Unterlunkhofen
Warum Triathletinnen Kaffee rösten

Aus der Rösterei Gipfelstürmer wird neu «Vertical Coffee Roasters»

Dominic Kobelt
Drucken
Simone Meier röstet zusammen mit Denise Morf Kaffee – die Arbeit erfordert viel Konzentration und Erfahrung. Dominic Kobelt

Simone Meier röstet zusammen mit Denise Morf Kaffee – die Arbeit erfordert viel Konzentration und Erfahrung. Dominic Kobelt

Dominic Kobelt

Von der gängigen Vorstellung, wie ein Kaffee zu schmecken hat, muss man sich lösen, bevor man das Getränk aus der Rösterei in Unterlunkhofen probiert. Die fruchtigen, leicht säuerlichen Noten beim hell gerösteten Filterkaffee treten deutlich zum Vorschein, fast wie bei einem Früchtetee. Für die Zubereitung gibt Simone Ernst eine Handvoll Bohnen in die Mahlmaschine, mit einer Waage bestimmt sie, wie viel Pulver und Wasser in den Filter kommen. «Das Verhältnis muss stimmen, aber auch die Brühtemperatur und der Mahlgrad – es gibt viele Faktoren, die den Kaffee beeinflussen», erklärt sie. Eine zweite Tasse bereitet sie mit der Espressomaschine zu. Diese Sorte schmeckt intensiv und süss, der Geschmack erinnert an Himbeerkonfitüre.

Seit 2010 rösten Simone Ernst und Denise Morf Kaffeebohnen, bisher verkauften sie ihre Produkte unter dem Namen «Gipfelstürmer-Kaffee». Ab nächstem Jahr nennen sie ihr Geschäft «Vertical Coffee Roasters». «Wir haben immer mehr Kunden aus dem Ausland, der Filterkaffee ist im Norden verbreiterter als hier. Auch viele Ausländer kaufen bei uns, weil sie kein vergleichbares Produkt finden. Sie haben aber Mühe, den bisherigen, sehr schweizerischen Namen auszusprechen», sagt Ernst.

Über den Sport zum Kaffee

Wohin ihre Reise gehen würde, wussten die beiden Frauen noch nicht, als sie ihre Kaffeerösterei eröffneten. Sie sind nicht aus der Gastronomie, sondern über den Sport dazu gekommen. Die Triathletinnen waren 2007 an der Weltmeisterschaft in Hawaii. «Als ich im Training durch das Pier von Kona schwamm, war da am Meeresgrund eine Werbung für eine Espressobar. Anderthalb Kilometer im Meer draussen wurde auf einem Katamaran Filterkaffee zubereitet», erinnert sich Ernst. Die beiden Sportlerinnen waren so begeistert, dass sie begannen, Bohnen zu importieren und zu rösten. «Meine Eltern hatten ein Restaurant und bezogen ihren Kaffee von einer kleinen Rösterei. Wir wurden eingeladen und durften uns dort versuchen – sofort haben wir Freude an der Arbeit gefunden.»

Die Kaffeebohnen, die in Unterlunkhofen geröstet werden, haben höchste Qualität: Diese wird anhand eines international vergleichbaren Punktesystems von 0 bis 100 bestimmt – keine Bohne unter 80 Punkten schafft es in die Röstmaschine der Vertical Coffeee Roasters. Damit ist auch die Frage nach Bio und Fairtrade schnell geklärt: «Wir legen darauf sehr viel Wert, aber nicht auf die Zertifizierung», erklärt Ernst. Denn ohne Bio-Standards sei es gar nicht möglich, so hochwertigen Kaffee zu produzieren. Zum fairen Handel meint die Expertin: «Der meiste Kaffee wird an der Börse gehandelt, zu einem Preis von ungefähr 3 Franken pro Kilo. Fairtrade bedeutet, dass man noch fünf Rappen draufzahlt. Wir kaufen unsere Bohnen direkt beim Exporteur und zahlen um die 10 bis 15 Franken für das Kilo, davon haben die Bauern wesentlich mehr.»

Genussmittel braucht Zeit

Vertical Coffee Roasters haben momentan sechs Sorten im Angebot. Wenn die zwei Frauen neue Kaffeebohnen testen, dann machen sie vorab eine Proberöstung. «Wir verwenden zuerst eines der bestehenden Röstprofile und passen es dann an, je nach dem, welchen Geschmack wir hervorheben möchten.» Temperatur und Luftzufuhr werden von Hand reguliert. Eine Arbeit, die höchste Konzentration erfordert, denn schon wenige Sekunden können grossen Einfluss auf den Geschmack haben.

Warum soll man sich in Zeiten des Kapsel-Kaffees die Mühe machen, Pulver abzuwägen und aufzubrühen? «Wir verstehen Kaffee als Genussmittel. Er ist zum Alltagsprodukt geworden, für das man sich wenig Zeit nimmt», sagt Ernst. Die etwas kompliziertere Zubereitungsart könnte als elitär empfunden werden und abschrecken. «Wir wollen den Leuten die Angst nehmen. Es ist wie beim Wein: Manche getrauen sich nicht, mitzureden, dabei gibt es kein richtig oder falsch. Man sollte ausprobieren.»

Und wie sieht es mit Milch und Zucker aus? Sind das Todsünden für die Expertinnen? «Natürlich nicht», sagen sie lachend. «Jeder hat schliesslich seinen eigenen Geschmack.»