Wohlen
Kanton rüffelt das Ratsbüro des Einwohnerrats – die Aktuarin hätte nicht mitstimmen dürfen

Der Kanton heisst eine Beschwerde der Wohler Mitte gut. Der abweisende Beschluss des Einwohnerratsbüros über eine eingereichte Motion wird aufgehoben – weil die Aktuarin nicht hätte abstimmen dürfen. Nun muss das Ratsbüro nochmals neu entscheiden.

Marc Ribolla
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Der Einwohnerrat Wohlens bei der ersten Sitzung der neuen Amtsperiode.

Der Einwohnerrat Wohlens bei der ersten Sitzung der neuen Amtsperiode.

Andrea Weibel (10. Januar 2022)

Kurz nach den Wohler Gemeinderatswahlen Ende September vergangenen Jahres reichte die Mitte-Fraktion dem Einwohnerrat eine Motion ein. Sie verlangte, dass in Zukunft bei der Bekanntgabe der Wahlresultate durch das Wahlbüro mehr Transparenz herrscht. Sprich: Die gültigen Stimmen detaillierter namentlich aufzuführen. So wie es seit Jahren Usus war, 2021 aber nicht gemacht worden war.

Diese Mitte-Motion wurde aber den Rätinnen und Räten nie zugestellt, sondern bei der Prüfung vom Einwohnerratsbüro als unzulässig erklärt. Gegen diesen Beschluss reichte Mitte-Präsident und Einwohnerrat Harry Lütolf im Namen seiner Partei beim Kanton Beschwerde ein.

Er argumentierte, dass beispielsweise die Gemeindeschreiber-Stellvertreterin als Aktuarin bei der Abstimmung im Ratsbüro mitgestimmt habe – doch diese habe gemäss Reglement nur eine beratende Stimme. Das Ratsbüro besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den beiden Stimmenzählenden sowie dem Aktuar. Ausserdem kritisierte Lütolf, dass das Ratsbüro nur eine formelle und keine inhaltliche Prüfung einer Motion vornehmen darf.

Grammatikalische Auslegung spricht gegen Mitbestimmung des Aktuars

Nach dem Einholen von verschiedenen Stellungnahmen der Beteiligten hat nun das zuständige Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) nach rund vier Monaten einen Entscheid gefällt. Die Gemeindeabteilung des DVI unter der Leitung von Martin Süess heisst die Beschwerde der Wohler Mitte gut. Und annulliert damit den Beschluss des Einwohnerratsbüros. «Das Verfahren ist zur erneuten Beschlussfassung an das Büro des Einwohnerrats zurückzuweisen», heisst es im Schreiben aus Aarau.

Im siebenseitigen Dokument bezieht sich das DVI unter anderem auf das aktuelle Geschäftsreglement des Wohler Einwohnerrats aus dem Jahr 2016. Dort stehe, dass der Aktuar mit beratender Stimme an den Sitzungen des Ratsbüros teilnehme.

«Die grammatikalische Auslegung spricht klar dafür, dass der Aktuar (nur) beratend an den Sitzungen teilnimmt, bei den Beschlüssen aber nicht mitstimmt», so die Begründung. Eine andere Auslegung, speziell jene des Ratsbüros, mache keinen Sinn.

Das DVI zieht auch einen Vergleich mit Gemeinderatssitzungen, wo der Gemeindeschreiber auch nur beratend mitwirke und nicht selbst mitentscheiden dürfe. Die Tatsache, dass die Aktuarin bei der Beschlussfassung mitgestimmt hat, habe gegen das kommunale Recht verstossen.

«Ratsbüro tut gut daran, die Motion zuzustellen»

Beschwerdeführer Lütolf ist einerseits mit dem positiven Bescheid aus Aarau zufrieden. Er erklärt: «Das Ratsbüro tut nun gut daran, die Motion endlich allen Einwohnerrätinnen und Einwohnerräten ordnungsgemäss zuzustellen. Wir sind zuversichtlich und vertrauen darauf, dass die vier Ratsbüromitglieder des Einwohnerrates mit Vertretungen der FDP, GLP, SP und SVP entsprechend Beschluss fassen.»

Der Wohler-Mitte-Präsident und Einwohnerrat Harry Lütolf.

Der Wohler-Mitte-Präsident und Einwohnerrat Harry Lütolf.

zvg

Andererseits ärgert ihn, dass das DVI sich zu den anderen Anträgen in der Beschwerde vorläufig nicht geäussert hat. «Man hätte bereits Klarheit schaffen können bezüglich der Gültigkeit der Motion und dem Umfang der Prüfungskompetenzen des Ratsbüros», so Lütolf.

Bedenklich findet er aber auch folgende Aussage des DVI zur allgemeinen materiellen Zulässigkeit der Motion: «Das Wahlbüro Wohlen wäre an die Vorgaben in einem vom Einwohnerrat erlassenen Reglement nicht gebunden.» Es handle sich um übergeordnetes kantonales Recht.

Weil diese Begründung aber nicht im Entscheid ausgeführt sei, werde die Mitte Wohlen diesen Punkt (noch) nicht an das Verwaltungsgericht weiterziehen, erklärt Lütolf weiter. Das Urteil des DVI ist noch nicht rechtskräftig, es läuft noch eine 30-tägige Beschwerdefrist.