Muri
Jagdgesellschaft Lindenberg-Muri bewahrt Rehkitze vor Mähtod – mit Drohnen und Wärmebild

Die Jagdgesellschaft Lindenberg-Muri lässt Wiesen von zwei Multikopterpiloten vor dem Mähen abfliegen.

Eddy Schambron
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Der Multikopter, hier bedient von Daniel Wyss (rechts), verfügt über eine Wärmebildkamera, die Rehkitze in der Wiese auf dem Bildschirm in der Hand von Adrian Baumberger anzeigt.

Der Multikopter, hier bedient von Daniel Wyss (rechts), verfügt über eine Wärmebildkamera, die Rehkitze in der Wiese auf dem Bildschirm in der Hand von Adrian Baumberger anzeigt.

Eddy Schambron

Sie sind Jäger. Und neuerdings Piloten: Adrian Baumberger und Daniel Wyss von der Jagdgesellschaft Lindenberg-Muri retten durch den Einsatz einer Drohne mit Wärmebildkamera Rehkitze vor dem Mähtod. «Wir sind mit der Drohne sehr viel effizienter beim Absuchen eines Feldes als mit der herkömmlichen Methode, dem Abschreiten zu Fuss», stellen sie fest. Auf einer drei Hektaren grossen Wiese spürt die Drohne in rund acht Minuten jedes Rehkitz auf und meldet dessen Position. Zu Fuss sind dafür sieben Mann und eine Stunde Zeit notwendig, ohne die gleich hohe Trefferquote. «Wenn ein Rehkitz nur einen halben Meter nebenan liegt, ist es möglich, dass wir es übersehen. Das passiert der Wärmebildkamera unter der Drohne nicht», stellen Baumberger und Wyss fest. Die Drohnenflüge sind mit dem Flugplatz Buttwil abgesprochen und koordiniert.

Das Rehkitz versteckt sich im Gras. Mit der Wärmebildkamera wird es entdeckt und kann vor dem Mähtod bewahrt werden.

Das Rehkitz versteckt sich im Gras. Mit der Wärmebildkamera wird es entdeckt und kann vor dem Mähtod bewahrt werden.

zvg/Rehkitzrettung_Schweiz

Erfolgreiches Pilotprojekt

Der Einsatz der Drohne bei der Jagdgesellschaft Lindenberg-Muri erfolgt im Rahmen eines Pilotprojektes, das unter dem Patronat der Stiftung Rehkitzrettung Schweiz steht. Baumberger und Wyss haben sich an drei Kurstagen dafür speziell ausbilden lassen und setzen die Drohne, leihweise zur Verfügung gestellt, dieses Jahr erstmals ein. Bevor der Flug losgeht, müssen zuerst die entsprechenden Flugrouten programmiert werden, damit die Drohne das ganze Feld erfassen kann. Die Rehkitz-Piloten arbeiten immer im Team: einer fliegt den Multikopter, der andere beobachtet die Bilder der Kamera auf einem Bildschirm genau. «Wir haben bisher im Revier der Jagdgesellschaft Lindenberg-Muri sechs Rehkitze vor dem Mähtod gerettet», freuen sich die beiden Piloten. Dafür wurden über 50 Wiesen und Felder, teilweise mehrfach, systematisch mit Drohne und Wärmebildkamera abgesucht. Parallel dazu kommt die Methode des Abgehens eines Feldes durch die zwölf Pächter des Jagdreviers, durch die sechs Stammtreiber sowie freiwilligen Helfern dazu. «Die beiden Methoden ergänzen sich bestens», stellt Baumberger fest. Koordiniert wird die Rehkitzrettung durch Anton Brogle, der die entsprechenden Kontakte zu den Landwirten seit vielen Jahren aufgebaut hat und pflegt und alle kritischen Felder des Reviers kennt.

Angeborenes Verhalten

Rehe haben die Angewohnheit, ihre frisch geborenen Jungen in Felder mit hohem Gras abzulegen und sie so in Sicherheit zu bringen. Dort verhalten sich die Rehkitze bei Gefahr ganz still. Das ist von der Natur gut und richtig eingerichtet, solange kein Mäher naht. Mit Fahnen oder Ballonen, am Vorabend des Mähens im Feld aufgestellt, versuchen Jäger und Landwirte, Rehgeissen davon abzuhalten, ihre Jungen in die Felder zu legen. «Die Zusammenarbeit zwischen uns und den Landwirten klappt sehr gut», loben Baumberger, Wyss und Brogle. Vor dem Mähen selber werden die Felder zu Fuss abgesucht. «Das machen wir weiterhin», unterstreichen die Jäger. «Mit der Wärmebildkamera der Drohne können wir ein Rehkitz im Gras jedoch zusätzlich sehr genau lokalisieren.»

Nur am frühen Morgen

Für ihre Flüge müssen die Piloten früh aus den Federn. «Der Zeitrahmen ist limitiert», stellt Baumberger fest: «Wir fliegen in den frühen Morgenstunden. Später ist es oft zu warm und damit die Temperaturdifferenz zwischen Rehkitz und Umgebung zu gering, damit das Tier das Tier von der Wärmebildkamera zuverlässig erfasst werden kann.

Das Fluggerät überfliegt die Wiese mit rund 20 Stundenkilometern auf einer Höhe von 30 bis 40 Metern. Die Bilder werden direkt auf einen Bildschirm am Boden übertragen, wo die Kitze aufgrund ihrer Körpertemperatur als helle Flecken in der dunklen Wiese dargestellt werden. Wird eines entdeckt, wird der genaue Ort gespeichert, die Drohne fliegt das Programm zu Ende und wird dann wieder zum gespeicherten Punkt geschickt, wo ein Jäger schliesslich das Rehkitz aus der Gefahrenzone trägt.

PILOTPROJEKT REHKITZRETTUNG

Fast 400 Rehkitze dank Drohne gerettet

In der Schweiz sterben jährlich mehrere tausend Rehkitze bei der Heuete. Der angeborene Drückinstinkt veranlasst die Rehkitze, sich bei Gefahr still zu verhalten und sich an den Boden zu pressen. Nach zwei bis drei Wochen verliert sich dieser Instinkt, dennoch verlassen sich die Jungtiere, wie auf www. rehkitzrettung.ch festgehalten wird, immer noch auf ihre gute Tarnung und springen erst auf, wenn die Gefahr auf wenige Meter herangekommen ist – zu spät, um sich vor einer Mähmaschine in Sicherheit zu bringen.

Die herkömmliche Methode zur Rehkitzrettung ist das sogenannte Verblenden: Mit Fahnen und/oder Ballonen werden die Rehgeissen veranlasst, ihre Kitze aus dem zu mähenden Bereich zu holen. Die sicherste ist allerdings der Einsatz mit der Drohne und Wärmebildkamera. So konnten in den letzen Jahren in der Schweiz bereits über 394 Rehkitze gerettet werden. Das Konzept wurde an der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften entwickelt. (es)