Um die vom Bund verlangte Anzahl vorläufig aufgenommener Asylsuchender unterbringen zu können, braucht Niederwil mehr Platz. Die derzeitige Unterkunft bleibt nicht mehr allzu lange stehen. Nun liegt eine pfannenfertige Lösung mit einem neuen doppelstöckigen Haus für 860'000 Franken vor.
Die Fakten sind klar: Niederwil muss derzeit elf vorläufig aufgenommene Personen in der Gemeinde unterbringen. Tut die Gemeinde das nicht, muss sie entweder Ersatzabgaben leisten oder eine andere Gemeinde finden, die diese Personen aufnimmt. Derzeit sind die elf Leute an der Hauptstrasse 9 untergebracht. Doch dort läuft bereits die Planung für eine Überbauung. Zudem ist das Haus sehr baufällig, im Bad gibt's nur Standtoiletten, «die wir höchstens noch aus Autobahnraststätten in südlichen Ländern kennen», sagte Gemeinderätin Cornelia Stutz an der Infoveranstaltung am Donnerstagabend. Die Gemeinde braucht eine neue Lösung.
Und genau diese kann der Gemeinderat nun quasi pfannenfertig liefern. «Nachdem 2018 der Umbau des Gebäudes an der Göslikerstrasse 25 zur Asylunterkunft abgelehnt wurde, haben wir einen Aufruf gestartet, um zu erfahren, welche anderen Möglichkeiten es im Dorf noch gibt», erinnerte Stutz die rund 40 Interessierten in der Mehrzweckhalle.
Es seien viele Angebote eingegangen. Gemeinderat Daniel Pietsch erklärte: «Alle Angebote, die über eine Million kosteten, haben wir von Beginn weg abgelehnt. Es handelte sich bei allen um baufällige Objekte mit unabschätzbaren Folgekosten.» Doch dann kam ein Tipp aus der Bevölkerung, der die Planung voranbrachte: ein kleines, abbruchreifes Häuschen an der Hubelstrasse 18.
Das Häuschen plus Umschwung dahinter – zusammen rund 1300 Quadratmeter Fläche – gehören dem Verein Gnadenthal. «Grundsätzlich wollten wir eine Liegenschaft kaufen, in der wir die Asylsuchenden unterbringen können», hielt Stutz fest. «Doch der Verein Gnadenthal möchte das Grundstück langfristig behalten.» Die Lösung ist simpel, wie Stutz erklärte:
«Der Verein Gnadenthal würde das bestehende Haus auf eigene Kosten abreissen. Danach würde er uns das Grundstück im Baurecht für 35 Jahre überlassen.»
Der Baurechtszins würde jährlich 12'000 Franken betragen. So könnte die Gemeinde genau das Haus erstellen, das sie für die Unterbringung braucht.
Dabei gibt es vier Möglichkeiten: sogenannte Condecta-Container, ein Boxsystem sowie einen ein- oder einen zweigeschossigen Festbau. Zu der Container- und der Boxlösung sagte Stutz: «Sie bestehen aus einer Metallkonstruktion mit Wänden aus Holzplatten. Die Wände sind fix eingebaut und können nicht verstellt werden. Das Boxsystem ist auch schlecht für draussen geeignet und bräuchte zusätzliche Heizung und Kühlung.» Beide Varianten hält der Gemeinderat für wenig tauglich.
Einen Festbau hingegen halten die Niederwiler Gemeinderäte für die optimale Lösung. «Die Raumgrössen sind auf unsere Bedürfnisse anpassbar. Ausserdem herrscht in den Räumen ein gutes Klima und die Variante ist auch ökologisch ansprechend», sagte Stutz. Der Bau würde total 860'000 Franken kosten.
Einen solchen zweigeschossigen Festbau konnte die Gemeinde Eggenwil Ende 2019 einweihen. «Man höre und staune zwischen dem Schulhaus und dem Gemeindehaus», so Stutz.
«Die Vorteile eines zweigeschossigen Baus sind, dass die Grund- und Dachfläche, die teuer sind, kleiner werden. Es ist energetisch sinnvoll, und aus einer grossen Wohnung, die sich alle elf Asylsuchenden teilen, werden zwei normalgrosse für je die Hälfte von ihnen», zählte Stutz auf. Jede Wohnung hätte drei Zimmer, einen Küchen- und Wohnbereich sowie ein Bad. Jede bietet also Platz für sechs Personen.
Das doppelstöckige Haus hätte aber auch seine Vorteile, wenn das Kontingent an aufzunehmenden Asylsuchenden zu- oder abnehmen würde:
«Wir haben die Zimmer ein wenig grösser planen lassen als in Eggenwil, sodass im Notfall kurzfristig 18 statt 12 Menschen dort unterkommen könnten.»
Und falls die Zahl der aufzunehmenden Asylsuchenden sinken sollte, könnten sie eine der beiden Wohnungen als Sozialwohnung vermieten.
Nicht nur aus sozialen und ökologischen, sondern schlicht auch aus finanziellen Gründen sei dies die beste Lösung für die Gemeinde. Cornelia Stutz rechnete vor, dass die Unterbringung der elf Asylsuchenden in einer gemeindeeigenen Liegenschaft – wie dem neuen doppelstöckigen Bau – der Gemeinde sogar bis zu 9000 Franken einbringen könnte. In Mietwohnungen hingegen würde die Gemeinde rund 5000 Franken drauflegen, bei einer Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden gar 170'000 Franken und bei Ersatzzahlungen, weil sie keine Asylsuchende aufnehmen will, wären es sogar 370'000 Franken.
Am 22. Juni haben die Einwohnerinnen und Einwohner an der Gmeind die Möglichkeit, über das Projekt abzustimmen. Wenn alles klappt, könnte dieses bereits im Herbst 2022 bezugsbereit sein.
Fragen gab es dazu nicht viele. Einzelne Einwohner wollten wissen, ob der Bau einer Asylunterkunft den Wert ihrer Immobilie schmälern würde. Andere interessierten sich dafür, wer den Schaden bezahlen würde, wenn ein Asylsuchender beispielsweise Autos im Quartier beschädigen würde.
Eine Wertminderung der Liegenschaften hätten die Bewohner nicht zu befürchten, versicherte Gemeinderat Daniel Pietsch. Im Gegenteil: Anstelle der heutigen Ruine an der Hubelstrasse 18 entstehe ein schöner Bau samt Umschwung, auf dem die Asylsuchenden beispielsweise mit ihren Betreuerinnen einen Garten bearbeiten könnten.
Ausserdem gab Stutz zu bedenken, dass es in den Jahren 2019 und 2020 keinen einzigen Vorfall gegeben habe in der Asylunterkunft, bei dem die Regional- oder Kantonspolizei hätte einschreiten müssen. «Das letzte Mal, als die Polizei vor der Unterkunft parkierte, ging es um eine entlaufene Katze in der Nachbarschaft», berichtete Stutz lachend.