Es war zu erwarten, dass die Generalversammlung des Vereins Gnadenthal hohe Wellen schlagen würde. Nicht nur der abrupte Abgang der Direktorin Alexandra Heilbronner gab zu reden. Auch die Wahl des Nachfolgers, Urs Bosisio, sorgte für viel Gesprächsstoff.
Gespannt lauschten die 166 Vereinsmitglieder den Ausführungen von Präsident Kurt Notter. Erstmals erfuhren sie aus erster Hand, was zum abrupten Abgang der frisch gewählten Direktorin Alexandra Heilbronner im November 2021 geführt hat.
Für die Nachfolge des langjährigen und beliebten Direktors Thomas Peterhans hatte der Vereinsvorstand ein sogenanntes Assessment gewählt, in dem die Bewerbenden von einer spezialisierten Firma auf Herz und Nieren geprüft werden. Heilbronner erwies sich in diesem dreistufigen Verfahren als die beste Wahl. Schon kurz nach ihrem Arbeitsantritt habe sich aber gezeigt, dass die Auffassungen der strategischen Führung komplett verschieden waren, so Notter. Er sagte:
«Es hat einfach nicht gepasst.»
Das wirkte sich auch auf die Mitarbeitenden aus. Etliche reichten ihre Kündigung ein. Die Lage spitzte sich gegen Ende des letzten Jahres zu: Der Vorstand habe innerhalb von 72 Stunden reagieren müssen, um eine Kündigung einer Mitarbeitenden aus der erweiterten Geschäftsleitung zu verhindern, verdeutlichte Notter die damalige Situation. Alexandra Heilbronner kündigte in der Folge das Arbeitsverhältnis. Vorstandsmitglied Urs Bosisio sprang interimistisch in die Bresche. Notter kommentierte:
«Es gelang ihm, innert kürzester Zeit Ruhe, klare Strukturen und Kontinuität in den Reusspark zu bringen.»
Die Arbeit des 67-Jährigen sei von allen Seiten geschätzt worden und es sei Ruhe eingekehrt. Im April dieses Jahres wurde er zum Direktor ernannt. Für dieses Engagement sei jedoch ein verbindlicher Endtermin gesetzt worden, betonte Notter.
Vereinsmitglied Toni Rohrer war da anderer Meinung. Er unterstellte Notter Vetternwirtschaft, er habe einem alten Jugendfreund eine Stelle zugeschanzt und damit verhindert, dass jüngere und fähigere Personen sich hätten bewerben können. Als ehemaliger Kadermitarbeiter einer Bank könne Bosisio doch gar nicht mitreden und sei am Gängelband der Geschäftsleitung. Rohrer echauffierte sich:
«Die Direktorenstelle im Reusspark ist doch kein Monopoly-Spiel für Rentner.»
Diese Anschuldigungen stiessen einer Mitarbeitenden der erweiterten Geschäftsleitung sauer auf, sie sagte: «Urs Bosisio ist nicht an unserem Gängelband, er erteilt uns klare Aufträge.» Aus den Reaktionen der Mehrheit der Vereinsmitglieder war deutlich zu lesen, dass für sie das Kapitel abgeschlossen ist und sie vorwärts schauen wollen.
Dass Bosisio nicht nur Scherben aufgewischt, sondern auch das Schiff wieder auf Kurs gebracht hat, ging aus dem Jahresbericht deutlich hervor. Sechs Handlungsfelder definierte er gemeinsam mit der Geschäftsleitung, die er bis 2025 voranbringen will.
Im Fokus stehen unter anderem die Verbesserung der Auslastung des Tages- und Nachtzentrums und das Prüfen von neuen Wohnformen im Alter. Aber auch die Vernetzung mit Institutionen und Partnern soll vorangetrieben werden.
Die 40 Hektaren Kulturland rund um die Institution werden ab September 2023 neu verpachtet. Für die künftige Bewirtschaftung des Landes ist mehr Biodiversität gewünscht. Damit sich Bewohnende und Gäste wohl und aufgehoben fühlen, soll die Landschaft entlang des Reussufers und des Radweges aufgewertet werden.
Die Sanierung des Klosters West brachte einige unerwartete Überraschungen zu Tage, berichtete Notter. Erfreulich sei deshalb, dass der Baukredit in der Höhe von 10 Mio. Franken um bloss 770'000 Franken überschritten wurde.
Die Jahresrechnung stand im Zeichen der Pandemie. Die Mehraufwendungen muss die Institution selber tragen. Es resultierte ein Betriebsverlust von 58'900 Franken. Die Bettenauslastung mit 95 Prozent bezeichnete Bosisio hingegen als einen hervorragenden Wert.
Die beiden verwaisten Vorstandsposten wurden mit Rolf Kasper aus Wilen und Wädi Koch aus Niederwil besetzt. Kasper ist Gründer der Hotelgruppe Aargauhotels, er wird im Vorstand den Bereich Gastronomie und Hotellerie verantworten. Koch, ehemaliger Niederwiler Gemeindeammann, wird für die politische Vernetzung besorgt sein.