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Stephan Meier aus Dottikon lebt seit 2003 in Schweden – mittlerweile mit Familie. Vom Schul- und Sozialsystem Schwedens könnten viele andere Länder nur träumen, findet er.
2001 dachte sich der Dottiker Student Stephan Meier, es wäre nicht schlecht, seine Diplomarbeit im Ausland zu schreiben. «Die Technische Hochschule Stockholm bot damals eine gute Arbeit an, und mit der Sprache schien es mir auch nicht allzu schwierig, also bin ich im Winter 2001/2002 nach Schweden gegangen.»
In loser Folge berichtet die Aargauer Zeitung über Freiämterinnen und Freiämter, die irgendwo auf der Welt eine neue Heimat gefunden haben. Kennen auch Sie Freiämter in der Ferne? Melden Sie sich unter freiamt@aargauerzeitung.ch.
Dass dieser Schritt sein gesamtes Leben verändern würde, hätte er damals nicht gedacht. Denn ein Jahr später, in dem der Elektroingenieur wieder daheim in der Schweiz gearbeitet hatte, meldeten sich die Nordländer erneut. «Ich wurde angefragt, ob ich dort doktorieren wolle. Ich fand das eine super Sache. Also zog ich nach Stockholm.»
2003 bis 2009 doktorierte er in der Schwedischen Hauptstadt. Und schon bald lernte er eine sehr sympathische französische Elektroingenieurin kennen – Florence, seine heutige Frau. 2006 heirateten sie, kurz darauf wurde Simon, drei Jahre später Sophie geboren. «Sie wachsen dreisprachig auf. Schön ist, dass sie in der Schule einmal pro Woche Heimatsprachunterricht haben. Simon lernt dann Deutsch, Sophie Französisch.»
Vom Schul- und Sozialsystem Schwedens könnten viele andere Länder nur träumen, sagt der 38-Jährige. «Pro Kind konnten wir uns 480 Tage Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub teilen. Und auch die Kindertagesstätten sind kommunal geregelt, das erleichtert den Eltern das Leben sehr.» Bei diesen Worten kommen die beiden Kinder wie aufs Stichwort angerannt, um der 1800 Kilometer entfernten Journalistin am Bildschirm hallo zu sagen. Sophie zeigt ihren Plüschhasen, Simon bleibt etwas länger, um von seiner Schule zu erzählen. Dann rennt er lachend seiner Schwester hinterher.
Mittlerweile wohnt die Familie in Västerås, einer Stadt mit rund 133 000 Einwohnern, die etwa eine Stunde westlich von Stockholm am Mälaren-See liegt. «Hier ist ein Grossteil der elektrotechnischen Industrie Schwedens angesiedelt. Darum ziehen sehr viele Elektroingenieure nach ihrem Studium in Stockholm hierher.»
Das mache die Stadt sehr multikulturell. «Wir wurden überhaupt nicht wie Fremde behandelt, als wir ankamen, sondern herzlich willkommen geheissen. Und weil alles so multikulturell ist, bekommen wir im Laden seit einigen Jahren sogar Schweizer Fondue und Thomy-Mayonnaise. Nur Quittenkonfi und Vermicelles müssen wir noch aus der Schweiz mitbringen», lacht Stephan (die Journalistin nennt ihn beim Vornamen, denn das machen in Schweden alle so, nur der König muss mit Nachnamen angeredet werden).
Doch die Familie fliegt sowieso meist etwa zweimal pro Jahr nach Zürich zurück, besucht die Verwandten im Freiamt, nimmt dann den TGV nach Paris, besucht den französischen Teil der Verwandtschaft, und fliegt wieder zurück. «Unsere Familien vermissen wir schon. Aber so geht das eigentlich gut», findet er. Wie auch seine Frau arbeitet Stephan bei Bombardier, die beispielsweise die neuen «Twindexx Swiss Express» Intercity-Züge der SBB herstellen. Wieder eine Verbindung zur Heimat. Zudem seien die Schweden sehr freundliche Menschen – «es ist eigentlich gar nicht so viel anders als in der Schweiz».
Das Freizeitangebot in Västerås sei hervorragend, schwärmt der ehemalige Unihockeyaner vom Virtus Wohlen, der auch im Dottiker Turnverein aktiv gewesen ist. Wir haben ein eigenes Segelboot auf dem See, das wir oft und gerne benützen. Ich habe wieder mit Unihockey begonnen und bin im Schachklub. Und auch die Kinder haben jede Menge Aktivitäten, die ihnen Spass machen.» Übers Wochenende liegt auch mal eine Fährfahrt nach Finnland oder ins Baltikum drin, wo die Familie einmal übernachtet und am nächsten Tag zurückfährt. «Das ginge in der Schweiz natürlich nicht.»
Dennoch könnte sich das Paar vorstellen, wenn die Kinder aus der Schule sind, irgendwann wieder in südlichere Gefilde zurückzukehren. Denn das Einzige, was Stephan Meier ein wenig aufs Gemüt schlägt, sind die langen, düsteren Winter. «Das macht einen schon etwas depressiv. Aber wenn man es ja weiss, kann man sich darauf einstellen. Es gibt auch sehr schöne Wintertage mit viel Schnee. Der See ist jedes Jahr zugefroren, sodass man darauf spazieren gehen kann. In der Stadt gibt es einen kleinen Skilift, und ein grosses Skigebiet ist nur eineinhalb Stunden entfernt.»
Generell gefällt ihm die Natur in Schweden sehr. «Sie ist mit der Schweiz vergleichbar, nur kann man hier stundenlang durch Wälder und an Seen entlangfahren, ohne ein Dorf zu sehen.» Ein guter Ort, um Kinder aufzuziehen, findet Stephan Meier.