Asylstreit Oberwil-Lieli
Glarner spricht von «Etappensieg», die IG von einer «falschen Haltung» des Gemeinderats

Oberwil-Lieli will die vom Kanton zugeteilten zehn Asylsuchenden nicht aufnehmen und sich stattdessen freikaufen. So reagieren Ammann Andreas Glarner und die IG Solidarität auf den Volksentscheid.

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Gegenspieler: Ammann Andreas Glarner und Martin Uebelhart von der IG Solidarität.

Gegenspieler: Ammann Andreas Glarner und Martin Uebelhart von der IG Solidarität.

Keystone

"Es ist erst ein Etappensieg", sagt Gemeindeammann und SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Er verweist auf die nächste Gemeindeversammlung im Juni. Der Gemeinderat muss dort der Gemeindeversammlung ein neues Budget 2016 vorlegen. Der Antrag, das Geld nicht für Ersatzzahlung einzusetzen, kann erneut gestellt werden. Auch ein zweites Referendum ist möglich. "Wir finden es wichtig, ein Signal zu setzen an den Kanton."

Die IG Solidarität habe ein beachtliches Resultat erreicht, anerkannte Gemeindeammann Glarner nach der Abstimmung. Aber ein demokratischer Entscheid sei nun einmal ein demokratischer Entscheid. «Er bedeutet sicher nicht, dass Oberwil-Lieli nun fünf statt zehn Asylbewerber aufnehmen soll», so Glarner.

Er fragte sich nach dem Ausgang weniger, was schliesslich den Ausschlag für die Haltung des Gemeinderats gab. Vielmehr frage er sich, warum in einem klar bürgerlich dominierten Dorf überhaupt so viele Stimmbürger für die Aufnahme von Flüchtlingen stimmen konnten. Diese Leute würden vielleicht nicht über die Konsequenzen nachdenken, meinte Glarner und spielte damit auf die Diskussion über Sozialhilfekosten an.

"Natürlich sind wir enttäuscht", sagt Martin Uebelhart, Sprecher der Interessengemeinschaft im Video-Interview mit Keystone. Es sei allerdings ein knappes Ergebnis. "Das zeigt, dass die Haltung des Gemeinderats, dass nur eine kleine Minderheit gegen seine Asylpolitik ist, falsch ist. Es ist etwa das halbe Dorf gegen seine Asylpolitik." Er hoffe, dass der Gemeinderat das auch berücksichtigt in seinen weiteren Stellungnahmen.

Die Gegner der IG hatten damit argumentiert, dass viele nur Wirtschaftsflüchtlinge seien und dann in die Sozialhilfe fallen würden. Uebelhart berichtigt: In Frage gekommen wären vorläufig Aufgenommene mit Ausweis F, deren Asylgesuch abgelehnt wurde. Diese werden zur Entlastung der kantonalen und Bundeszentren auf die Gemeinden verteilt.

Konkret verwarfen die Stimmberechtigten in der Referendumsabstimmung am Sonntag das Gemeindebudget 2016. Der Entscheid fiel sehr knapp mit 579 Nein-Stimmen zu 525 Ja-Stimmen. Die Stimmbeteiligung betrug 68,9 Prozent.

Mit dem Nein zum Budget stiessen die Stimmberechtigten den Entscheid der Gemeindeversammlung von Ende November um. Die Versammlung hatte damals beschlossen, die im Budget eingestellten 290'000 Franken nicht für die Ersatzzahlung an den Kanton wegen Nichtaufnahme von Asylsuchenden zu verwenden. (mou/pz/sda)

Mehrere säumige Gemeinden

Die reiche Gemeinde Oberwil-Lieli zählt rund 2100 Einwohnerinnen und Einwohner und sieht sich selbst als "Juwel am Mutschellen". Sie ist im Aargau nicht die einzige Gemeinde, die keine oder nicht genügend Asylsuchende vom Kanton aufnimmt.

Die 213 Gemeinden sollten per Ende März vom Kanton 314 mehr Menschen aufnehmen. Insgesamt müssen sie derzeit 2530 Asylsuchende beherbergen.

Seit Anfang Jahr haben Gemeinden, die keine oder zu wenige Asylsuchende unterbringen, dem Kanton pro Tag und Person eine Pauschale von 110 Franken zu bezahlen. Die Pauschale deckt dem Kanton die Kosten für die Unterbringung der Asylsuchenden. Anfang Mai will der Kanton die ersten Rechnungen versenden.

Bis Ende 2015 hatten säumige Gemeinden dem Kanton nur zehn Franken zu überweisen. Sie konnten sich also relativ günstig von ihrer Pflicht "freikaufen". Als Folge der geänderten Spielregeln schufen zahlreiche Gemeinden zusätzliche Wohnplätze. (sda)