Zwei Wochen nach seinem Trio-Auftritt steht Omer Klein am Sonntagabend allein im Fokus. Mit seiner Musik erzeugt er einen Wow-Effekt beim Publikum. Alte sowie neue Stücke bis hin zu Covers begeistern die Zuschauer vom Pflegidach in Muri.
Omer Klein ist über dem Piano geneigt, sodass seine Nasenspitze schon fast die Tasten streift. Der Kopf schwankt passend zum Musikfluss in alle Richtungen und lenkt sogar von seinem auffällig buntem Shirt ab. Seine Finger scheinen ungehindert weiter zu musizieren, während er die Augen langsam schliesst. Plötzlich flitzt sein Blick wieder nach vorne.
Es scheint wie ein Déjà-vu des Auftritts in Prag. An jenem Abend sei der Pianist so schlapp gewesen, dass er inmitten seines Konzerts für eine Millisekunde eingeschlafen war. Nicht einmal seine Band-Mitglieder haben bemerkt, wie er seine Stirn leicht gegen das Piano gestossen hat, berichtet Klein. Er sei selbst begeistert gewesen, wie diskret seine Finger es überspielen konnten. Zudem habe er am selben Abend eine Saite des Flügels demoliert. Ein Erlebnis über das der Künstler noch heute lachen kann.
Aufgrund seiner Liebe zum Jazz reist der 38-Jährige zunächst ohne Absicht auszuwandern nach Amerika. Dabei bleibt er spontan und lässt alles Mögliche auf ihn zukommen. Von seinem Traum geleitet, hofft der Jazzliebhaber bald auch mit Afro-amerikanischen Musikern zu kooperieren und weiteres von ihnen zu lernen. Die Furcht seine Zeit zu verschwenden und nicht erfolgreich zu werden, geht dem Pianist und Komponist nie durch den Kopf. Er investiert schon im frühen Alter viel Zeit zum Proben und macht es mit Leidenschaft. Was ihn fest an der Sache dranhält, ist der Wille einst gute Musik zu machen und zu verbreiten.
Omer Klein stammt aus einer unmusikalischen Familie, dennoch scheint das an Vorteile zu haben. Seine Eltern sagen ihm nie, dass er lieber Arzt oder Anwalt werden soll. Er ist frei wie ein Vogel und beglückt sich, indem er das macht, was er am meisten liebt, Musik. Aufgewachsen mit israelischer Kultur und Hebräisch als Muttersprache: Die Spuren seiner Herkunft sind in einigen seiner Kompositionen wieder zu erkennen. Auch wenn der Artist manchmal versucht beim Musizieren gegen seine Kultur anzukämpfen, mischt sie sich leicht wieder unter. Abgesehen von der israelischen Kultur ist Omer Klein offen für Neues, reist und entdeckt gerne andere Gebiete. Wobei der Antrieb für Ausflüge meistens seine Berufung ist.
Mit funkelnden Augen sieht das Publikum den gleitenden Händen des Performers entlang. Mal langsame, Mal schnelle Töne tanzen durch den Raum. Mit ihnen bewegen sich die Köpfe und Füsse der Zuschauer. Das Wichtigste sei, die Emotionen den Zuhörern zu übermitteln, erläutert Klein. Er achtet besonders darauf, dass jedes Musikstück mit Persönlichkeit und tiefgründigen Gefühlen verbunden ist. Schon beim ersten Song wird der Solo-Pianist mitgerissen von der Stimmung und hüpft im Takt auf dem Hocker auf und ab. Er tippt auf den Tasten, schneller als es das Auge verfolgen kann. Währendem er spielt, wendet sich sein Blick an die Decke, als würde dort die Abfolge der Musiknoten stehen.
Auch mit den Betrachtern wird Augenkontakt aufgenommen, sogar mit denjenigen hinter seinem Rücken. Mit einer kurzen Verbeugung bedankt er sich nach fast jedem Musikspiel. Die Leute klatschen und lassen ihn fast nicht zu Worte kommen, wobei er nur nachträglich den Songnamen erwähnen will. «Good Hands», so heisst das erste Lied. Es ist Omer Kleins Grosseltern gewidmet. Sie sind in den 50er Jahren von Nordafrika (Tunesien und Libyen) nach Israel gezogen. «Good Hands» reflektiert die Liebe zu seinen Grosseltern und zu allen anderen fleissigen Leuten. «Was auf keinen Fall fehlen darf, sind seine Sprüche», teilt eine Zuschauerin mit. Da der Künstler allein auftritt, hat man mehr Kapazität ihm zuzuhören. «Die Show ist plötzlich von ganz anderer Qualität», staunt sie.
Dieses Mal darf er einen ganz besonderen Gast begrüssen. Es ist Hava, ein 5-jähriges Mädchen. Weil sie lange gebraucht hat, um auf die Welt zu kommen, wurde während ihrer Geburt ein ganzes Album von Omer Klein durchgespielt. Das erste Lied das Hava hörte, war «The Flower and the Seed». Normalerweise ist es nur seinen Kindern dediziert. An diesem Konzert aber spielt er es speziell für Hava. Die Leute schmunzeln und scheinen die Vorstellung zu mögen. Omer Klein ist überzeugt, das Publikum sei mit ihrer positiven Energie am Auftritt mitbeteiligt. Es folgt wieder einer seiner Witze: «Falls Ihnen der Abend nicht gefallen hat, sind Sie auch daran schuld.» Die Audienz lacht und klatscht erneut.