Bremgarten
Nach Vierteljahrhundert: Heinz Wettstein schliesst sein Musikgeschäft in der Altstadt

Der 78-jährige Heinz Wettstein schliesst sein Musikgeschäft in Bremgartens Altstadt Ende Juni. Zuvor hatte er Musik Wettstein 24 Jahre lang betrieben. Nun blickt er zurück auf eine Ära, die von der Liebe zur Musik geprägt wurde. Einen Nachfolger für das Musikgeschäft hat er nicht gefunden.

Marc Ribolla
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Heinz Wettstein hat in seinem Laden in Bremgarten rund 150 Gitarren an Lager.

Heinz Wettstein hat in seinem Laden in Bremgarten rund 150 Gitarren an Lager.

Marc Ribolla

In seinem Alter geniessen andere Menschen schon seit über einem Jahrzehnt den Ruhestand. Doch Heinz Wettstein gehört nicht dazu. Seit 24 Jahren führt der 78-Jährige bereits sein Geschäft Musik Wettstein in der Bremgarter Altstadt. «Für mich stand es nie zur Diskussion, mit 65 aufzuhören», sagt Wettstein. Nun geht er diesen wohlverdienten Schritt trotzdem. Ende Juni schliesst er seinen Laden offiziell, anschliessend beginnt ein Räumungsverkauf bis in den September hinein – zu leicht reduzierten Preisen, aber gleichen Öffnungszeiten.

Den Abschiedsentschluss fasste er bereits vor eineinhalb Jahren. «2020 ist eine schöne Zahl. Ich gehe mit einem guten Gefühl. Man wird mich in Bremgarten auch in Zukunft grüssen», sagt Wettstein, der in Niederrohrdorf wohnt. Begrüssen durfte er in den letzten Jahrzehnten Hunderte von Stammkunden aus der Region von Mellingen bis Sins, zig Schulen durfte er beliefern, wurde von vielen Musiklehrern weiterempfohlen.

Die Kundschaft stand immer im Mittelpunkt

Auch während des Besuchs der AZ betreten Kunden das charmevolle Ladenlokal in der Marktgasse. Wettstein gibt einer Kundin Tipps, wo sie ein Schlagzeug am besten erwerben könnte, einem anderen hilft er bei einem Gitarren-Problem. Für ihn stand immer die Kundschaft im Mittelpunkt. «Ein Laden muss einfach offen haben und einen guten Kundenservice bieten», sagt Wettstein. Deshalb hat er von Montag bis Samstag offen und habe in den 24 Jahren «nie gefehlt».

An einen Kunden erinnert er sich besonders. «2001 betrat ein junger Moldawier vom Zirkusorchester Stey den Laden. Ich merkte, dass er ein sehr grosses Musikertalent ist, und setzte mich dafür ein, dass er an der Jazz-Berufsschule in Bern studieren konnte. Nur 2 von 74 Bewerbern schafften die Aufnahmeprüfung, er war einer davon. Mittlerweile ist er an der Zürcher Musikschule Lehrer für Klavier, moderne Musik und Jazz und wir haben immer noch Kontakt.»

Die Liebe zur Musik begleitet Wettstein schon seit frühen Jahren. Der gelernte Feinmechaniker interessierte sich vor allem für Blasinstrumente und tourte in den 60er- und 70er-Jahren mit dem Tanzorchester 7 Berry’s durchs Land, später unterrichtete er auch Trompete. 1996 beschloss er, sich selbstständig zu machen – und fand in Bremgarten den passenden Ort. «Ich stand schon als 14-Jähriger, als hier noch ein Tuchladen war, das erste Mal da drin. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in diesem Laden arbeite», erzählt er.

Absatz an Gitarren ist in letzten Jahren angestiegen

Einen Nachfolger für das Musikgeschäft hat er nicht gefunden, er möchte auch niemandem etwas aufdrücken. «Ich habe gute Jahre hier erlebt, doch in letzter Zeit spürt man den aufkommenden Onlinehandel stark», sagt Wettstein. Zugenommen habe der Verkauf von Gitarren, was auch an den Musikschulen registriert worden sei. Nachgelassen habe im Gegenzug der Absatz an Blasinstrumenten.

Die Musikkultur habe sich ebenfalls stark verändert. Wettstein drückt es so aus: «In der Hitparade findet man heutzutage fast nur noch synthetisches Musikgebastel und keine Bläser mehr.» In seinem Lokal hat er immer zwischen 150 und 200 Gitarren an Lager – jeglicher Couleur und Stilrichtung. Wer sich dafür interessiert, hat noch bis September Zeit. Dann verstummen die Instrumente an der Bremgarter Marktgasse 10 endgültig.