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Fast hätte man eine alte Orgel für 100 Louisdor gekauft, doch dann war eine neue für 200 Dublonen zu haben.
Als die neue katholische Pfarrkirche St. Leonhard in Wohlen fertig gebaut war und 1808 geweiht werden konnte, fehlte ihr nur noch eines: eine Orgel. Es vergingen über zehn Jahre, bis das richtige Instrument gefunden werden und die ersten Orgeltöne durch das Kirchenschiff klingen konnten. Die Geschichte ist spannend, auch wenn sie im Grunde nur von einem Musikinstrument handelt. Aufgeschrieben hat sie der Chronist und Armenpfleger Leo Wohler in der Jahresschrift «Unsere Heimat 1940» der historischen Gesellschaft Freiamt.
In Wohlen gründete der Lehrer Rudolf Isler ums Jahr 1800 herum den ersten Volkskirchengesang und leitete diesen bis 1821 als Vorsänger. Erst am Ende dieser Zeit schaffte es die Gemeinde, eine Orgel anzuschaffen. Schuld daran mochten die schlechten Zeiten, Hungerjahre und drückende Kriegssteuern von der französischen Besatzung gewesen sein.
Erstmals im Herbstmonat (so nannte man damals den September) 1819 kam die Anschaffung der Orgel an der Gemeindeversammlung zur Sprache. Der Wohler Gemeinderat hatte ein Angebot bekommen: Der ehemalige Bezirksrichter von Meyenfisch in Kaiserstuhl hatte ihn auf die Orgel im aufgehobenen Benediktinerkloster Petershausen bei Konstanz aufmerksam gemacht. Diese «wohlanständige Orgel» sei feil, teilte er mit. Man könne sie für 100 Louisdor kaufen. Die Gemeindeversammlung erklärte mit grossem Mehr, dass «man gerne eine Orgel hätte». Um die Fragen der Anschaffung zu klären, sollte die Kirchgemeinde einen Ausschuss bilden, «um zu fragen, was jedes Pfarrkind an selbe beisteuern wolle». Danach sollte die Kirchensteuer berechnet werden. Die Gemeinde sollte dann erklären, woraus der allfällige Rest der Kosten genommen werden könnte.
Kurz darauf trat die Gemeindeversammlung erneut zusammen. Ammann Jakob Leonz Wohler, von 1816 bis 1831 im Amt, teilte mit, dass die Gemeinde bei der Anschaffung der Orgel auf das Legat des verstorbenen Dekans und Pfarrers P. Jost Anton Hausheer (1784 bis 1816) zurückgreifen und weitere Quellen erschliessen könne.
Die Gemeindeversammlung gab den Weg frei, die Orgel im Kloster Petershausen zu visitieren und bei Gefallen zu kaufen. Aber Gemeindeammann Wohler musste bald darauf zurückkrebsen. Ein Kenner habe die Orgel in Petershausen als missraten bezeichnet, sagte Wohler. Eine andere Option musste her. Die Versammlung erteilte dem Gemeinderat das Mandat, in der Orgelfrage weiter zu sondieren.
Am 6. Januar 1821 wartete der Gemeindeammann mit der frohen Kunde auf, dass der Orgelbauer Philipp Heinrich Cäsar aus Solothurn für 200 Dublonen (4571 Franken) eine Orgel angefertigt habe, die zu Wohlen passen würde. Cäsar war von Mannheim nach Solothurn gekommen und hatte sich damals im Bernbiet mit seinen Orgeln einen Namen gemacht. Drei Experten, nämlich Pater Gerold vom Kloster Muri, Pater Benedikt von Wettingen und Bernhard Konrad aus Bremgarten, hatten die für Wohlen bestimmte Orgel untersucht und für gut befunden.
Nun hatte Wohlen endlich eine Orgel. Und doch fehlte immer noch etwas. Besser gesagt: jemand. Man hatte keinen Organisten. Diesen Posten übernahm 1823 Johann Weber aus Wohlen. Er übte dieses Amt bis zu seinem Tod, 1853, für 32 Franken im Jahr, zuzüglich Ausgaben bei Gedächtnissen, aus.
Wer die Cäsar-Orgel in der Wohler Kirche nun aber besichtigen möchte, wird enttäuscht sein. Denn bei der Innenrenovation von 1890 wurde sie abgebrochen und durch ein neues Instrument der Orgelbaufirma Kuhn in Männedorf ersetzt.