Wohlen
Kantischüler wird für Flüchtlingscomic-Maturaarbeit ausgezeichnet

Tim Oechslins Matuaraarbeit gewinnt den Rotary-Preis, der Schüler will nun sein Hobby zum Beruf machen.

Nora Güdemann
Drucken
Tim Oechslin (18) hält sein Erstlingswerk in der Hand – vor ihm liegen die Originale, die er selbst gezeichnet und ausgemalt hat.

Tim Oechslin (18) hält sein Erstlingswerk in der Hand – vor ihm liegen die Originale, die er selbst gezeichnet und ausgemalt hat.

Nora Güdemann

Drei Personen sitzen an einem Bahnhof und unterhalten sich. Ein kleiner Bub, ein junger Erwachsener und ein alter Mann. Sie haben etwas gemeinsam, denn sie mussten aus ihrer Heimat flüchten, vor Bomben und Hunger. Die drei erzählen sich ihre Geschichten auf 35 Seiten. Sie sind die Hauptcharaktere des Comics von Tim Oechslin. Der 18-jährige Kantischüler aus Auw erarbeitete den Bildband im Rahmen seiner Maturaarbeit. Seine Mühen haben sich gelohnt: Tims Arbeit wurde mit einer Sechs benotet und mit dem dritten Platz des Rotary-Preises (siehe Box unten) ausgezeichnet. Erwartet habe er das nicht. «Natürlich war es mein Ziel, eine genügende Note zu bekommen», gibt er zu. «Aber am Anfang hat es noch nicht so gut für mich ausgesehen.» Denn Tim geriet in Zeitdruck. Seine ursprüngliche Idee, einen farbigen Comic mit einer rührenden, heldenhaften Flüchtlingsgeschichte zu erstellen, musste er über Bord werfen. «Das wäre zu aufwendig gewesen», sagt er.

Kunst soll eine Aussage haben

Also begrenzte sich Tim aufs Wesentliche. Er arbeitete nur noch mit Schwarz und Weiss, zwei starken Kontrasten, und zeichnete flächig anstatt linear. Die kitschige Geschichte ersetzte er mit drei Kurzgeschichten, was sich als richtig herausstellen sollte. «In Büchern habe ich Erfahrungen von Flüchtlingen nachgelesen und diese grafisch umgesetzt», erzählt Tim. «Die Themen Asyl und Flucht sind momentan sehr in den Medien präsent und gehen jeden etwas an.»

Mit Flüchtlingen und Krisengebieten beschäftigte sich der Kantischüler das erste Mal im Projektunterricht. «Mich hat vor allem interessiert, was im Grossraum Syrien passiert.» So erzählt Tim die wahre Geschichte des ältesten Mannes, dessen Dorf erst von den Rebellen und dann vom Assad-Regime angegriffen wurde. Der Jüngste lebte in der zerbombten Stadt Aleppo und der junge Erwachsene machte auf der Flucht positive Erfahrungen mit der Grenzwache. Die Arbeit an seinem Comic war für Tim sehr lehrreich. Er hat schon immer gern gezeichnet, entwickelte eine Vorliebe für Mangas. Aber für die Matura wollte er etwas schaffen, das eine Aussage hat. «Während meiner Recherche habe ich realisiert, dass ich helfen möchte.» Die Arbeit soll den Leser zum Denken anregen: «Für die Flüchtenden ist es kein einfacher Entscheid, die Heimat zu verlassen. Aber es geht um Leben und Tod, was für uns Schweizer unvorstellbar ist.»

Der 18-Jährige mag Kunst, die ästhetisch schön anzusehen ist, aber auch eine tiefere Bedeutung besitzt. Inspirieren lässt er sich von Filmen des Regisseurs Quentin Tarantino oder von Skulpturen des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti.

Auf der Suche nach Verleger

Momentan steckt Tim noch mitten in den Abschlussprüfungen. Um den Kopf freizubekommen, spielt er Fussball beim FC Sins, macht Leichtathletik oder trifft sich mit seinen Freunden. Der Kunst will er auch nach seiner Kantizeit weiterhin treu bleiben und belegt im nächsten Jahr den Vorkurs der Zürcher Hochschule der Künste.

Sein Ziel ist es, Geld mit seiner liebsten Beschäftigung verdienen zu können. Schon jetzt sieht er sich, zusammen mit seiner Lehrerin, nach einem potenziellen Verleger für sein erstes Werk, den Flüchtlingscomic, um. «Wir haben Klett angefragt, vielleicht wird das Heft als Lehrmittel gedruckt.»

Einstein auf Platz 1

Der Rotary Club Freiamt zeichnet jedes Jahr überdurchschnittlich gute Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit einem Preisgeld aus. Ein Komitee bestehend aus drei Lehrkräften und drei Mitgliedern des Rotary-Clubs wählt aus den nominierten Maturaarbeiten die drei besten aus. Schüler Sébastien Garmier setzte sich mit Einsteins Relativitätstheorie auseinander und belegte dieses Jahr den ersten Platz. Ihm folgte Marko Pisteljic, der über die Wirkung von Antioxidantien schrieb. Tim Oechslins «Flüchtlinge» ergatterte Platz drei. (NGÜ)