Wohlen
Grosse Gefühle für die kleine Bahn

Das Jubiläum der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn wurde mit einer Extrafahrt gefeiert, exakt 100 Jahre nach der Betriebsaufnahme vom 18. Dezember 1916.

Jörg Baumann
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Die Reisegruppe vor dem WM-Triebwagen BDe 4/4 Nr. 2, der in Koblenz restauriert wurde. Er war von 1966 bis 1997 zwischen Wohlen und Fahrwangen unterwegs.

Die Reisegruppe vor dem WM-Triebwagen BDe 4/4 Nr. 2, der in Koblenz restauriert wurde. Er war von 1966 bis 1997 zwischen Wohlen und Fahrwangen unterwegs.

Alte eingefleischte Bähnler trauern der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn immer noch nach. Sie stellte vor bald 20 Jahren ihren Betrieb ein und wurde durch den WM-Bus ersetzt. 100 Jahre nach der Betriebseröffnung der Lokalbahn fuhr die WM-Bahn mit den Gästen nicht an den Endbahnhof Fahrwangen, sondern von Wohlen aus über Rotkreuz, Arth-Goldau, Biberbrugg, Zürich und Turgi nach Koblenz. Im früheren Grenzbahnhof zu Deutschland kümmert sich der Verein Depot und Schienenfahrzeuge Koblenz rührend um alte Schienenfahrzeuge und in der grössten Draisinensammlung um die kleinen Dienstfahrzeuge.

Verein restauriert alten Triebwagen

Der Verein bewahrt auch die Erinnerung an die WM-Bahn. So baute er den vor 50 Jahren in Dienst gestellten Triebwagen BDe 4/4 Nr. 2 zu einem beliebten Partywagen um. Das frühere Gepäckabteil dient heute als Bartheke und Anrichte für das Servicepersonal, das die Fahrgäste kulinarisch umsorgt. Rund 30 Mal im Jahr ist der alte WM-Wagen seitdem auf Vergnügungsfahrten unterwegs. Im Führerstand stand am Jubiläumsausflug kein ehemaliger WM-Wagenführer, sondern der SBB-Lokführer Meinrad Suter, eine Stütze des Koblenzer Vereins.

Im Depot des Koblenzer Vereins zeigte Fritz Winterberger, der seine ersten Sporen bei der WM-Bahn abverdient hatte, drei seiner vielen Videofilme über die alten Zeiten der Lokalbahn. Winterberger hat in seinem Berufsleben viele Fotografien und Dokumente gesammelt, die mit der Bahn zusammenhängen. Aufschlussreich ist, wie die Betriebsleitung vor der Einweihung der Bahn das Personal auf ihre Pflichten einschwor. Jeder Angestellte solle «freudig und willig» seine Aufgaben erfüllen, heisst es darin. Die Betriebsleitung wünschte sich «treue und aufrechte Mitarbeiter, die das junge Unternehmen fortwährend fördern und wahren helfen».

Unter schwierigen Bedingungen

In den Filmdokumenten lebte die strenge Rangierarbeit für das Wohler Stahl- und Walzwerk Ferrowohlen nochmals auf. Die Sicherheitsvorkehrungen waren weniger streng, als sie heute vom Bundesamt für Verkehr verordnet werden. «Die Rangierstrecke überquerte den Schülerradweg zwischen Villmergen und Wohlen. Zum Glück verunglückte nie ein Schüler auf den Eisenbahnschienen», sagte Thomas Koch, der seine Berufslehre als Betriebsdisponent bei der WM-Bahn absolviert hatte und nachher zur Bremgarten-Dietikon-Bahn wechselte, wo er seit einigen Jahren als Leiter Kundenservice tätig ist.

Auch die 75-Jahr-Feier der Bahn, die 1991 stattfand, durfte unter den gezeigten Filmen nicht fehlen. Denn damals wollte man noch nicht glauben, dass die Lokalbahn schon sechs Jahre später Geschichte sein würde. Das Bahnjubiläum war ein Volksfest, das an allen Bahnstationen gebührend zelebriert wurde. 1991 rüstete man die Stationen noch zukunftsgläubig mit Fernmeldeeinrichtungen, Bahnsprech- und Infosäulen aus. 1993 folgte auf die glückselige Stimmung ein Schock.

Ende der Ferro war Ende der Bahn

Die Ferrowohlen AG stellte, unerwartet für das breite Volk, den Betrieb ein. Damit verlor die WM-Bahn ihren wichtigsten Güterkunden, der das Betriebsergebnis der Bahn noch kräftig aufgemöbelt hatte. Der Verlust der Ferro beschleunigte die Umstellung auf den Busbetrieb merklich.

Pünktlich traf der WM-Wagen um 17.22 Uhr wieder im Bahnhof Wohlen ein. Auf dem Gleis 6, auf dem die beliebte Lokalbahn einst Halt machte. Erinnerungen wurden nochmals wach. Man verabschiedete sich voneinander – aber viele nicht endgültig von dieser Bahn, die ihr Lebensinhalt gewesen war.