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Hampi Budmiger, der Obmann der Gemeindeammännervereinigung Bezirk Muri, plädiert für lustvolles Arbeiten.
In Besenbüren, Rottenschwil und Muri haben Gemeinderätinnen und Gemeinderäte unerwartet demissioniert, in Mühlau hat sogar der Gemeindeammann nach nur einem Jahr Amtszeit das Handtuch geworfen. Für Hampi Budmiger, Gemeindepräsident von Muri, und Obmann der Gemeindeammännervereinigung Bezirk Muri, ist die aktuelle Häufung der Rücktritte Zufall. Aber er sieht auch in gesellschaftlichen Veränderungen Herausforderungen für die Kommunalpolitik.
Hampi Budmiger: Natürlich können auch Spannungen im Gremium der Grund sein. Aber ich glaube, in der Regel haben Demissionen unter der Amtszeit in erster Linie einen beruflichen oder privaten Hintergrund. Sie sind ein Ausdruck von einem Wandel in der Gesellschaft.
Die Erwartungen im Berufsleben sind sehr hoch, ebenso sind sie im privaten Umfeld gestiegen. Viele Familien funktionieren heute, zum Glück, anders als früher. Das private Umfeld muss bereit sein, die zeitliche Belastung durch das Amt, die vielen Absenzen in der Familie oder Einschränkungen in der Freizeitgestaltung mitzutragen. Man überlegt sich heute genau, ob man sich für die zusätzliche Belastung durch ein politisches Amt verpflichten will.
Ja, dieser Wandel ist für das ganze Milizsystem eine Herausforderung.
Nein, ich glaube nicht. Sie haben sich sicher überlegt, was auf sie zukommen kann. Aber letztlich muss man dieses Amt erleben, man kann es nicht vom Hörensagen abschätzen. Man muss sich schon etwas auf ein Abenteuer einlassen. In kleinen Gemeinden ist vielleicht eher die Notwendigkeit da, Leute für eine Kandidatur zu motivieren. Möglicherweise ist dann die Überzeugung für das Amt etwas kleiner und die Bereitschaft, frühzeitig aufzuhören, etwas grösser.
Der parteilose Hanspeter Budmiger – alle nennen ihn Hampi – wurde 2005 eher überraschend in den Gemeinderat Muri ab 2006 gewählt. Seit 2014 ist er Gemeindepräsident, genauso so lange Obmann der Gemeindeammännervereinigung Bezirk Muri. Der Unternehmer ist mit Andrea verheiratet und hat mit ihr drei Kinder: Max, Emma und Linda. «Es ist vor allem meine Frau, die in gewissen Momenten zurückstecken muss», sagt er im Zusammenhang mit seinem Amt. «Es ist beispielsweise nicht möglich, dass ich fix an einem bestimmten Wochentag am Abend zu Hause sein kann. Das verunmöglicht meiner Frau, in einem Verein mitzumachen.» (es)
Das Reservoir ist grösser. Ich bin überzeugt, dass wir in Muri immer genügend Kandidatinnen und Kandidaten finden werden. Die Frage ist eher, ob wir die Richtigen finden können. Es fehlen beispielsweise Leute, die in der Gemeinde auch ohne ein Amt schon Gewicht und eine wichtige Stimme haben.
Nein, niemand will den Dorfkönig von früher. Aber in unserem Bezirk haben wir beispielsweise keinen einzigen Juristen in einem Gemeinderat. Das wird seinen Grund haben. Ist es wegen der Entschädigung? Oder ist es wegen Zeitmangel und starkem beruflichen Engagement. Oder weil ein solches Amt keinen persönlichen Mehrwert mehr verspricht?
Man kann, wie nirgends sonst in der Politik, sehr vieles sehr direkt mitgestalten. Ein wichtiger Faktor für einen funktionierenden Gemeinderat ist deshalb der nötige Gestaltungsspielraum. Der ist in kleinen Gemeinden möglicherweise bescheidener als in grossen, weil die Kleingemeinden stärker von Zentrumsgemeinden abhängig und auf sie angewiesen sind.
Die Zeiten haben sich geändert. Man ist auch als Gemeindeammann nicht mehr die autoritäre Persönlichkeit, wie man sie vielleicht früher in diesem Amt kannte.
Manche Politiker sind auch etwas empfindlich. Natürlich wird man gelegentlich kritisiert. Früher geschah dies am Stammtisch, heute eher auch in den sozialen Medien. Ich versuche, Kritik und Anfeindungen aus einer gesunden Distanz anzuschauen. Ich muss aber sagen, dass ich bisher noch nie persönlich stark betroffen war. Grundsätzlich ist es doch gut, wenn sich die Stimmberechtigten kritisch mit der Arbeit des Gemeinderates auseinandersetzen.
Das ist das viel grössere Problem. Die Teilnahme an der Politik durch die Bevölkerung schwindet. Ich frage mich, ob das auch damit zusammenhängt, dass kaum mehr Debatten stattfinden. Liegt es vielleicht sogar an uns Gemeinderäten, die politische Auseinandersetzung, die Debatten, zu fördern?
Unbedingt. Man macht Erfahrungen, die man sonst nie machen würde. Man kann etwas bewirken. Man darf und soll dieses Amt bei aller Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit jedoch auch mit einer gewissen Leichtigkeit, Lust und Freude ausüben – und das durchaus zeigen. Das geht in der Hektik des Alltags manchmal vergessen, was ich sehr schade finde.
Nicht immer (lacht), aber meistens schon. Freude an diesem Amt zu zeigen, kommt bei den Leuten übrigens gut an.
Ich finde, Mut zum Fehlermachen gehört zwingend zu diesem Amt. Wir haben die richtigen Lösungen schliesslich nicht gepachtet. Vermutlich hat kein Gemeindepolitiker in Muri so viele Fehler gemacht wie ich. Aber irgendwie kommen mir die Leute trotzdem mit einem gewissen Wohlwollen entgegen. Das ist nicht selbstverständlich, das bin ich mir bewusst, und ich danke dafür den Murianerinnen und Murianern ganz herzlich.
Natürlich gehört es zu diesem Amt, Beziehungen zu pflegen. Das macht auch Freude. Aber es ist nicht nötig, dass beispielsweise gleich drei oder vier Gemeinderäte an einer Raiffeisen-Generalversammlung teilnehmen – ausser natürlich, sie wären privat sowieso dabei. Die zeitliche Belastung ist tatsächlich gross, hinzu kommt ihre Unregelmässigkeit. Die notwendige Flexibilität ist deshalb eine mindestens so grosse Herausforderung. Die Leute schätzen es, wenn ein Gemeinderat an einer Veranstaltung auftaucht. Aber sie akzeptieren ebenso einmal eine Entschuldigung. Seit ich Kinder habe, bin ich beispielsweise etwas weniger präsent an Anlässen und Veranstaltungen. Das wird glücklicherweise verstanden.