaren mussten sich vor Gericht verantworten.

Zwei Kosovaren mussten sich vor Gericht verantworten.

Symbolbild/Nadia Schaerli

Der Prozess vor dem Bezirksgericht Rheinfelden begann mit der Befragung des Opfers Sarah (25, alle Namen geändert) – damit sie danach gehen konnte und nicht dabei sein musste, als ihre beiden Peiniger befragt wurden: Dem Tatbestand nach sollen in einer Nacht im März 2018 die zwei kosovarischen Cousins Kurt (27) und Paul (28) sie jeweils zwei Mal geschändet* haben, wobei Sarah in einem komatösen Zustand war und nichts davon mitbekommen hat.

*Was bedeutet «Schändung»?

Die Grenze zwischen Vergewaltigung und Schändung lässt sich in der Praxis nicht immer ganz leicht ziehen. Einfach gesagt ist die Betroffene bei einer Schändung – im Unterschied zu einer Vergewaltigung – wehrunfähig. Dies kann zum Beispiel während einer Narkose sein oder wenn eine Frau völlig entspannt bei einer Massage oder Physiotherapie ist. Sich gegen sexuelle Gewalt zur Wehr zu setzen ist in diesem Zustand schwierig bis unmöglich.

Die Folgen für das Opfer sind bei einer Schändung in etwa dieselben wie bei einer Vergewaltigung. Und auch hier ist eine Beratung bei einer anerkannten Opferberatung hilfreich.

Quelle: https://www.frauenberatung.ch/

Am Abend der Tat ging Sarah um rund 22 Uhr an ein Geburtstagsfest ihrer Schulfreundin Monika. In deren Wohnung wurde angestossen und viel Alkohol getrunken. Gegen Mitternacht verschob sich die Festgesellschaft nach Basel in einen Club, wo auch Kurt und Paul zu Gast waren. Sowohl Sarah als auch Monika erlitten kurz nach dem Betreten des Clubs ein Blackout und wissen beide nicht mehr, was bis zum nächsten Morgen geschehen ist.

Am nächsten Morgen wusste sie von nichts

Den Aussagen der Beschuldigten zufolge soll Sarah getanzt haben und sehr locker drauf gewesen sein. Nach einem kurzen Kennenlernen fuhr Kurt mit Sarah im Taxi zu sich ins Fricktal, wo es später zur Schändung gekommen sein soll. Kurt rief seinen Cousin Paul an und forderte ihn auf, vorbeizukommen.

Als Sarah am nächsten Morgen aufwachte, wusste sie zunächst nicht, wo sie war. Die junge Frau erfuhr durch die beiden Männer, was passiert war und stand unter Schock. Sie bat Paul um Geld, um sich die «Pille danach» kaufen zu können, da sie ihre Handtasche mit ihrem Portemonnaie im Club vergessen hatte.

Sie bekam das Geld – musste im Gegenzug aber noch Pauls Rücken einseifen. Danach wurde sie von Kurts Bruder an den Bahnhof gefahren, von wo aus sie sich dann auf den Weg in Richtung Basel machte. Kurt sagte vor dem Gericht:

«Der Sex hat einvernehmlich stattgefunden. Wir haben ganz normal miteinander geredet und dann hat das eine zum anderen geführt.»

Paul soll demnach dazu gekommen sein, weil Sarah einen «Dreier» haben wollte. Am Morgen habe sie dann ihre Handlungen bereut und deshalb Anzeige erstattet.

Gezielte Ausnutzung der Urteilsunfähigkeit

Für die Anwältin des Opfers hingegen war die Sache klar: Die Tat der Beschuldigten sei eine gezielte Ausnutzung der Urteilsunfähigkeit des Opfers zur sexuellen Befriedigung. Die Aussagen des Opfers seien glaubwürdig. Speziell die Tatsache, dass Sarah ihre Handtasche im Club vergessen hatte und sehr viel passieren müsse, dass eine Frau ihre Handtasche vergesse, liessen auf ihren schlechten Zustand schliessen.

Die Verteidigung plädierte dagegen auf Freispruch. Ein Blackout, wie es Sarah erfahren hat, sei nichts Ungewöhnliches bei starkem Alkoholkonsum, lasse aber noch lange nicht auf eine Urteilsunfähigkeit schliessen. Dieser Zustand wäre aber für den Tatbestand zwingend.

Es kommt zur Verurteilung

Es fehlten wie im gesamten Prozess objektive Beweise, argumentierte die Verteidigung. Auch seien die Aussagen Sarahs widersprüchlich und ihr Verhalten am Morgen nach dem Geschehen «höchst untypisch für ein tatsächliches Opfer».

Das Gericht folgte trotzdem weitgehend den Forderungen der Staatsanwaltschaft, anerkannte in der Urteilsverkündung allerdings:

«Es handelt sich um ein Vier-Augen-Delikt, es steht Aussage gegen Aussage.»

Die Erzählungen des Opfers seien aber glaubwürdig. Die Angeklagten hätten es hingegen leicht gehabt, einfach alles abzustreiten. Die Argumente, dass das Opfer sich selbst widersprochen und sich atypisch verhalten habe, widerlegte das Gericht dadurch: Es gebe schliesslich nicht den «einen Opfertyp», weshalb man da nicht generalisieren könne.

Paul wurde zu einer Freiheitsstrafe von je 15 Monaten bedingt und unbedingt verurteilt, Kurt kassierte 24 Monate bedingt sowie eine Busse von 5000 Franken. Beide wurden für sieben Jahre des Landes verwiesen. Die Verteidigung kündigte bereits an, in Berufung zu gehen.