Auswanderer
Was Australien in der Coronakrise erfolgreich anders macht als die Schweiz

Der gebürtige Fricker Raphael Schmid lebt seit fünf Jahren in Sydney. Während die Schweiz noch im zweiten Lockdown ist, ist in der Millionenmetropole fast alles wieder möglich. Schmid sagt, warum er die Massnahmen in der Schweiz für verwirrlich hält – und was er Personen rät, die in diesem Jahr nach Australien reisen möchten.

Thomas Wehrli
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Raphael Schmid aus Frick lebt seit August 2015 in Sydney. Dort hat – im Gegensatz zur Schweiz – vieles wieder geöffnet.

Raphael Schmid aus Frick lebt seit August 2015 in Sydney. Dort hat – im Gegensatz zur Schweiz – vieles wieder geöffnet.

Bild: Zvg
(8. Januar 2020)

Die Coronapandemie hat grosse Teile der Welt fest im Griff. Wie erleben Fricktaler, die ausgewandert sind, die Krise in ihrer zweiten Heimat? Raphael Schmid lebt seit gut fünf Jahren in der Millionenmetropole Sydney. Der gebürtige Fricker ist Manager bei einer der grössten Anwaltskanzleien Australiens.

Wie ist die Coronasituation aktuell in Sydney?

Die Situation in und um Sydney ist zurzeit entspannt. Verglichen mit dem Rest der Welt können wir uns hier sehr glücklich schätzen. Die Fallzahlen sind seit Wochen tief. In New South Wales mit der Hauptstadt Sydney hatten wir seit 30 Tagen keine lokalen Übertragungen mehr.

Dann dürften die Massnahmen Sie derzeit nicht allzu stark einschränken.

Ja, ich empfinde die derzeitigen Massnahmen als nicht sehr einschränkend. Im Grossraum Sydney gilt eine Maskentragpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Bahnhöfen, Haltestellen sowie am Flughafen und auf Inlandflügen.

Wie gehen die Menschen in der Stadt mit Corona um?

Das ist sehr unterschiedlich. Einige Leute sind sehr vorsichtig, die grosse Mehrheit aber nimmt es gelassen. Restaurants, Pubs und Bars, aber auch Kinos und Museen sind mit Auflagen wieder geöffnet und rege besucht.

Ganz anders in der Schweiz; hier liegt das Freizeitleben derzeit lahm.

Bei uns in Sydney ist derzeit fast alles wieder möglich. Wenn Restaurants, Bars, Kinos, Museen, Fitness- und Shoppingcenter Schutzkonzepte haben, können sie mit wenigen Einschränkungen öffnen und Gäste empfangen. In Haushalten sind derzeit bis zu 30 Gäste erlaubt. Für Treffen in der Öffentlichkeit gilt eine Obergrenze von 50 Personen. An Hochzeiten und Bestattungen sind maximal 300 Leute zugelassen.

In der Schweiz besteht aktuell Homeoffice-Pflicht. Wie wird in Sydney gearbeitet?

Viele Betriebe haben sogenannte «hybrid working models» eingeführt, die individuelle Ansprüche berücksichtigen und viel Flexibilität bieten.

Und Ihr Büro?

Unser Büro in Sydney ist seit Januar wieder geöffnet und von den Mitarbeitenden wird erwartet, dass sie an 2 bis 3 Tagen pro Woche anwesend sind. Es besteht aber kein Zwang und individuelle Lösungen können mit den Vorgesetzten vereinbart werden.

In der Schweiz ist die Coronamüdigkeit sehr gross und die Rufe nach Lockerungen wurden in den letzten Wochen immer lauter. Wie ist das bei Ihnen?

Australien hat eine andere Ausgangslage und Strategie als die Schweiz. Für eine grosse Insel ist es einfacher, die Grenzen zu schliessen und somit die Verbreitung einzudämmen.

Das hat aber schwerwiegende wirtschaftliche Folgen.

Ja, besonders für den Tourismus, aber auch für ausländische Studierende, die nicht mehr einreisen können. Australien hat eine knallharte und kompromisslose Strategie zur Bekämpfung des Virus verfolgt und tut dies immer noch.

Melbourne hat dies gerade wieder gezeigt.

Melbourne, aber auch gewisse Regionen in und um Sydney waren über Tage oder gar Wochen in einem harten Lockdown samt Ausgangssperren.

Was ist in der Strategie der Unterschied zur Schweiz?

