Am diesjährigen Frühlingskonzert präsentierte die Musik Muri den Klassiker «Huckleberry Finn», komponiert vom Schweizer Franco Cesarini.
Schon vor Beginn des Konzerts herrschte eine leichte Frühlingsstimmung. Man tauschte sich auf dem Klosterhof aus oder genoss Kaffee und Kuchen vor dem Festsaal, wo später das Konzert stattfand. Im Zentrum des diesjährigen Frühlingskonzertes war der Roman Tom Sawyer und Huckleberry Finn, geschrieben von Mark Twain im 19. Jahrhundert. Die Abenteuer, die in der Geschichte geschildert werden, wurden dem Publikum vom Schauspieler und Sprecher Peter Fischli lebhaft erzählt. Seine Erzählungen wurden begleitet von zwei Suiten von Franco Cesarini. Komponiert hatte Cesarini die Musikstücke in den Jahren 2000 und 2004, er wurde inspiriert durch den altbekannten Abenteuerroman.
Pünktlich traten die Musiker, der Dirigent und Leiter Karl Herzog sowie Peter Fischli auf die Bühne. Der Schauspieler liess sich gemütlich in seinen Sessel nieder, von wo aus er das Publikum mitnahm in die alte, träumerische Welt vom Jungen Tom Sawyer, der in der fiktiven Stadt St. Petersburg am Fluss Mississippi wohnt.
Gleich zu Beginn hörte man von Toms Streichen und Abenteuern. Eine rasende Musik begleitete Fischlis Erzählungen und lösten ihn zum Teil ganz ab, sodass man sich für einmal nur auf die Musik konzentrieren konnte. Trotz Fischlis erkennbar geübter Schauspielerstimme war die Musik zum Teil doch dominanter und verschluckte seine Worte, sodass man sich gut auf Fischlis Mimik und Gesten einlassen musste, um in der Geschichte mitzukommen. Einladend waren schliesslich jene Szenen, in denen bloss die Erzählungen den Raum füllten oder eben, nur die Musik.
Die berühmte Szene mit dem Gartenzaun erzählte Fischli als erstes. Darin muss Tom Sawyer einen Gartenzaun weiss streichen, wie es ihm seine Tante aufgetragen hat. Natürlich hat der junge Tom dazu überhaupt keine Lust und denkt sich schliesslich einen cleveren Trick aus, um der Arbeit zu entgehen. Stets, wenn jemand am Zaun vorbeischlendert, malt er kunstvoll auf die Bretter und zieht damit die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Diese werden umso neugieriger, je länger sie Tom, scheinbar völlig vertieft in seine Arbeit, zuschauen. Es kommt soweit, dass sie Tom bitten, auch einmal den Zaun streichen zu dürfen. Als Dank geben sie ihm dafür kleine Habseligkeiten wie Murmeln, farbige Glasscherben, Orangenschalen oder Äpfel. Als Tom sogar ein einäugiges Kätzchen geschenkt bekommt, mussten die meisten Konzertbesucher schmunzeln.
Genauso träumerisch ging es weiter: Tom lernt Becky kennen, ein Mädchen aus seiner Schule mit zwei blonden Zöpfen. Fischli schilderte den Dialog zwischen den zwei Kindern und wie Tom Becky dazu auffordert, sich mit ihm zu verloben. «Alles, was es dazu braucht», so Tom, «ist, dass du sagst, du würdest nie jemand anderen lieben und nie mit jemand anderem zusammen sein wollen, als mit mir. Dann küssen wir uns, und schon sind wir verlobt.» Die Musik schwebte leicht, süss und weich über Fischlis Worten. Doch Tom verrät sich, indem er von einem anderen Mädchen erzählt, mit dem er bereits verlobt gewesen ist. Die Musik nahm eine schnelle Wendung, wurde kräftig und frisch. Oftmals erinnerte sie an Filmmusik von älteren Trickfilmen wie etwa Tom und Jerry.
Im dritten Teil der Geschichte taucht schliesslich Huckleberry Finn auf, der durch Fischli eine tiefere, rauchigere Stimme bekommt als die anderen Kinder. Huckleberry oder einfach nur «Huck» hat alles, was sich Tom je wünschte. Huck braucht sich nämlich nie zu waschen oder zu kämmen. Er macht stets das, was er will. Hucks Vater ist ein berüchtigter Trinker in der Stadt und kümmert sich nicht um seinen Sohn. Trotzdem findet Tom, dass Hucks Leben unglaublich toll ist. Die beiden werden schnell Freunde und gehen auf ihr erstes Abenteuer – sie besuchen einen Friedhof bei Nacht. Durch Flüstern erzählte Fischli den Dialog von Huck und Tom, die immer ängstlicher und unsicherer werden, je länger sie bei den Gräbern verweilen. Trommelklänge wirbelten durch den Saal und Xylophone erklangen, sodass man sich die düstere Szene tatsächlich vorstellen konnte. Und dann wieder kehrte die Musik in etwas Abenteuerliches und Verspieltes und nahm die Fantasie wie durch einen Wirbelsturm mit.
Nach der Pause schilderte Fischli dem Publikum eine Schatzsuche von Tom und Huckleberry Finn. Wieder fühlte man sich versetzt in die frühen Kinderjahre, wo einem abends vorgelesen wurde und sich viele Fantasiewelten aufmachten. Das Blasorchester blieb bis zum Schluss gut aufeinander abgestimmt. Es erinnerte an einen Musikspaziergang und als Tom und Huck den Schatz schliesslich in einer Höhle finden, und obendrein noch einen Bösewicht überwältigen können, sprühte die Musik vor Fröhlichkeit.
Die letzte Szene thematisierte das Dilemma von Huckleberry Finn, der in ein Heim gesteckt wird und sich nun trotzdem waschen und kämmen muss. «Weisst du, Tom», sagt Huck einmal, als Tom ihn in einem leeren Fass findet, «dort muss ich Kleider tragen, in denen ich gar nicht atmen kann! Ich brauche doch den Wald und den Fluss!» Tom versteht Hucks Verderben nicht. Gerne hätte er seinen Freund in eine Räuberbande aufgenommen, doch dafür muss sich Huck «wie ein anständiger Mensch» benehmen. Huck aber ist dieser Zivilisations-Blödsinn zuwider. Mit viel Einfühlungsvermögen schafft es Tom dann doch, seinen Freund zu überreden, und kann ihn schliesslich in die Bande aufnehmen.
Nach zwei Stunden neigte sich die Geschichte dem Ende zu. Man verabschiedete sich von einer imaginären Reise, wo zwei Kindern einem gezeigt hatten, was Mut, Überwindung, Zuneigung, Träumerein und vor allem Freundschaft bedeutet. Man war von dieser neuen Art von Konzert, wo Erzählung und Musik sich abwechseln, mitgerissen. Trotz einigen, akustischen Unverständlichkeiten gelang es Fischli und Herzog, die Kombination von Sprache und Musik zu meistern.