Startseite Aargau Freiamt
Im Interview mit der az erklärt der überraschend zurückgetretene Gemeindeammann Urs Giger, weshalb es zum Bruch mit dem Gemeinderat kam.
Der Mühlauer Gemeindeammann Urs Giger hat nach nur einem Jahr den Rücktritt bekannt gegeben (die az berichtete). Im April hatte der Regierungsrat festgestellt, dass bei der Vergabe des Projektierungsauftrags für das neue Schulhaus die Ausstandsbestimmungen missachtet wurden – unter Billigung durch das Gemeinderatskollegium. Eine Aussprache innerhalb des Gemeinderates mit einem Mediator am 26. Oktober brachte Giger schliesslich zum Entschluss, zurückzutreten.
Urs Giger: Das stimmt so nicht ganz. Ich werfe den Bettel nicht hin, ich kann einfach die aktuelle Politik in Mühlau nicht mittragen.
Ja. Meine immer beanstandete Verletzung der Ausstandsregel im Vergabeverfahren Schulhausneubau wurde durch den Regierungsrat bestätigt. Eine Aufarbeitung im Gemeinderat mit einem Mediator fand statt. Ich kam zum für mich verblüffenden Ergebnis: In dieses Gremium gehörst du gar nicht, du bist einer gegen vier. Die Vertrauensbasis, die es für eine gute Zusammenarbeit braucht, ist nicht mehr gegeben. Man hätte mit der Aufklärung viel früher an die Öffentlichkeit rausgehen und zugeben müssen: Da haben wir einen Fehler gemacht.
Jetzt ist die Revision der Bau- und Nutzungsordnung am Laufen. Es geht um viel, und es geht in eine Richtung, die in meinen Augen schlecht ist für die Gemeinde. Es geht etwa um bauliche Verdichtung, die gar nicht notwendig wäre. Ich bin, beispielsweise, völlig gegen Terrassenbauten in unserer Gemeinde. Diese würden das Dorfbild kaputt machen.
Man kann und soll im Gemeinderat streiten und ringen. Aber nach aussen hin muss man als eine Einheit auftreten. Bei dieser Revision der Bau- und Nutzungsordnung würde das ein völlig falsches Bild von mir abgeben. Ich könnte nicht hinter diesem Regelwerk stehen – und müsste es noch unterschreiben.
Wenn es Knatsch gibt, geht es fast immer um Geld beziehungsweise um Interessenskonflikte. Die Gefahr von Verflechtungen in einem Dorf ist gross. Man darf sich nicht von persönlichen und finanziellen Eigeninteressen leiten lassen. Gelingt das nicht, wird eine Kommunalbehörde unglaubwürdig.
Ich war etwas blauäugig und glaubte, etwas bewegen zu können. Ich war zudem zum dritten Mal angefragt worden. Da stellte ich mich zur Verfügung. Der Eintritt in den Gemeinderat war ernüchternd, ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, im Rat angekommen zu sein. Und ich stellte fest: Eine Sitzordnung ist eine Rangordnung.
Nachdem sich meine dienstälteren Ratskollegen nicht der Herausforderung stellten, wollte ich es jetzt wissen, ob nicht doch Änderungen möglich sind. Ich wurde gewählt, allerdings nicht mit einem wirklich überzeugenden Resultat. Da merkte ich, dass es grosse Differenzen in der Bevölkerung gibt. Ich stellte nach der Schulhauseinweihung im September fest, nachdem die ganze Ausstandsgeschichte publik war, dass Unabhängigkeit scheinbar nicht so wichtig ist,
Nein, nicht in dieser Ratszusammensetzung. Ich will das Dorf nicht spalten. Aber die Einhaltung von Gesetz und Verfassung ist für mich nicht verhandelbar. Dazu gehört die Ausstandsregelung. Da musste ich letztlich fadengerade für mich eine Entscheidung treffen. Es war logischerweise die Demission.
Das sehe ich entspannt. Ich ziele ja nicht auf Personen und will keine Schlammschlacht. Meine Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat wissen, woran sie mit mir sind. Die Zusammenarbeit wird jetzt vielleicht etwas holpriger, aber ich bin zuversichtlich, dass wir unsere Aufgaben wahrnehmen können und anständig miteinander umgehen.
Nein, nicht wirklich. Viele sind möglicherweise überrascht über meine Konsequenz, es gibt Leute, die mich nicht mehr grüssen. Meine offene, kommunikative Art kommt halt nicht überall gut an. Einer sagte immerhin, er glaube, es sei der Falsche zurückgetreten.
Nein. Die Richtung, die ich aufgezeigt habe, will die Bevölkerung wahrscheinlich gar nicht. Das muss man respektieren.