Ich glaube aber, dass der grosse Unterschied zur Schweiz in der klaren Führung durch die Regierung liegt. Bei einem Ausbruch werden sofort Massnahmen ergriffen. Wer diese nicht befolgt, wird gebüsst. In New South Wales haben wir zudem ein gut funktionierendes Contact-Tracing-Tool – eine App –, das sehr hilfreich ist. Dafür sind die Menschen sicher dankbar. Mit Blick auf Europa und die USA ist man froh und dankbar, dass Australien das Virus relativ gut im Griff hat. Es gibt aber auch hier eine gewisse Coronamüdigkeit, vor allem, wenn es um die Reisebeschränkungen geht.

Wie verbringen Sie selber die freie Zeit?

Da wir noch Sommer haben, schätze ich den Aufenthalt am Strand und in der Natur. Ich gehe gerne wandern, treibe viel Sport, geniesse aber auch gerne ein kühles Bier mit Freunden.

Was vermissen Sie am meisten?

Persönlich vermisse ich das Reisen und dass ich keine Freunde und Familienmitglieder als Gäste empfangen oder in der Schweiz besuchen kann. Aber ich bin mir bewusst, dass das Klagen auf sehr hohem Niveau ist.

In Australien ist Sommer. Wie ist der Sommer 2021? Besser als die Ausgabe 2020?

Im letzten Sommer hatten wir verheerende Buschfeuer und dann Überschwemmungen. Buschfeuer gab es auch dieses Jahr, aber glücklicherweise nicht im gleichen Ausmass. Im 2021 hat uns das Coronavirus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir aber Glück gehabt.

Gibt es aktuell Touristen in der Stadt?

Weil die Grenzen geschlossen sind, ist der Tourismus fast gänzlich eingebrochen.

Wenn jemand aus der Schweiz Australien in diesem Jahr besuchen möchte. Was raten Sie ihm?

Ich würde allen empfehlen, zuerst einmal die Öffnung der internationalen Grenzen abzuwarten. Sollten die Grenzen dieses Jahr noch öffnen, rate ich den Reisenden die dann geltenden Quarantänebestimmungen zu prüfen.

Was gilt zurzeit?

Zurzeit gilt bei einer Einreise via Flug oder Seeweg eine obligatorische Quarantänepflicht von 14 Tagen. Die Kosten für diese Quarantäne variieren von Staat zu Staat und müssen von den Reisenden selbst bezahlt werden.

Das heisst: Je nach Einreiseort, kommt mich die Quarantäne günstiger oder teurer?

Ja. Abhängig von der geplanten Reise kann es also Sinn machen, zu prüfen, ob man zuerst nach Perth, Melbourne oder Sydney reisen sollte. In New South Wales belaufen sich die Quarantänekosten auf 3000 australische Dollar für eine Einzelperson und zusätzliche 1000 Dollar für jeden weiteren Erwachsenen Mitreisenden. Für ein Kind über 3 Jahre werden 500 Dollar verrechnet.

Das kann also teuer werden.

Man muss sich also bewusst sein, dass eine unvorsichtig geplante Australienreise schnell in einer unerwünschten und kostspieligen Quarantäne enden kann.

Wie steht es um das Reisen innerhalb des Landes?

Man sollte sich im Vorfeld einer Reise darüber informieren, ob die Grenzen unter den einzelnen Staaten geöffnet sind oder ob es diesbezüglich Einschränkungen gibt. Wir haben es mehrfach erlebt, dass einzelne States ihre Grenzen relativ kurzfristig geschlossen haben und auch Quarantänepflichten eingeführt haben.

Wie halten sie aktuell den Draht zu ihren Bekannten in Australien?

Da wir momentan nur wenige Einschränkungen haben, kann ich mich hier problemlos mit Freunden zum Sport oder einem persönlichen Treffen verabreden.

Wie stehen Sie mit den Freunden und Verwandten in der Schweiz im Kontakt?

Glücklicherweise erlauben es die modernen Technologien telefonisch oder via Videokonferenz mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben.

Welchen Eindruck haben Sie aus diesen Gesprächen vom derzeitigen Leben in der Schweiz?

Ich habe den Eindruck, dass die unterschiedlichen Massnahmen verwirrlich und der Akzeptanz nicht förderlich sind. Es fällt mir auf, dass in der Schweiz die zahlreichen Experten, die Regierung und die Wirtschaft nicht am gleichen Strick ziehen. Aus der Ferne betrachtet hat man den Eindruck, dass es eher darum geht, andere Meinungen zu bekämpfen, statt gemeinsam nach einheitlichen und sinnvollen Lösungen zu suchen.